Neue Westfälische 01 - Bielefeld West ,
25.05.2016 :
Disput über "braunen Dreck"
Streitgespräch: NW-Redakteur Ansgar Mönter kritisierte den Anti-Biegida-Slogan scharf; Mitdemonstrant und Blogger Michael Gugat hält scharf dagegen und erklärt seine Sicht
Ansgar Mönter: Das Motto "Den braunen Dreck wegfegen" halte ich für daneben, weil er in dem Zusammenhang auf Menschen gerichtet sein kann. Sie kritisieren meinen Kommentar dafür scharf in Ihrem Internet-Blog "Stadtraterei".
Michael Gugat: Ja, weil Sie das Motto komplett missinterpretiert haben. So war das tatsächlich nie gemeint. Es ging niemals gegen den Menschen Thomas Borgartz von Biegida, sondern ausschließlich um dessen Gedankengut und Ideologie.
Mönter: Warum hat das Bündnis dann nicht einen Slogan verwendet, der genau das ausdrückt? So lässt das Motto definitiv eine Interpretation wie meine zu. Ich bin ja bei weitem nicht der Einzige, der das so verstanden hat.
Gugat: Wenn man es so falsch verstehen will, kann man es. Okay. Aber hier geht es um einen plakativen Slogan, das müssten Sie als Journalist wissen. Es ist im Vorfeld nicht einmal ansatzweise diese Idee aufgekommen, dass man das hätte so verstehen können wie Sie. Bei keinem von uns.
Mönter: Wie hätten Sie es wahrgenommen, wenn Rechtsextreme mit dem Slogan "Den linken Dreck wegfegen" durch die Straßen ziehen?
Gugat: Sicher als nicht nett, aber ich hätte das auch nicht persönlich auf mich oder andere Menschen bezogen.
Mönter: Ich habe das übrigens auch so interpretiert, weil bei den Biegida-Gegendemos der Protest mitunter offensiv personalisiert wird, auf Biegida-Borgartz.
Gugat: Das ist nicht meine Wahrnehmung. Für mich geht es klar um das, wofür er und die Gesinnungsfreunde, die er einlädt, stehen. Tatsache ist, dass hier Gedankengut in die Stadt getragen werden soll, absurderweise von einem Menschen, der gar nicht in Bielefeld wohnt. Das macht die Sache noch bizarrer.
Mönter: Borgartz ist überhaupt nicht kampagnenfähig. Er ist schlicht ein Popanz.
Gugat: Manche aus der Szene sind bei Biegida schon aufgetaucht.
Mönter: Einmal und nie wieder.
Gugat: Das heißt aber nicht, dass man ihn alleine lassen kann. Es stellt sich nur die Frage, ob man immer ein großes Bohei veranstalten muss, um ihm klar zu machen, dass es hier eine breite Zivilgesellschaft gibt, die einfach keine rechte Gesinnung hier haben möchte. Durch kreative Aktionen wird versucht, das deutlich zu machen. Ignorieren geht nicht. Das Motto muss lauten: Keinen Fußbreit!
Mönter: Die Meinung von Borgartz abzulehnen ist eine Sache. Da bin ich voll dabei. Sie verhindern zu wollen, ist eine andere. Ich würde mich im Zweifel dafür einsetzen, dass auch er sagen darf, was er denkt, sofern es nicht strafrechtlich relevant wird. Wie andere auch, die Gegendemonstranten etwa.
Gugat: Ich behaupte nichts anderes. Niemand will Borgartz die Meinungsäußerung verbieten. Aber wir werden weiter da sein und zeigen, dass wir anderer Meinung sind, weil wir glauben, dass seine Meinung gefährlich für Gesellschaft und Demokratie ist.
Mönter: Ich sehe die Gefahr bei solchen Aktivitäten, dass man so wird wie die, gegen die man vorgeht, sich zumindest ihnen annähert.
Gugat: Das Bündnis ist ausdrücklich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und nicht hasserfüllt, sondern eher besorgt. Ich sehe uns nämlich eher als die besorgten Bürger.
Mönter: Der Slogan drückt in seiner Grobheit für mich ungute Gefühle aus. Ich würde darunter nicht demonstrieren wollen.
Gugat: Dann ist das so. Er drückt tatsächlich ein Gefühl aus. Es ist sicher eine emotionale Aussage. Sie haben sie auf Menschen bezogen verstanden. In meinem Umfeld hat kein Mensch das so verstanden.
Mönter: In meinem schon, und zwar ziemlich viele.
Gugat: Hätte man schreiben sollen, dass wir braunes "Gedankengut" wegfegen, wäre dann alles gut?
Mönter: Dann hätte ich nie was Kritisches geschrieben.
Gugat: Was mir und anderen aber sauer aufgestoßen ist, ist, dass Sie das mit nationalsozialistischen Methoden verglichen haben. Da ist eine rote Linie überschritten.
Mönter: Das verstehe ich. Das würde ich auch nicht mehr so schreiben, obwohl ich nur darauf warnend hinweisen wollte, dass das stilistisch in diese Richtung geht. Aber, richtig, da hätte bei mir eine Warnlampe angehen müssen.
Bildunterschrift: Mit Besen in der Hand: Teilnehmer der Anti-Biegida-Demonstration am vergangenen Freitagabend am Treppenplatz in Brackwede. Mit der Aktion soll der "braune Dreck" aus der Stadt gefegt werden.
Bildunterschrift: "Missinterpretiert": Michael Gugat.
Bildunterschrift: "Missverständlich": Ansgar Mönter.
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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 25.05.2016:
Streitgespräch über "braunen Dreck"
Bielefeld. NW-Redakteur Ansgar Mönter und Michael Gugat vom "Bündnis gegen Rechts" diskutieren über das Motto einer Demonstration gegen Biegida.
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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 25.05.2016:
Briefe an die Lokalredaktion / "In linksradikale Ecke verortet"
Der Kommentar "Verrohte Sprache" (NW vom 22. Mai) sorgt weiter für Diskussion, auch Leserbriefe, die dazu erschienen sind. Die Meinungen der Leserbriefschreiber sind geteilt, wobei es noch zahlreiche Anrufer und Schreiber gegeben hat, die sich bedankt haben für den Kommentar und ihm zustimmen. Anderseits wehren sich Beteiligte des Bündnisses aus Gewerkschaften und Organisationen wie Dirk Toepper, Klaus Rees, Berfe Budak und Sarab Aclan. Auch ihre Meinungen werden hier wiedergeben.
Die Autorin und der Autor zweier Leserbriefe überhöhen das Motto "braunen Dreck wegfegen" ideologisch. Tatsächlich weiß ich aus Diskussionen mit jemandem aus dem harten Kern, in denen ich darauf verwies, dass hier doch Menschen unterwegs seien und nicht irgendwelche virtuell inkarnierte Gestalten, dass mir genau in dem Sinn des unwerten Lebens geantwortet wurde. Motto: "Ich bin tolerant, aber da bin ich total intolerant!" Der Kommentar über die "verrohte Sprache" hat ins Schwarze getroffen. Ich hoffe, dass darauf endlich eine Besinnung auf sachliche Auseinandersetzungen folgt, aus Erfahrung bezweifele ich das allerdings.
Leonore Natale
Bielefeld
Das Bündnis hat klar und deutlich vor Ort ausgeführt, dass die gesprochenen Worte und somit die fremdenfeindlichen und rassistischen Gedanken der Biegida-Redner wegzufegen sind und keinesfalls die Biegida-Anhänger. Wenn es etwas zu "entlarven" gibt, ist es die Tatsache, dass diese Aktion nicht neu ist und sie schon in anderen Städten durchgeführt wurde - nirgends jedoch wurden diese so falsch interpretiert. Es ist unerhört, das Bündnis gegen Rechts mit über 70 Organisationen, Vereinen und Einrichtungen mit den Nationalsozialisten zu vergleichen.
Sarab Aclan
Bielefeld
Das Motto des Bündnisses ("den braunen Dreck wegfegen") bezog sich nicht auf das verlorene Häuflein der demonstrierenden Biegida-Anhänger, sondern auf die geschichtlichen Wurzeln ihres Gedankenguts. Im Unterschied zu Rechtsradikalen haben die Gegendemonstranten aus der Mitte der Gesellschaft immer zwischen der menschenverachtenden Ideologie des Rassismus und ihren irregeleiteten Anhängern unterschieden. Von den Gegendemonstranten ging erkennbar keine verbale oder gar physische Gewalt gegen die Biegida aus. Die Verteidiger einer offenen und freien Gesellschaft müssen den öffentlichen Raum besetzen, bevor sich die Vertreter einer menschenfeindlichen Ideologie zur angeblichen Stimme der "besorgten Bürger" aufspielen können.
Christopher Kopper
Bielefeld
Endlich befasst sich mal einer mit der völlig entgleisten Alltagssprache. Vor allem, dass so genannte Politiker oder Würdenträger sich solcher Vokabeln bedienen. Von meiner Terrasse konnte ich am Freitag das Geschehen direkt verfolgen. Nach Presseberichten waren drei rechte Akteure dort. Erkennen konnte ich niemanden. Umso mehr schon Stunden vorher, dass die Geschäftigkeit am Rande zunahm. Sicher haben viele Bewohner diese Leute gesehen. Ich bin entsetzt, wer sich (unter diesem Motto) dafür in Position gebracht hat. Damit bekommt man keinen verirrten Wähler, gleich welcher Partei, wieder zurück. Die Umfragewerte sprechen Bände!
Reinhard Fabel
Bielefeld
Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts, in dem sich seit Jahren viele Bielefelder Bürger und lokale Organisationen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, für eine offene demokratische Bielefelder Stadtgesellschaft engagieren, wird in dem Kommentar in die linksradikale, gewaltbereite Ecke verortet. Aufhänger dafür ist das Motto der Gegendemonstration "Den braunen Dreck wegfegen". Wir können nicht erkennen wie aus diesem Motto, das rein symbolisch dazu aufruft, das "braune Gedankengut" aus unserer Gesellschaft zu entfernen, eine derartige Ableitung und ein Vergleich mit nationalsozialistischer Hetze gegen Minderheiten abzuleiten ist. Der Kommentar verrät ein Übermaß an unideologischer Überheblichkeit und einseitiger Stigmatisierung, die sich gerade für Vertreter der Presse und der Meinungsfreiheit verheerend auswirken könnte.
Dirk Toepper
Bielefeld
Es ging und geht darum, dass Gedankengut, wie das von ausgewiesenen und einschlägig bekannten Rechtsextremistinnen wie Melanie Dittmer, Esther Seitz, Ferdinand Gerlach und anderen, die auf Einladung von "Biegida" in Bielefeld waren, symbolisch "wegzufegen". Eine Aktionsform, die übrigens auch in vielen anderen Städten bereits durchgeführt und dabei immer richtig verstanden wurde. Wenn in dem Kommentar nun behauptet wird, das Bündnis gegen Rechts würde die "Biegida-Teilnehmer "braunen Dreck"" nennen, dann kann das kein Missverständnis sein, sondern es ist und bleibt eine infame Unterstellung.
Klaus Rees
Bielefeld
Das Bündnis hat deutlich ausgedrückt, dass es sich bei "Den braunen Dreck wegfegen" nicht um die Menschen, sondern die fremdenfeindlichen und rassistischen Gedanken handelt, die es symbolisch "wegzufegen" galt. So einen Diskurs aufzuwerfen, indem man sich ausschließlich auf den Titel konzentriert und Vergleiche mit Nationalsozialisten zieht, scheint mir eher eine Provokation und "peinlich"!
Berfe Budak
Bielefeld
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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 23.05.2016:
Briefe an die Lokalredaktion / "Hat mich ziemlich geschockt"
Der Kommentar "Verrohte Sprache" (21. / 22. Mai) über das Motto "Den braunen Dreck wegfegen" des Bielefelder Bündnisses gegen Rechts hat Zustimmung und Ablehnung erzeugt:
Zur Demokratie gehört nach meiner Auffassung aber auch die Fähigkeit, andere Meinungen und politische Vorstellungen im Zuge von Demonstrationen zuzulassen und zu ertragen. Bei der Wahl des Mottos einer angemeldeten Gegendemonstration sollte man aber mit Bedacht vorgehen, gerade wenn man gegen Menschenfeindlichkeit eintreten will. Die Gegendemo zur Biegida-Demonstration wurde von Wiebke Esdar für das "Bündnis gegen Rechts" unter dem Motto "Den braunen Dreck wegfegen" angemeldet. Dieser Sprachgebrauch hat mich tief erschüttert, weil er unerträgliche Menschenverachtung ausdrückt. Völlig unabhängig von politischen Überzeugungen würde ich mich niemals einer Demonstration anschließen, die unter diesem Motto auf die Straße geht.
Renate Jungnitsch
Bielefeld
Die Wortwahl des "Bündnis gegen Rechts" zeugt von einem gestörten Demokratieverständnis. Das hohe Gut von Demokratie und Meinungsfreiheit gilt auch für Menschen, die anderer Meinung sind. Auch die Tatsache, dass man Menschen mit anderer Meinung nicht zu Wort kommen lässt, sie niederpfeift und niederbrüllt, zeugt von einem merkwürdigen Verhältnis zu unserer Demokratie.
Bernhard Zurheide
Bielefeld
Es sind Menschen, auch wenn sie sich politisch und ideologisch verirrt haben. Man sollte ihnen helfen, ihre Toleranz zu entwickeln.
Hans Tuxhorn
Bielefeld
Beim Lesen dieses Kommentars hat es mir zunächst die - keineswegs "verrohte"! - Sprache verschlagen. Dass sich das Motto des "Bündnisses gegen Rechts" - das in Bielefeld engagierte und verdienstvolle Arbeit leistet - "Den braunen Dreck wegfegen", auf die faschistoide Ideologie von Biegida und Co. sowie deren Hass-Tiraden gegen nicht-deutsche Menschen bezieht, und nicht etwa auf die Entsorgung derer Vertreter, hat wohl in Bielefeld, außer der Autor, jede/r verstanden. Schließlich käme doch auch kein NW-Redakteur auf die Idee, die Mitarbeiter der Müllabfuhr wollten, statt den Dreck zu beseitigen, dessen Verursacher in die MVA transportieren, oder?! Eines ist klar: Gegen reaktionäre und fremdenfeindliche "Bewegungen" ist ein entschiedenes, lautstarkes und gerne auch scharfzüngiges Auftreten angesagt - und kein leises, pseudohumanes Gesäusel.
Thomas Güdelhöfer
Bielefeld
Der Kommentar "Verrohte Sprache" macht deutlich, dass der Kant`sche Kategorische Imperativ auch für den Umgang mit Sprache gilt, und zwar für das rechte wie das linke Lager.
Eitel Riefenstahl
Bielefeld
Ich bin der Meinung, dass man alle diese Vorwürfe ernst nehmen sollte und immer wieder überprüfen, in welcher Sprache sie schreiben. Dies gilt für das "Bündnis gegen Rechts"; für die NW; aber auch für mich selbst.
Lutz Havemann
Bielefeld
Der Kommentar hat mich ziemlich geschockt, denn der Autor bellt da den falschen Baum an. Die Besen sollten hetzerische Worte und Ideologien wegfegen, nicht Menschen. Ich käme gar nicht auf die Idee mit "braunem Dreck" Menschen zu titulieren, selbst Nazis nicht. Was wir wegfegen wollten, war das ideologische Gift, das von Biegida verbreitet wird.
Dagmar Buchwald
Bielefeld
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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 21./22.05.2016:
Kommentar / Der Stil des "Bündnisses gegen Rechts" / Verrohte Sprache
Ansgar Mönter
Das "Bielefelder Bündnis gegen Rechts" deckt gerade unfreiwillig Erschreckendes auf - und zwar bei sich selbst. Stolz verkündeten die Akteure zur neuerlichen Anti-Biegida-Demonstration das Motto: "Den braunen Dreck wegfegen." Damit verwenden sie eine verrohte Sprache, die auf Facebook einen noch härteren Widerhall findet ("Weg mit der braunen Sch..."), die aber sonst eigentlich nur dem politischen Feind zugeschrieben wird.
Das ist mehr als peinlich und entlarvend. Es erinnert an die Volksweisheit: "Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mir drei Fingern auf sich."
Ob "Biegida", die Partei "Die Rechte" oder andere, deren Meinungen abgelehnt werden und die Gegenpositionen unbedingt verdienen: Es geht dabei dennoch immer um Menschen und nicht um "Dreck", auch nicht um "braunen".
Die entmenschlichende Sprache, die das Bündnis nutzt, ist ein erprobtes politisches Kampfmittel übler Sorte. Auf diese Methode folgen nicht selten rohe Taten. Ein Beispiel lieferten die Nationalsozialisten. Sie nannten Juden "Ungeziefer". Zuletzt wurde Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann gerichtlich wegen Hetze verurteilt. Er bezeichnete Flüchtlinge als "Viehzeug".
Biegida-Teilnehmer "braunen Dreck" zu nennen, geht stilistisch in diese Richtung. Das sollten gerade die wissen, die sich sonst selbst auf dem Hochsitz der Moral verorten und glauben, mit ihrem "Kampf gegen Rechts" selbstverständlich auf der Seite der Guten zu stehen.
Das Motto des "Bündnisses" verrät ein Übermaß an ideologischem Furor, gepaart mit Hassgefühlen. Das wirkt abstoßend.
bielefeld@nw.de
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