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Neue Westfälische , 21.05.2016 :

Kritik an Daldrups Gutachten

Auschwitz-Prozess: Zweiter Versuch, Joshua Kaufman in den Zeugenstand zu rufen, scheitert / Er sollte den grauenvollen Zustand der Leichen schildern

Von Silke Buhrmester

Detmold. Joshua Kaufman wird nicht erneut aus den USA anreisen, um vor Gericht Zeugnis über den Zustand der in den Gaskammern Ermordeten auszusagen. Die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Anke Grudda hat auch einen zweiten Versuch des Rechtsanwalts Markus Goldbach zurückgewiesen, den 88-jährigen Klempner aus Los Angeles als Zeugen zu hören.

Auch der Antrag Goldbachs, den Toxikologen Thomas Daldrup vom Institut für Rechtsmedizin in Düsseldorf wegen "mangelndem Sachverstand" abzuberufen und einen neuen Sachverständigen zu benennen, lehnte die Kammer ab. An Daldrups Vortrag über die generelle Wirkweise von Zyklon B, das in den Vernichtungslagern von den Nazis für Massenvergasungen eingesetzt wurde, hatte sich Goldbach gestoßen. Während seiner Aussage am 29. April hatte der Sachverständige gesagt, dass Menschen, die mit Zyklon B vergast wurden, "eher aussehen, als würden sie schlafen, keine bläuliche Verfärbung der Haut aufweisen" und auch mögliche Todeskrämpfe post mortem nicht sichtbar seien. Zudem hatte Daldrup zugegeben, sich mit den Umständen in Auschwitz nicht näher befasst zu haben.

Rechtsanwalt Goldbach, der die Nebenklägerin Eva Kor vertritt, legte deshalb Wert auf Joshua Kaufmans Aussage. Der Jude mit ungarischen Wurzeln war, wie berichtet, nach seiner Deportation nach Auschwitz mindestens einmal gezwungen worden, die Menschen aus der Gaskammer ins Krematorium zu transportieren. Laut Goldbach könnte er belegen, dass die Ermordeten zum Teil aus Nase und Körper bluteten, in ihren Gesichtern der Todeskampf zu sehen war und sie so ineinander verkeilt waren, dass ihnen die Knochen gebrochen werden mussten, um sie voneinander zu lösen.

Auch in Daldrups Gutachten war die Rede von "erheblichen Qualen". Der Todeskampf habe zwischen 20 und 30 Minuten dauern können. Wer näher an den Säulen stand, in die das Gift geworfen wurde, starb schneller, ebenso wie kleine Menschen. Denn das Gas ist etwas leichter als Luft und stieg nach dem Einwurf langsam nach oben. Eltern sahen so vor ihrem eigenen Tod ihre Kinder sterben.

Bildunterschrift: Experte für Zyklon B: Thomas Daldrup vom Düsseldorfer Institut für Rechtsmedizin.

21./22.05.2016
sbuhrmester@lz.de

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