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Westfalen-Blatt , 29.04.2016 :

28 "Reichsbürger" abgeführt / Porta Westfalica: 60 Polizisten setzen Hausrecht des neuen Besitzers durch

Von Christian Althoff

Porta Westfalica (WB). 28 "Reichsbürger" haben gestern in Porta Westfalica versucht, die Räumung eines zwangsversteigerten Einfamilienhauses zu verhindern. Die Polizei setzte 60 Beamte ein.

Unternehmer Karl-Heinz Blümel aus Bielefeld hatte das gepflegte, erst 1994 erbaute Fachwerkhaus ersteigert. Besichtigen konnte er das Einfamilienhaus vorher nur von außen, und dabei fielen ihm die beiden amtlich wirkenden Schilder auf: "Diplomatische Mission des Königreich Preußen". Da habe er sich schon seine Gedanken gemacht, sagt er. Doch dann führte Blümel ein Gespräch mit dem ehemaligen Eigentümer und glaubte, die Übergabe problemlos vollziehen zu können.

So kam es nicht. Als der Gerichtsvollzieher gestern gegen 8.30 Uhr das Haus zwangsräumen wollte, hatten sich bereits knapp 30 "Reichsbürger" vor dem Eingang postiert - Männer und Frauen. Sie verweigerten dem Gerichtsvollzieher und dem neuen Eigentümer den Zutritt und legten dem Gerichtsvollzieher Papiere des "Freistaats Preußen" vor, die er unterschreiben sollte.

Karl-Heinz Blümel erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Weil die Polizei kaum einschätzen konnte, wie groß der Widerstand der "Reichsbürger" sein würde, rückte sie mit etwa 60 Beamten an. Auch Polizisten des Staatsschutzes Bielefeld waren vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Ein "Reichsbürger" hielt von der Terrasse des Hauses aus eine Rede, in der er die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik bestritt, ein anderer beschimpfte die Polizisten als Nazis.

Weil die "Reichsbürger" trotz guten Zuredens ihre Blockade nicht beendeten, führten Polizisten einen nach dem anderen ab, um die Personalien aufzunehmen. Auch der 66-jährige frühere Hausbesitzer gab auf. Polizeisprecher Ralf Steinmeyer: "Alle bekommen Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs, und ein Mann außerdem wegen Beleidigung, weil er uns Nazis genannt hat."

Der frühere Eigentümer, ein Diplom-Wirtschafts-Ingenieur, äußerte sich gestern nicht. Er war der Polizei vorher nicht negativ aufgefallen und scheint so gar nicht ins Bild des typischen "Reichsbürgers" zu passen. Er war Mitglied im Schützenverein in Porta Westfalica und bekam 2009 anlässlich der Hannover-Messe beim Wettbewerb "Land der Ideen" einen Preis für einen von ihm entwickelten Wasserenthärter.

"Reichsbürger" lehnen gewöhnlich Grundgesetz und Demokratie ab und behaupten, das Deutsche Reich bestehe in den Grenzen von 1914 fort. Sie halten bundesdeutsche Behörden nicht für legitimiert und setzten sich deshalb gegen behördliche Maßnahmen aller Art zur Wehr.

Nach Auskunft des Bielefelder Staatsschutzes gibt es in Ostwestfalen-Lippe lose Zusammenschlüsse im Kreis Höxter, wo die so genannten Reichsbürger unter "Freistaat Preußen" auftreten, und im Raum Bad Oeynhausen / Löhne, wo sie als "Germaniten" oder "Justiz-Opfer-Hilfe" unterwegs sind.

Bildunterschrift: "Diplomatische Mission des Königreich Preußen": Zwei dieser Schilder hängen an dem Haus in Porta Westfalica.

Bildunterschrift: Polizisten einer Hundertschaft aus Münster kamen gestern zur Unterstützung der örtlichen Polizei nach Porta Westfalica, wo das Klinker-Fachwerkhaus geräumt werden sollte.

Bildunterschrift: Bei diesem Anblick musste der neue Hausbesitzer schmunzeln: Neben der Sauna im Keller hängt dieses Schild.

Bildunterschrift: Karl-Heinz Blümel hat das Haus ersteigert.

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Mindener Tageblatt Online, 05.02.2016:

Haus am Kiekenbrink geht an Bielefelder Makler: Reichsbürger stören bei Verkündung nur ein wenig

05.02.2016 - 00.08 Uhr

Von Carsten Korfesmeyer

Porta Westfalica-Hausberge (mt). Der Höchstbietende hat am Ende den Zuschlag erhalten. Es ist ein Makler aus Bielefeld, der das Haus im Kiekenbrink 17 in einer Zwangsversteigerung erhielt. Die lief bereits vor einer Woche, doch die Vertreterin der Gläubigerbank hatte einen gesonderten Verkündungstermin beantragt. Letzte Formalitäten sollten geklärt werden, ob das Eigentum ordnungsgemäß übertragen werden kann. Das kann es, teilt der Rechtspfleger in der Sitzung am Donnerstagmorgen mit. Für 143.000 Euro.

Was jetzt aus dem Verein "Wir sind die Freiheit Stiftung" wird, der die Kellerräume des Gebäudes gemietet hat, ist unklar. Zwei mutmaßliche Mitglieder hatten in der Zwangsversteigerung am 28. Januar noch versucht, mitzubieten. Sie zählen zu den so genannten Reichsbürgern, die nach dem Staatsaufbau der Kaiserzeit leben. Die Bundesrepublik sowie den Euro erkennen sie nicht an. Mit ihren in "Mark" abgegebenen Geboten scheiterten sie deshalb erwartungsgemäß. Die Währung wurde nicht akzeptiert.

Angespannt ist die Stimmung im Saal 223. Wieder kontrollieren Justizbeamte jeden, der in den Raum möchte. Handys oder Taschen müssen abgegeben werden. Doch zu turbulenten Szenen, Zwischenrufen oder schrägen Momenten kommt es nicht mehr.

Ein Mann versucht noch, den Rechtspfleger kurz vor der Sitzung in ein Gespräch zu verwickeln - und Unterlagen "nachzureichen". Er wird energisch zurückgewiesen. Ein anderer spendet kurz nach Sitzungsende provokanten Applaus. Mehr passiert nicht und: Mit nicht einmal 20 Zuhörern ist die Sitzung deutlich weniger besucht als in der Vorwoche. Da waren es rund 50 Personen und der Saal wurde wegen Überfüllung geschlossen.

Gegen die Entscheidung könne grundsätzlich eine Beschwerde eingelegt werden, teilt Gerichts-Pressesprecher Dr. Jörg Eisberg mit. In den Sitzungen und am Rande der Verhandlungen hatte unter anderem der bisherige Eigentümer erklärt, diesen rechtlichen Schritt gehen zu wollen. Ob er ihn bereits unternommen habe, sagt er am Donnerstag auf MT-Anfrage nicht.

Ein solches Verfahren laufe dann vor dem Landgericht Bielefeld. "In schriftlicher Form", sagt Eisberg. Mit dem Verkündungstermin sei das Haus formal an den neuen Eigentümer übergegangen. An ihm sei es jetzt, seine bestehenden Forderungen durchzusetzen. "Notfalls zwangsweise mit dem Gerichtsvollzieher."

Die Mieter und der bisherige Eigentümer müssen ausziehen, sagt Eisberg. Über Fristen sollten sich die Beteiligten verständigen. "Das geht jetzt in die Vollstreckung."

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Neue Westfälische, 29.01.2016:

Vom Esoteriker zum Reichsbürger / Ideologen: Das Haus eines Ingenieurs aus Porta Westfalica wurde trotz Störung zwangsversteigert

Von Ulf Hanke

Porta Westfalica. Dem deutschen Ingenieur ist nichts zu schwer. Das dachte sich wohl auch Wolfgang S. aus Porta Westfalica und machte sich daran, gewöhnliches Leitungswasser mit Magnetfeldern energetisch aufzuladen, um weniger kalkendes Wasser zu bekommen. Der 55-Jährige hat eine solche Wasseraufbereitungsanlage erfunden, daran geglaubt, sie deutschlandweit vertrieben und sich damit im Esoterik-Markt und weit über den Kreis Minden-Lübbecke hinaus bekannt gemacht. Wirtschaftlich dagegen ging es bergab. Gestern ist sein privates Wohnhaus zwangsversteigert worden.

Auf der Hannover-Messe wurde seine Firma 2009 sogar als "Good-Practice-Beispiel" ausgewählt und im Rahmen der Kampagne "Deutschland, Land der Ideen" mit Fördergeld des Bundeswirtschaftsministeriums präsentiert.

Mit der Bundesrepublik und ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung will der Ingenieur jedoch nicht mehr viel zu tun haben. Seine Firma "Weser-Union" ist 2013 aus dem Handelsregister gelöscht worden. Während der Zwangsversteigerung berief er sich auf einen angeblichen "Rechtsstand von 1913" und damit auf die gängige Ideologie der rechtsextremen Reichsbürger

Kurz vor Beginn der Versteigerung ernannte S. noch flugs den 55-jährigen Detlef S. aus Osnabrück zum "Rechtsbeistand". Der bekannte Reichsbürger versuchte nach Kräften, die Versteigerung zu stören. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Minden ließ sich durch die Störmanöver der Reichsbürger nicht beirren. Ein Bielefelder Bieter erwarb mit einem Portaner die Immobilie für 143.000 Euro. Laut Gutachten ist das Haus 220.000 Euro wert. Donnerstag wird der Zuschlag verkündet.

Angriff

Das Foto zu diesem Text ist trotz massiver Drohungen eines Reichsbürgers entstanden. Detlef S. (55) wurde handgreiflich, versuchte unserem Fotografen die Kamera zu entwenden und stellte ihm ein Bein. Bei der Rangelei stürzten beide zu Boden, der Journalist verletzte sich an der Unterlippe, Detlef S. an der Hand.

Bildunterschrift: Unterm Hammer: Das Wohnhaus in Porta Westfalica.

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Mindener Tageblatt Online, 28.01.2016:

Zwangsversteigerung nimmt schrägen Verlauf - Bieter wollen in Reichsmark zahlen

28.01.2016 - 17.42 Uhr

Von Carsten Korfesmeyer

Minden / Porta Westfalica (mt). Die Zwangsversteigerung eines Hauses in Hausberge nimmt am Donnerstag einen schrägen Verlauf. Die Mieter wollen mitbieten. Allerdings in Reichsmark. Anschließend wird ein Journalist attackiert - und dann der Staatsschutz informiert.

Der Mieter ist eine Stiftung. "Wir sind die Freiheit" heißt sie und nutzt die Kellerräume des Hauses im Hausberger Kiekenbrink. Das Objekt ist am Donnerstagmorgen in der Zwangsversteigerung. Mehr als 50 Personen drängen sich im Saal 220 des Amtsgerichts - darunter einige Vertreter der so genannten Reichsbürger, die den deutschen Staat nicht anerkennen. Sie leben nach den Gesetzen von 1914, wie ein Stiftungsvertreter gegenüber dem MT am Rande mitteilt.

Der Meistbietende ist ein Makler aus Bielefeld, der sich mit einem Portaner ein Bieterduell geliefert hat. 17 Mal legen beide abwechselnd nach, bis der Hammer fällt. Ob das Haus tatsächlich an den Bielefelder geht, wird sich erst am kommenden Donnerstag um 8 Uhr entscheiden, denn: Die Vertreterin der Gläubigerbank beantragte beim Rechtspfleger einen späteren Verkündungstermin. Das sei ein Rechtsmittel, um noch einmal alle Formalitäten zu klären, heißt es. Auch nach dem Ende der Sitzung ist die Stimmung sehr angespannt, jedoch nicht aggressiv. Ein Vertreter der Stiftung teilt noch auf dem Gerichtsflur mit, auf jeden Fall gegen die Zwangsversteigerung eine Beschwerde einzureichen. Der Mann lässt die gegenwärtigen Gesetze nicht gelten, verweist auf die Rechtslage der Kaiser-Zeit. Und nach der sei sein überschuldeter Vermieter ohne Schulden. "Die Bank hat gar keinen Titel", sagt er. Das sei zwar kompliziert zu verstehen, aber der Sachverhalt werde sich schon irgendwann zu seinen Gunsten aufklären. Dann wolle man das Haus an den bisherigen Eigentümer verschenken, sagt ein weiteres Stiftungsmitglied. Dass dieser dann sowieso Eigentümer bleiben würde, scheint bei den Überlegungen keine Rolle zu spielen.

Vor der Sitzung gibt es strenge Personenkontrollen, Handys oder Taschen müssen abgegeben werden. Für den verantwortlichen Rechtspfleger ist es ein ungewöhnlicher und anstrengender Vormittag. Während der Bieterphase kommt es immer wieder zu Störungen. Ein Zuhörer isst Popcorn und wird zurechtgewiesen. Der Stiftungssprecher erklärt mehrfach in geschliffener Rhetorik, dass dieses Gericht gar nicht zuständig sei. So fordert er unter anderem den Rechtspfleger dazu auf, persönlich für das Verfahren einzustehen, was dieser konsequent ablehnt. "Auge um Auge", sagt der Mann, als er sich wieder auf seinen Platz im Zuhörerraum setzt. Und wie es auch ein anderer tut, gibt er in der Versteigerung ein Angebot ab. In Reichsmark.

Das wird nicht akzeptiert, was wenig überrascht und für Gemurmel sorgt. Das in Reichsmark unterbreitete Gebot liegt allerdings auch um ein vielfaches unter dem, was der Bielefelder Makler abgegeben hat. Der Stiftungsvertreter verneint auch das. Es sei höher, erklärt er gegenüber dem MT, weil der Wert seit 1914 um das 13,86-fache gestiegen sei. Dieser Aspekt werde von den Justiz-Vertretern absichtlich ausgeklammert. Seine Stiftung werde auch in anderen Fällen juristisch gegen das Unrecht vorgehen, sagt er. Die werden seinen Worten nach weiter zunehmen.

"Grundsätzlich steht der Rechtsweg offen", sagt Amtsgerichts-Pressesprecher Dr. Jörg Eisberg am Donnerstagnachmittag auf MT-Anfrage. Er spricht von einem relativ normalen Verlauf, den die Zwangsversteigerung genommen habe. Am Kiekenbrink sieht das eine halbe Stunde nach Sitzungsende hingegen völlig anders aus. Ein Journalist, der ein Foto des zur Zwangsversteigerung stehenden Objekts machen will, wird von einem Mann aus dem Haus daran gehindert. Nach Aussage der Polizei sei der 55-Jährige auf den Journalisten zugegangen, habe ihn zu Boden geschubst - und ihn im Zuge der Auseinandersetzung an der Lippe verletzt. Der mutmaßliche Täter habe sich gegenüber der sofort herbeigerufenen Polizei ausgewiesen, heißt es. Das Opfer musste ins Krankenhaus, konnte es aber nach der Behandlung verlassen. "Strafanzeige wegen einfacher Körperverletzung wurde gestellt", teilt Pressesprecher Ralf Steinmeyer mit und: Der Staatsschutz sei bereits am Nachmittag über den Vorfall informiert worden.

"Wir wussten von der Zwangsversteigerung", teilt Portas Bürgermeister Bernd Hedtmann auf MT-Anfrage mit. In diesen Fällen informiert zu werden, sei normal. "Für den Fall, dass wir bestehende Forderungen haben", sagt er. Daran, dass die Stadt in diesem Fall von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen könnte, sei allerdings nicht gedacht.

Kommentar zum Thema Sicht der Reichsbürger: Über eine kleine Welt, die große Gefahren birgt

28.01.2016 - 19.13 Uhr

Von Carsten Korfesmeyer

Ihre Sichtweise überhaupt zu verstehen, fordert schon einiges an Fantasie. Reichsbürger leben in den Grenzen und Gesetzen der Kaiser-Zeit. Es ist nur logisch, mit dieser Weltanschauung in der Gegenwart anzuecken. Denn was damals galt, gilt längst nicht mehr. Aus gutem Grund, wie uns die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts gelehrt hat.

Mit Reichsmark statt Euro am Donnerstag in der Zwangsversteigerung mitbieten zu wollen, ist nur auf den ersten Blick etwas zum Schmunzeln. Denn Reichsbürger sind keine Gruppe irgendwelcher harmloser Nostalgiker. Sie meinen es ernst damit, die Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen.


nrw@westfalen-blatt.de

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