WebWecker Bielefeld ,
10.12.2003 :
Antifa auf Kaffeefahrt
Für den vergangenen Samstag luden antifaschistische Initiativen zu einer Informationstour zum Thema Rechtsrock in der Region ein. Für den Webwecker war Robert Schwarz mit der "Antifa on tour".
Heizdecken gab es nicht zu kaufen, auch wenn sie bei der klirrenden Kälte bei den Kundgebungen vor einigen Zentren des Rechtsrocks in der Region sicher viele Abnehmer gefunden hätten. Stattdessen gab es während der von antifaschistischen Initiativen aus der Region veranstalteten Bustour viele interessante Informationen.
Die erste Lektion, die die fünfzig Insassen des voll besetzten Busses bei der "We will rock you Tour 2003" lernen konnten, war, dass Anhänger von Nazimusik nicht immer kurze Harre tragen und schon gar nicht dem Klischee des arbeitslosen Jugendlichen entsprechen. Der erste Besuch galt einem jungen Unternehmer, Michael Stephan, in der Eilshauser Straße in Hiddenhausen-Oetinghausen. Der ist nicht nur Inhaber einer IT-Firma namens werbedesign.net, sondern auch Herausgeber des Skinhead-Fanzines "Unsere Welt". Fanzines sind Magazine, die die Kontakte in einer Szene fördern und den Nachwuchs an sie heranführen. Bei Stefans Geburtstag traten zudem nach Angaben der Antifa namhafte Skinheadbands auf, außerdem wurde auf der Veranstaltung für die terroristische Vereinigung Combat 18 geworben. Die Zahl 18 steht in Neonazikreisen für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets, das A und das H, für Adolf Hitler.
Anhänger dieser Ziffernsymbolik ist augenscheinlich auch der Autofahrer, der seinen Pontiac an der nächsten Station der Bustour geparkt hatte. Auf dem Auto prangte neben einem Aufkleber des Skinhead-Ausstatters Pitbull ein Aufkleber mit der Zahlenkombination 88 im Eichenlaubkranz. Die Zahlen stehen in einschlägigen Kreisen für "Heil Hitler". Die in großer Zahl anwesenden Polizeibeamten sahen in dem Aufkleber an dem neben der Kreispolizeibehörde geparkten Fahrzeug allerdings keinen Grund einzuschreiten. Den auf dem Balkon des Wohnhauses feixenden, vermummten Angehörigen der rechtsextremen Szene signalisierten sie allerdings, sich in das Haus zurückzuziehen.
In dem Haus wohnt der Organisator von zwei Skinheadkonzerten in der Region. Eines davon filmte ein Team von Spiegel-TV. Zu sehen war in dem Film ein Neonazi, dessen T-Shirt ein Hakenkreuz zierte. Der erhielt just am Tag vor der "We will rock you Tour" Besuch von der Polizei, möglicherweise ein erster Erfolg der reisenden Antifa.
Das nächste Ziel der Tour war das Label "Christhunt-Productions" in Leopoldshöhe. Die Firma produziert und vertreibt CDs mit Black Metal Musik. Die Inhalte dieser Variante von Heavy Metal deutet das Label auf seiner Homepage an: "Christhunt productions supports war, hate and violence" ist da zu lesen. "Black Metal ist zwar erst mal keine Nazi-Musik", betonte einer der Reiseleiter, fügte aber hinzu: "Es gibt da aber auch die Richtung NS-Black Metal." Da finden sich dann Texte wie der der Band Magog. In dem heißt es: "Wir marschieren in eine neue Zeit, die uns von Christen und Juden befreit." Ein Sampler der Christhunt-Productions wurde als Special Edition mit angeblicher Asche aus Auschwitz verkauft, andere CDs der NS-Black Metal Szene tragen Hakenkreuze oder SS-Runen. Der Aufforderung eines Redners, deshalb das Haus nach NS-Symbolen zu durchsuchen, kam die Polizei jedoch nicht nach. Sie beschränkte sich auch hier darauf, die Demonstranten zu bewachen.
An der nächsten Station in Verl wurde der Bus bereits von der Anti-Antifa erwartet. Die Rechtsextremisten versuchten, Fotos von den Demonstranten zu machen. Sie konnten vertrieben werden, gegen den Fotografen vom Staatsschutz hatten die Reisenden aber keine Chance. In Verl wohnt Marco Laszcz, Kopf der Naziband Sleipnir, einer bundesweit bekannten Band. Laszcz pflegt auch internationale Kontakte, zum Beispiel zum schottischen "Blood & Honour"-Netzwerk, einer in Deutschland verbotenen Organisation. Bei der Kundgebung vor dem Haus Zum Meierhof 39 versuchte Laszczs Mutter die Demonstranten zu überzeugen, dass ihr Sohn kein Nazi sei. Dass er bei Veranstaltungen der Jungen Nationaldemokraten und der NPD deutet allerdings ebenso daraufhin, dass sie da wohl irrt, wie die Tatsache, dass die erste Sleipnir-CD "Mein bester Kamerad" 1998 vom Amtsgericht Ulm beschlagnahmt wurde. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass der "Wolfzeit/Boundless"-Versand von Marco Laszcz im August zehn Sleipnir-CDs für eine Solidaritätsauktion im Internet zur Verfügung stellte. Die Einnahmen aus der Auktion über das "Auktionshaus für Patrioten und Nationalisten" sollen den Bands "Landser" und D.S.T. zugute kommen. CDs der beiden Bands wurden beschlagnahmt, Mitglieder von Landser stehen zur Zeit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung vor Gericht.
Nachdem auch in Verl die Anwohner mit einer Rede und Flugblättern in ihren Postfächern über ihren Nachbarn informiert wurden, ging es zurück nach Bielefeld. Denn dort wohnt in der Mühlenstraße Hendrik Stiewe, verantwortlich für den Internet-Versandhandel "H8rock". Auch in diesem Namen ist wieder das Spiel mit den Zahlen zu erkennen: H8 steht wiederum für Heil Hitler, englisch ausgesprochen bedeutet der Name "Hassrock". Stiewe ist zudem Mitglied der Burschenschaft Normannia-Nibelungen, die unter anderem Horst Mahler als Referenten begrüßen konnten.
Nachdem Staatsschützer die Kundgebung in der Mühlenstraße noch einmal ausgiebig nutzten um die Demonstranten zu fotografieren, ging die "We will rock you Tour 2003" ohne Zwischenfälle zu Ende.
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