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Mindener Tageblatt , 04.02.2005 :

Wegen seines Gewissens ermordet / Vortrag über Kriegsdienstverweigerung und Opfer der NS-Justiz / Warten auf Straßenbenennung

Minden (mt). Mit einem Vortrag über Kriegsdienstverweigerung im Nationalsozialismus wurde am Samstag die Benennung einer Straße nach einem im Dritten Reich ermordeten Zeugen Jehovas umrahmt. 85 Zuhörer waren dazu ins Preußen-Museum gekommen.

"Es ist mir unmöglich, auf einen Menschen zu schießen - Kriegsdienstverweigerung im Nationalsozialismus", lautete das Thema des Vortrags von Dr. Hans Hesse. Die Veranstaltung, die vom Unterstützerkreis Heinrich-Kurlbaum-Straße, dem Versöhnungsbund und den Zeugen Jehovas organisiert wurde, schloss die jahrelangen Bemühungen zur Benennung eines Weges nach Heinrich Kurlbaum ab. Unter den Anwesenden waren auch die Schwester des von der NS-Justiz ermordeten Kriegsdienstverweigerers sowie zahlreiche seiner Enkelkinder vertreten. Aufgrund der kalten Witterung hat sich die Aufstellung des Straßenschildes für den Heinrich-Kurlbaum-Weg bislang verzögert.

In seinen Ausführungen skizzierte Hesse die Geschichte der allgemeinen Wehrpflicht, die im Jahre 1935 von Adolf Hitler eingeführt wurde. Die einleitende Frage des Historikers lautete: "Ist Kriegsdienstverweigerung mit Widerstand gleichzusetzen?".

Eine Verweigerung aus Gewissensgründen sei lange Zeit nicht vorgesehen gewesen. Vor dem Zweiten Weltkrieg hätten Kriegsdienstverweigerer mit Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren rechnen müssen, die Anklage habe auf "Fahnenflucht und Gehorsamsverweigerung" gelautet. Mit Beginn des Krieges sei die Anklage in "Zersetzung der Wehrkraft" umgewandelt worden, was die Todesstrafe nach sich gezogen habe. Dabei habe die Justiz den Täterkreis auch auf Zivilpersonen ausgedehnt, die ebenfalls mit der Hinrichtung rechnen mussten, wenn sie zum Beispiel einen Kriegsdienstverweigerer versteckten oder versorgten.

Hier wies Hesse unter anderem auch auf das Schicksal von Emmy Zehden aus Lübbecke hin, die deshalb in Berlin hingerichtet wurde. Er berichtete, dass über 300 Zeugen Jehovas wegen Verweigerung des Kriegsdienstes hingerichtet wurden. Einer von diesen war Heinrich Kurlbaum.

"Die Väter des Grundgesetzes erinnerten sich an seines und die vielen anderen Schicksale, als sie den Artikel 4 des Grundgesetzes einsetzten, der besagt, dass niemand gegen sein Gewissen zum Dienst mit der Waffe gezwungen werden darf." Interessanterweise gelten erst seit dem Jahre 2002 die Kriegsdienstverweigerungsfälle mit Todesfolge als NS-Verfolgungsfall.

Hesse: Weil Kriegsdienstverweigerer bislang nicht als Verfolgte im Dritten Reich gegolten hätten, stünde die historische Aufarbeitung erst am Anfang. Der Historiker schloss seine Ausführungen mit den Worten: "Der Artikel 4 des Grundgesetzes ist das größte Denkmal für all die Kriegsdienstverweigerer, die ihr Leben dafür ließen."

Am Ende der Veranstaltung wurde dem Preußen-Museum das selbst gebasteltete Schild "Kurlbaumstraße", das bei einer Aktion des Unterstützerkreises im Juli 2002 (das MT berichtete) zum Einsatz kam, übergeben. Es gibt seitens des Museums die Absicht, im Rahmen einer Sonderausstellung zur Geschichte des Simeonsplatzes auch das Schicksal von Heinrich Kurlbaum darzustellen. Das Schild ist ein erstes Exponat.


mt@mt-online.de

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