Veranstaltung / Nachrichten: "Reiterstaffel aus Dortmund" zum Auftakt des Auschwitz-Prozesses? ,
09.02.2016 :
Tages-Chronologie von Dienstag, 9. Februar 2016
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Veranstaltungskalender:
- Dienstag, 9. Februar 2016 um 19.30 Uhr -
Vortrag von Frederic Clasmeier und Jan Raabe: Die doppelte Vernichtung - die Relativierung und Leugnung des Holocaust
Veranstaltungsort:
Lippisches Landesmuseum
Ameide 4
32756 Detmold
www.lippisches-landesmuseum.de
Der Zivilisationsbruch der nationalsozialistischen Massenmorde, vor allem an jüdischen Menschen, aber auch an Sinti und Roma, an Homosexuellen, an Menschen mit Behinderungen und an politischen Gegnerinnen und Gegnern war es, der dieses diktatorische Regime nach 1945 am deutlichsten diskreditierte. Auschwitz und das Wissen um den Holocaust wurden für die Akteure der extremen Rechten zu einem zentralen Hindernis für das Anknüpfen an den Nationalsozialismus.
Um dieses zu überwinden wurde und wird versucht, die Wahrheit zu unterdrücken und der Holocaust geleugnet. 1979 sprengten Neonazis einen Sendemasten, um die Ausstrahlung des Films "Holocaust" zu verhindern. Bis heute stellen in Deutschland - aber auch international - Neonazis Auschwitz als Propaganda-Lüge dar, und versuchen mit pseudowissenschaftlichen Gutachten oder Berechnungen die historische Faktizität des Holocaust zu widerlegen. Prozesse die mit Auschwitz beziehungsweise dem Holocaust in Verbindung stehen und in der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt werden, versucht dieser Personenkreis, von dem mit Udo Walendy und Ursula Haverbeck-Wetzel zwei bundesweit bekannte Vertreter aus der Region aktiv sind, als Plattform für ihre Propaganda zu missbrauchen.
Der Vortrag wird über die Bedeutung der Leugnung des Holocaust, seine Strategien und sein personellen Netzwerke informieren.
Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Initiative "Gegen das Vergessen" vom 9. Februar bis zum 22. Mai 2016 anlässlich des Auschwitz-Prozesses gegen den Ex-SS-Unterscharführer Reinhold Hanning aus Lage, der am 11. Februar 2016 im Gebäude der Industrie- und Handelskammer im Leonardo-da-Vinci-Weg 2 in Detmold beginnt.
Die weiteren Veranstaltungen der Initiative "Gegen das Vergessen":
11.02.2016: Detmold: Mahnwache zum Prozess gegen den Ex-SS-Unterscharführer Reinhold Hanning
13.02.2016: Lage: "Per La Vita" - Lesung und Konzert mit Esther Bejarano und Microphone Mafia
10.03.2015: Detmold: Michael Sturm: Zur Bedeutung der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen
18.03.2016: Detmold: "Wenn ich vom Lager spreche, spreche ich für die, welche sind gestorben"
10.04.2016: Lage: Führung über den jüdischen Friedhof in Lage mit Margarete Wißmann
24.04.2016: Detmold: "Auf jüdischen Spuren durch Detmold" mit Gudrun Mitschke-Buchholz
20.05.2016: Lage: Vortrag von Dr. Karsten Wilke: Traditionspflege der Waffen-SS in der Bundesrepublik
21.05.2015: Büren: Gruppen-Führung durch die Dauerausstellung "Ideologie und Terror der SS"
22.05.2016: Lage: Film: "Der Staat gegen Fritz Bauer" mit Einführung und anschließender Diskussion
Informationen zum Prozess gegen Reinhold Hanning:
www.facebook.com/Gegen-das-Vergessen-in-OWL-971461409602100/
www.gegendasvergessen.blogsport.de
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www.hiergeblieben.de - Zusammenfassung - Dienstag, 9. Februar 2016
Am 11. Februar 2016 beginnt der Auschwitz-Prozess gegen den Ex-SS-Unterscharführer Reinhold Hanning aus Lage, um 10.00 Uhr, in der Industrie- und Handelskammer im Leonardo-da-Vinci-Weg 2 in Detmold.
Für den 14. Februar 2016 ist im Bürgerhaus Espelkamp das "traditionelle" "Schlesische Schlachtfest" des Ortsverbandes Espelkamp im revanchistischen "Bund der Vertrieben" (BdV), ab 11.30 Uhr, angekündigt.
Zum 9. Februar 2016 erhielt Jens Altvater, zuvor Fraktionsvorsitzender der "AfD" im Rat der Stadt Minden, eigenen Angaben zufolge, die Bescheinigung seines Austritts aus der Partei "Alternative für Deutschland".
Am 2. Februar 2016, vor 21.00 Uhr, wurde die Feuerwehr wegen eines Brandes in einer Fabrik in Barntrup-Alverdissen, dessen Prüfung als Flüchtlingsstätte im Dezember 2015 bekannt gegeben wurde, alarmiert.
Am 8. Februar 2016 wurden beim Karneval in Rietberg gegen zwei 17-jährige junge Männer aus Rietberg Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet.
Für den 12. Februar 2016 hat der extrem rechte Kreisverband Paderborn der "Alternative für Deutschland" (AfD) eine rassistische Demonstration unter dem Motto "Paderborn wacht auf" in Paderborn angekündigt.
Am 15. Januar 2016 fand mit 800 Teilnehmenden eine Demonstration in Paderborn (Losung: "Merkel die Rote Karte zeigen") des extrem rechten Kreisverbandes Paderborn der "Alternative für Deutschland" statt.
www.facebook.com/Gegen-das-Vergessen-in-OWL-971461409602100/
www.gegendasvergessen.blogsport.de
www.bgr-paderborn.de
www.paderbunt.de
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Artikel-Einträge in der Datenbank:
Radio Lippe, 09.02.2016:
Auschwitz-Prozess: Erneuter Wechsel
Lippische Landes-Zeitung, 09.02.2016:
Kommentar / Wir dürfen uns nichts ersparen
Lippische Landes-Zeitung, 09.02.2016:
Anke Grudda übernimmt SS-Prozess
Neue Westfälische, 09.02.2016:
"Der Auschwitz-Prozess kommt zu spät"
Neue Westfälische, 09.02.2016:
SS-Wachmann prozessfähig
Westfalen-Blatt, 09.02.2016:
NS-Prozess wie geplant / Gutachter: 94-Jähriger für täglich zwei Stunden verhandlungsfähig
Neue Westfälische 14 - Lübbecke (Altkreis), 09.02.2016:
Schlesisches Schlachtefest
Lippische Landes-Zeitung Online, 09.02.2016:
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit an ehemaliger Zigarrenfabrik
Polizei Gütersloh, 09.02.2016:
Rosenmontag-Bilanz der Polizei
Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis), 09.02.2016:
Bürgermeister folgt Einladung von Paderbunt / Kundgebungen am Freitag: AfD handelt sich viele Absagen ein, darf aber zum Friedensgebet kommen
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Radio Lippe, 09.02.2016:
Auschwitz-Prozess: Erneuter Wechsel
Kurz vor dem Start des Detmolder Auschwitz-Prozesses hat es erneut einen Wechsel auf dem Platz des Vorsitzenden Richters gegeben. Richterin Anke Grudda wird jetzt das Verfahren ab Donnerstag führen. Grund für den Wechsel ist laut Gericht die Erkrankung des eigentlich vorgesehenen Richters. Schon Mitte Januar hatte der Vorsitz in dem Verfahren gewechselt - ebenfalls wegen eines Krankheitsfalls. Der Gesundheitszustand des 94-jährigen Angeklagten ist unterdessen soweit in Ordnung, dass er wie geplant ab Donnerstag zwei Stunden täglich an der Verhandlung teilnehmen kann. Der ehemalige SS-Mann muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen verantworten. Er gehörte zur Wachmannschaft im Konzentrationslager Auschwitz. Am ersten Verhandlungstag hört das Gericht einen Holocaust-Überlebenden als Zeugen.
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Lippische Landes-Zeitung, 09.02.2016:
Kommentar / Wir dürfen uns nichts ersparen
Silke Buhrmester zum Sinn des späten Prozesses gegen einen 94-jährigen ehemaligen Auschwitz-Wachmann.
Wenn der Prozess gegen den ehemaligen KZ-Aufseher Reinhold H. am Donnerstag beginnt, nimmt auf der Anklagebank ein alter Mann Platz. Ein Greis, 94 Jahre alt, der gerade einmal zwei Stunden am Tag verhandlungsfähig ist. Und es ist davon auszugehen, dass Reinhold H., sollte das Landgericht Detmold ihn nach einem langwierigen Prozess am Ende schuldig sprechen und eine Haftstrafe verhängen, niemals ins Gefängnis gehen wird. Wahrscheinlich ist, dass das Verfahren sich über Jahre hinziehen wird und der Angeklagte den Abschluss selbst vermutlich nicht mehr erlebt - siehe den Fall Demjanjuk.
Doch daraus abzuleiten, dass sich die deutsche Justiz das kostspielige Verfahren - unter anderem mit rund 40 Nebenklägern und deren zwölf Anwälten aus der ganzen Welt - besser "sparen" sollte, ist grundlegend falsch. Wir dürfen uns diesen Prozess nicht sparen, und wir dürfen uns und dem Angeklagten erst recht kein noch so grausames Detail dieses Massenmordes ersparen.
Der Prozess kommt 71 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz um Jahrzehnte zu spät, das ist richtig. Es gibt Gründe, warum das so ist. Sie lassen die deutschen Ermittlungsbehörden im Nachkriegsdeutschland nicht in einem guten Licht erscheinen. Doch das spielt jetzt keine Rolle. Jetzt geht es darum, ein wichtiges Zeichen zu setzen.
Es ist ein Zeichen für die Holocaust-Überlebenden und die Angehörigen der Millionen Opfer. Auch für die Nebenkläger, von denen einige, ebenfalls sehr betagt, in den Zeugenstand treten werden, wird das Verfahren eine Tortur werden. Und dennoch nehmen sie diese auf sich, um ihr ganz persönliches Schicksal aufzuarbeiten und die Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Wer Mitleid mit angeklagten, ehemaligen KZ-Aufsehern auf Grund ihres mittlerweile hohen Alters einfordert, der verkennt, dass diese Menschen anderen so viel Leid zugefügt haben. Es ist gut, dass Mord - auch Beihilfe - nicht verjährt. Und selbst wenn Reinhold H. nur ein kleines Rädchen in dem großen Nazi-Apparat war und nicht selbst gemordet hat: Hätten er und all die anderen kleinen Rädchen nicht funktioniert und ineinander gegriffen, wäre die Mordmaschinerie ins Stocken geraten.
"Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie wiederholt ihre Lehren", sagte Richard von Weizsäcker einmal. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte wichtig. Solange Täter zu ermitteln sind, müssen diese juristisch zur Verantwortung gezogen werden.
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Lippische Landes-Zeitung, 09.02.2016:
Anke Grudda übernimmt SS-Prozess
Detmold (sb). Im Vorfeld des Auschwitz-Verfahrens hat es erneut eine Änderung in der Prozessführung gegeben. Nachdem auch der zweite Vorsitzende Richter der Großen Strafkammer erkrankt ist, werde nun Anke Grudda das Verfahren führen, teilte das Landgericht gestern mit.
Die bisherige Gerichtssprecherin war bereits von Anfang an als Beisitzerin im Prozess gegen den ehemaligen KZ-Aufseher aus Lage vorgesehen. Zur neuen Pressedezernentin war deshalb Gruddas Kollegin Dr. Anneli Neumann ernannt worden. Nicht nur Pressevertreter aus der ganzen Welt sind an dem Verfahren interessiert: "Etwa die Hälfte der Anrufer sind Lehrer, Schüler oder Bürger, die an dem Prozess teilnehmen oder mehr Informationen haben möchten", so die 34-Jährige. Welche 60 Zuschauer einen Platz im großen Sitzungssaal der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold, in den der Prozess wegen des größeren Platzangebotes ausgelagert wurde, erhält, darauf hat Anneli Neumann keinen Einfluss. Der Prozess beginnt am 11. Februar um 10 Uhr, eineinhalb Stunden vorher öffnet das Gebäude. Die Zuschauer werden der Reihe nach eingelassen. Einen Tagesausweis bekommt jedoch nur, wer sich ausweisen kann. Taschen, elektronische Geräte wie Handys oder Tablets und gefährliche Gegenstände - auch Feuerzeuge - sind nicht erlaubt.
Gegen den 94-jährigen Reinhold H. wird wegen des Vorwurfs der 170.000-fachen Beihilfe zum Mord im Konzentrationslager Auschwitz verhandelt. Der Angeklagte ist für zwei Stunden pro Tag verhandlungsfähig. Als erste Zeugen werden Donnerstag und Freitag drei Holocaust-Überlebende gehört.
Kommentar: Seite 10
Bildunterschrift: Führt den Auschwitz-Prozess: Richterin Anke Grudda.
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Neue Westfälische, 09.02.2016:
"Der Auschwitz-Prozess kommt zu spät"
OWL-Interview: Der Bielefelder Historiker Daniel Siemens über den Sinn des Verfahrens gegen einen ehemaligen Lageraufseher und die Gründe für die lange Jahre schleppende Verfolgung von Nazi-Verbrechen
Herr Siemens, am 11. Februar beginnt in Detmold einer der letzten Auschwitz-Prozesse. Ist es notwendig, solche Verfahren 70 Jahre nach der Nazi-Herrschaft noch durchzuführen?
Daniel Siemens: Seitdem im Jahr 1979 die Verjährung bei Morddelikten aufgehoben wurde, ist eine strafrechtliche Verfolgung bei hinreichendem Verdacht in jedem Fall geboten - egal, ob bei politischen Großverbrechen oder "gewöhnlichen" Mordfällen. Andere Fragen, etwa ob der Beschuldigte auch verhandlungsfähig ist, muss die Justiz beurteilen.
Viele Bürger bezweifeln den Sinn solcher Verfahren. Was sagen Sie dazu?
Siemens: Es wird sich nicht argumentieren lassen, dass beim Täter Wiederholungsgefahr besteht oder eine Verurteilung der Abschreckung potenziell anderer Täter dienen wird. Auch kann man nicht davon ausgehen, dass das Verfahren in der Sache noch Neues bringt. Andererseits ist der Völkermord an den europäischen Juden von einer solch ungeheuerlichen Dimension, dass ich verstehe, wenn man ein Verfahren für ein Gebot der Gerechtigkeit hält. Aus meiner Sicht hätten solche Prozesse aber sehr viel früher stattfinden müssen. Was die bundesdeutsche Justiz jahrzehntelang versäumt hat, ist jedenfalls jetzt nicht mehr aufzuholen.
Die Verfolgung der Nazi-Verbrechen ist nicht gleich nach dem Zweiten Weltkrieg mit hinreichender Intensität in Gang gekommen. Warum?
Siemens: Nach 1945 haben zunächst die Alliierten versucht, Straftaten der Nazis zu ahnden. Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess von 1945 / 46 ist dafür nur das bekannteste Beispiel. Die deutsche Öffentlichkeit war allerdings gespalten - nicht wenige sprachen von "Siegerjustiz" und einem angeblichen Kollektivvorwurf gegen das deutsche Volk. Und, was noch wichtiger war, man meinte rasch, dass nun, da Hitler und seine "Verbrecherclique" entweder tot oder abgeurteilt waren, alle anderen zur Tagesordnung übergehen könnten. Dass es auch unterhalb der höchsten Ebene Zehntausende von NS-Verbrechern gab, wurde verdrängt. Die Integration ehemaliger Nazis und der Wiederaufbau waren wichtiger als eine kritische Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit.
Welche Rolle spielte die Politik?
Siemens: Die juristische Aufarbeitung der NS-Zeit war im Kalten Krieg immer auch ein Politikum. Ehe man der jeweils anderen Seite einen Ermittlungserfolg gönnte, ließ man Täter lieber unbehelligt - das galt im Westen wie im Osten. Schließlich: Die allermeisten Juristen waren zumindest in der Bundesrepublik noch dieselben wie zuvor.
Seit wann ist die Strafverfolgung diesbezüglich besser geworden?
Siemens: 1958 wurde die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gegründet. Das war ein entscheidender Schritt. Doch auch in den folgenden Jahren hielt das Tauziehen zwischen denen, die die NS-Zeit kritisch aufarbeiten wollten, und den vielen, die davon nichts wissen wollten, an.
Mit welchem Ausgang?
Siemens: Die zweite Gruppe setzte sich zunächst durch, auch wenn es im Verlauf der 1960er Jahre einige bemerkenswerte Ausnahmen gab. Vor allem die Frankfurter Auschwitz-Prozesse sind hier zu nennen. Dennoch kam es vielfach zu Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen, da die Rechtsprechung davon ausging, dass die allermeisten NS-Täter allenfalls wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen seien. Durch eine skandalöse Gesetzesänderung 1968 war Beihilfe zum Mord, begangen in der NS-Zeit, dann auch noch verjährt. Diese Verjährungsregelung wurde erst 1979 wieder aufgehoben. Nun war der Weg eigentlich frei, Fälle wie den nun anstehenden anzugehen.
So kommt der Detmolder Prozess streng genommen Jahrzehnte zu spät.
Siemens: Ja, die spannende Frage ist, warum ein Prozess wie in dieser Woche in Detmold nicht schon in den Jahren und Jahrzehnten nach 1979 geführt wurde. Denn seitdem verjährt auch die Beihilfe zum Mord nicht mehr.
Der Name Auschwitz steht wie kein anderer als Synonym für den Holocaust. Zu recht?
Siemens: Ich denke schon, denn Auschwitz war das größte und mörderischste der Vernichtungslager, in dem allein mehr als eine Million Menschen getötet wurden. Ähnlich viele Menschen wurden allerdings auch in Treblinka umgebracht. Schätzungen über die Gesamtzahl der Opfer des Völkermords an den europäischen Juden differieren leicht, aber dass mehr als fünf Millionen Menschen ermordet wurden, ist auf jeden Fall sicher.
Aber der Völkermord beschränkte sich nicht allein auf Lager wie Auschwitz?
Siemens: Richtig. In der deutschen Öffentlichkeit hat sich allerdings der Eindruck verfestigt, dass die Nationalsozialisten ausschließlich in einigen wenigen großen Vernichtungslagern mordeten. Es ist aber wichtig daran zu erinnern, dass mehr als ein Drittel der mehr als fünf Millionen Opfer außerhalb solcher Lager ermordet wurde, etwa in unzähligen Massenerschießungen, die in vielen Gegenden Osteuropas durchgeführt wurden.
Welchen Verlauf wünschen Sie dem Detmolder Auschwitz-Prozess?
Siemens: Ich würde mir wünschen, dass er den Blick noch einmal auf die Jahrzehnte zuvor lenkt, als solche Prozesse eben nicht geführt wurden, oder jedenfalls nur selten. Wenn man sich die damaligen Ermittlungsakten in den Archiven ansieht, dann wird aber schnell klar, dass mitunter sehr genau und lange ermittelt wurde - es dann allerdings nicht zur Hauptverhandlung kam. Eine Ausstellung, die etwa unter dem Titel "Eingestellt!" nur über diese Verfahren Auskunft gibt, fände ich gut und wichtig. Das andere mag und wird die Justiz regeln.
Das Interview führte Matthias Bungeroth.
Daniel Siemens
Daniel Siemens (39, Foto) ist Historiker am Arbeitsbereich Geschichte moderner Gesellschaften an der Universität Bielefeld. Aktuell schreibt Siemens an einer neuen Gesamtgeschichte der SA, der nationalsozialistischen "Sturmabteilung".
Bildunterschrift: Beklemmend: Stacheldrahtzäune am ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz.
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Neue Westfälische, 09.02.2016:
SS-Wachmann prozessfähig
Detmold (brm). Der 94-jährige Angeklagte im Detmolder Auschwitz-Prozess, Reinhold H. aus Lage, ist verhandlungsfähig. Das hat eine erneute Untersuchung durch einen Gutachter, den das Landgericht Detmold in der letzten Woche bestellt hatte, ergeben. Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann wird vor dem Detmolder Landgericht am Donnerstag beginnen. Das Verfahren wird durch Richterin Anke Grudda geführt werden.
OWL
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Westfalen-Blatt, 09.02.2016:
NS-Prozess wie geplant / Gutachter: 94-Jähriger für täglich zwei Stunden verhandlungsfähig
Von Bernd Bexte
Detmold (WB). Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann in Auschwitz, Reinhold H., kann am Donnerstag beginnen. Der Mann aus Lage ist für zwei Stunden pro Tag verhandlungsfähig. Auch nach einem erneuten medizinischen Gutachten eines Gütersloher Facharztes für Psychiatrie und Geriatrie sieht das Landgericht Detmold keinen Anlass, die Verhandlungsfähigkeit des 94-Jährigen weiter einzuschränken. Das teilte das Gericht gestern mit. H. muss sich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 im Konzentrationslager Auschwitz vor Gericht verantworten. In seiner Zeit in Auschwitz stieg H. vom SS-Sturmmann zum SS-Unterscharführer auf.
Ein Arzt wird an allen Prozesstagen vor Ort sein. Nach Verlesung der Anklageschrift wird zum Auftakt der Auschwitz-Überlebende Leon Schwarzbaum (Berlin) als Zeuge angehört. Der 94-Jährige ist einer von 40 Nebenklägern. Schwarzbaum war 1943 nach Auschwitz gekommen. Dort hatten die Nazis bereits seine ganze Familie ermordet. Er wurde als Zwangsarbeiter für das Außenlager Bobrek rekrutiert, wo er Werkzeugteile für Siemens produzierte. Am Freitag stehen die Auschwitz-Überlebenden Erna de Vries (Lathen / Emsland) und Justin Sonder (Chemnitz) im Zeugenstand. Wegen einer Erkrankung des Vorsitzenden Richters Rudolf Hartl übernimmt Vertreterin Anke Grudda das Verfahren.
Der Prozess, der vom Landgericht in den Saal der IHK verlegt wurde, findet unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Detmolder "Initiative gegen das Vergessen" ruft für Donnerstag zur Mahnwache vor dem IHK-Gebäude auf. Die Polizei rechnet auch mit dem Erscheinen von Holocaust-Leugnern. Nach Informationen dieser Zeitung ist der Einsatz einer Reiterstaffel aus Dortmund im Gespräch.
Bildunterschrift: Reinhold H. stieg in Auschwitz zum SS-Unterscharführer auf.
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Neue Westfälische 14 - Lübbecke (Altkreis), 09.02.2016:
Schlesisches Schlachtefest
Espelkamp (nw). Aus gegebenen Anlass weist der Bund der Vertriebenen (BdV), Ortsverband Espelkamp, noch einmal auf das traditionelle "Schlesische Schlachtfest" hin. Alle Mitglieder, Freunde und Förderer sind am Sonntag, 14. Februar, im Gesellschaftsraum des Bürgerhauses ab 11.30 Uhr willkommen.
Der Eingang erfolgt über das Restaurant. Es gibt eine Schlesische Schlachtplatte, die aus Eisbein, Kassler, Wellwurst weiß und rot und Hirschbraten besteht. Alle Gerichte gibt es mit Beilagen.
Wegen der Vorbestellung ist eine Anmeldung bis zum heutigen Dienstag erforderlich, und zwar bei Rosemarie Czitrich, Tel. (05743) 1488, oder Irene Sembol, Tel. (05772) 1762.
Außerdem wird auf den ostdeutschen Gottesdienst am Sonntag, 21. Februar, hingewiesen. Er findet - wie in jedem Jahr - in der historischen Dorfkapelle in Südhemmern statt. Beginn ist um 10 Uhr. Anschließend findet ein gemeinsames Kaffeetrinken im Gemeindehaus statt.
Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, sollte sich bei Rosemarie Czitrich melden. Gäste sind dem BdV willkommen.
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Lippische Landes-Zeitung Online, 09.02.2016:
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit an ehemaliger Zigarrenfabrik
09.02.2016 - 15.54 Uhr
Vor etwa einer Woche hatte es in dem Gebäude gebrannt - Polizei schließt fremdenfeindlicher Hintergrund nicht aus
Von Karl-Heinz Krull
Barntrup-Alverdissen. "Für Menschenrechte - gegen Brandstifter" lautet die Botschaft auf einem Transparent, das seit kurzem an der ehemaligen Zigarrenfabrik in Alverdissen hängt.
Wie berichtet, wurde das Feuer in dem leer stehenden Gebäude vor etwa einer Woche wohl gelegt. Obwohl es als Flüchtlingsunterkunft nicht mehr in Frage kam, wird ein fremdenfeindlicher Hintergrund nicht ausgeschlossen. "Dagegen ein Zeichen setzen" wollen Nachbarin Ulrike Rubart und einiger ihrer Freunde.
Für sie ist die Vorstellung unerträglich, dass in ihrer Nachbarschaft aus fremdenfeindlichen Motiven gezündelt wurde, wie sie sagen.
Bildunterschrift: Ein Transparent hängt nach dem Brand in der alten Zigarrenfabrik in Alverdissen.
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Polizei Gütersloh, 09.02.2016:
Rosenmontag-Bilanz der Polizei
09.02.2016 - 11.22 Uhr
Gütersloh (ots) - Kreis Gütersloh (CK). Nach dem Rosenmontag zieht die Polizei eine erste Bilanz für die Hochburgen im Kreis Gütersloh:
Die Bilanz bezieht sich auf den derzeitigen Erkenntnisstand und ist möglicherweise noch nicht abschließend. Gegebenenfalls wird nachberichtet, falls weitere Straftaten bekannt und angezeigt werden.
Rietberg:
Mit einer Zuschauerzahl von etwa 12.000 war der Rosenmontag trotz der Wetterlage und der abgesagten Umzügen nur leicht weniger besucht als in den Jahren zuvor. Die Zelte und die Gaststätten waren sehr gut besucht. Die Polizei wurde zu 32 Einsätze hinzugezogen. Insgesamt wurden fünf Personen in Gewahrsam genommen. Gegen 23 Teilnehmer erteilten die Beamten Platzverweise; Zwei Personen wurden vorläufig festgenommen. Neun Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen, Taschendiebstahls und Sachbeschädigung eingeleitet.
Auch zwei Strafanzeigen wegen Sexualdelikten wurden erstattet: Eine 17-Jährige aus Erwitte hielt sich gegen 17.30 Uhr im Zelt am Rathaus auf. Hier wurde sie von einem 26-jährigen Mann aus Bielefeld unsittlich berührt. Gegen den Beschuldigten wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Weiterhin wurde er von der Polizei in Gewahrsam genommen. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wurde gegen einen 45-jährigen Mann aus Bremen eingeleitet. Ihm wird vorgeworfen, dass er eine 16-Jährige aus Schloß Holte-Stukenbrock gegen ihren Willen küssen wollte.
Gegen zwei 17-jährige junge Männer aus Rietberg wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. Beide wurden im Karnevalstreiben von Polizeibeamten dabei beobachtet, als sie diesbezüglich gestikulierten. Weiterhin wurde beiden ein Platzverweis erteilt, dem sie aber nicht nachkamen. Daraufhin wurden beide Jugendlichen ihren Eltern übergeben. Der Staatsschutz wurde informiert und übernimmt die Ermittlungen.
Gemeinsam mit dem DRK musste allerdings auch festgestellt werden, dass der Alkoholmissbrauch durch Jugendliche wie bereits in den Vorjahren sehr hoch war.
Rheda-Wiedenbrück:
Trotz des Wetters und des abgesagten Umzugs waren etwa 2.000 Karnevalisten in Wiedenbrück unterwegs. Das Reethus, in das die Feierlichkeiten kurzfristig verlegt wurden, und die Gaststätten waren sehr gut besucht. Die Polizei wurde zu elf Einsätzen hinzugezogen. Gegen neun "Jecken" wurden Platzverweise ausgesprochen. Eine Person wurde in Gewahrsam genommen. Es musste nur ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet werden. Ein Polizeibeamter wurde leicht durch Pfefferspray verletzt, nachdem dieses bei einer Schlägerei durch die Beamten eingesetzt werden musste.
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Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis), 09.02.2016:
Bürgermeister folgt Einladung von Paderbunt / Kundgebungen am Freitag: AfD handelt sich viele Absagen ein, darf aber zum Friedensgebet kommen
Von Birger Berbüsse
Paderborn. AfD - das steht jetzt auch für "Absagen für die Demo": Die Partei lud am Wochenende unter anderem Pfarrer Thomas Stolz sowie mehrere Parteien zu ihrer Kundgebung ein. Das stieß allerdings auf wenig Gegenliebe. Eine hochrangige Zusage gab es hingegen für die Gegenveranstaltung von Paderbunt: Bürgermeister Michael Dreier nimmt an der politischen Talkrunde vor dem Rathaus teil.
Dreier war für sein Fernbleiben bei der Kundgebung im Januar von vielen Seiten kritisiert worden. "Klare Worte und ein klares Bekenntnis" des Bürgermeisters erhoffte sich deshalb Stefan Marx vom DGB, der die politische Bühne organisiert. Am Montag gab Pressesprecher Jens Reinhardt dann auf NW-Nachfrage die Zusage: "Der Bürgermeister macht mit."
Teilnehmen wollen auch die SPD und die CDU: Der stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Markus Mertens verknüpft die Zusage aber daran, dass auch die FDP dabei ist. Der DGB wollte sich bei der Veranstaltung eigentlich auf die vier größten Ratsfraktionen konzentrieren. Dass die AfD auch die CDU zu ihrer Kundgebung eingeladen hat, überrascht Mertens nicht: Offensiv um Anhänger anderer Parteien zu werben, sei deren Strategie. Eine Teilnahme werde es aber "natürlich nicht" geben, so Mertens. SPD-Fraktionschef Franz-Josef Henze erfuhr von der NW von der Einladung zur AfD-Kundgebung: "Das kann nur ein Karnevalsscherz sein", sagte er am Rosenmontag. Bei der politischen Bühne vor dem Rathaus werde die SPD vom stellvertretenden Bürgermeister Martin Pantke vertreten.
Die Jüdische Kultusgemeinde, die von der AfD erneut ausdrücklich erwähnt wurde, hatte die Einladung bereits Ende Januar in dieser Zeitung als "Witz" bezeichnet.
Wenig begeistert reagierte auch Pfarrer Thomas Stolz auf das Angebot der AfD, auf ihrer Kundgebung ein Gebet zu sprechen: "Ich werde mich nicht vereinnahmen lassen", sagte er. Zum Friedensgebet der Religionen am Marienplatz dürfe aber auch die AfD kommen: "Jeder, der für den Frieden betet, ist willkommen", so Stolz. Dort dürfe aber nicht demonstriert werden.
Auch Markus Mertens hat nichts gegen die Teilnahme der Partei: "Dann können wir gemeinsam für den Teil der Verwirrten in der AfD beten", so der CDU-Fraktionschef.
Günther Koch, Kreisvorsitzender der AfD, kündigte unterdessen eine Änderung in der Rednerliste an: Statt Udo Hemmelgarn wird jetzt Sonja Schaak, Pressesprecherin des Detmolder Bezirksverbandes, teilnehmen.
Koch hat für Freitag 1.500 Teilnehmer angemeldet.
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