WebWecker Bielefeld ,
02.02.2005 :
"All those blond boys in black leather"
"Und soviel noch über Hitler: Wäre er bloß ein guter Architekt gewesen! ... Ich würde auch für den Teufel persönlich bauen", sagte der in der vergangenen Woche verstorbene us-amerikanische Stararchitekt Philip Johnson in einem Interview. Johnson hat sich auch in Bielefeld verewigt: Er ist der Architekt der Bielefelder Kunsthalle.
Von Manfred Horn
Der Architekt Philip Johnson ist in der vergangenen Woche im Alter von 98 Jahren in seinem 'Glass House' gestorben. Er wurde weltweit berühmt durch seine Bauten und seine Vorliebe für Glas und Stahl.
Johnson errichtete unter anderem den Skulpturengarten des Museum of Modern Art in New York oder die 55 Stockwerke hohe Zentrale der Telefongesellschaft AT & T. Johnson galt schon als postmodern, als es den Begriff noch gar nicht gab. Er mischte seine kühnen Konstruktionen gerne mit spielerischen Ausschmückungen.
Auch in Deutschland war Johnson aktiv: So schuf er in den 1990ern einen Bürobau in Berlin an der Friedrichsraße. Und er war der Architekt der Bielefelder Kunsthalle. Die Kunsthalle wurde ab Mitte der 1960er Jahre erbaut, 1968 eingeweiht. Ein großer Teil des Geldes wurde von der Familie Oetker gestiftet, unter einer Bedingung: Die Kunsthalle solle "Richard Kaselowsky-Haus" heißen. Jahrelang protestierten viele Bielefelder gegen den Namen, erst 1998 wurde er mit einer rot-grünen Ratsmehrheit gestrichen. 2001 allerdings wurde die Hochstraße mit einer CDU, SPD und BfB-Mehrheit in Kaselowskystraße umbenannt, so dass der Name sichtbar mit der Stadt verbunden bleibt. Die PDS protestiert bis heute gegen diese Namensgebung.
Richard Kaselowsky war der Stiefvater von Rudolf-August-Oetker, dem Inhaber der Oetker-Werke. Während des Nationalsozialismus führte Kaselowsky das Unternehmen. Unter seiner Leitung erhielt die Firma als eine der ersten im Deutschen Reich 1937 den Titel "Nationalsozialistischer Musterbetrieb". Kaselowsky selbst war seit 1939 Mitglied im elitären "Freundeskreis der SS Heinrich Himmler". Zu diesem Freundeskreis gehörten führende Größen des Nazi-Establishments. Für 1943 und 1944 sind Spenden Kaselowskys an den Freundeskreis in Höhe von jeweils 40.000 Reichsmark belegt.
Johnson war glühender Natinonalsozialist
Die bedenkliche Namensgebung kam beim Bau der Kunsthalle mit der Beauftragung eines Architekten zusammen, der jahrelang offener und bekannter Sympathisant des Nationalsozialsmus war. Johnson gründete in den USA eine rechtsextreme Partei, später distanzierte er sich davon. Er war angezogen von "all those blond boys in black leather", fabulierte von der Fazination brennender Städte wie Warschau. Er, der 1930 in das 'Museum of Modern Arts' einstieg und schnell großen Erfolg erlangte mit seinem 'International Style', macht in der Folge eine merkwürdige Wendung mit.
Er begeistert sich öffentlich für den Nationalsozialismus und reist wiederholt ins Deutsche Reich. Bei der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 war er mit dabei, nicht zum ersten Mal im Deutschen Reich, um sich mit faschistischem Gedankengut und Spektakel vollzusaugen. Das nationalsozialistische Schauspiel habe ihn "gefesselt" und das Charisma Hitlers "aufgewühlt", schreibt Franz Schulze in seiner 1996 erschienenen Biographie über Philip Johnson.
Ende 1933 veröffentlicht Johnson einen Artikel über 'Die Architektur im Dritten Reich', in dem er den Bauhausstil als "unheilbar gezeichnet durch Kommunismus" bezeichnet, er werde zurecht bekämpft. 1934 tritt er aus dem Museum of Modern Arts aus und gründet mit einigen Bekannten die 'National Party'. Die folgenden Jahre verbringt er im Sumpf reaktionärer, populistischer und rassistischer Gruppierungen. Er tritt gegen Abtreibung und für Wachstum der weißen Bevölkerung auf, obwohl er schwul ist. Er setzt sich für die Erhöhung von Milchpreisen und Renten ein. Er will selbst Führer der USA werden.
Dazu schließt er sich zunächst charismatischen Senatoren wie Huey Long oder Radiopredigern wie Charles E. Coughlin an. Für den baut er eine gewaltige Plattform. Von dieser hält Coughlin Reden, 80.000 bis 100.000 Menschen strömen alleine in den Riverview Park in Chicago. Die Plattform entwarf Johnson nach dem Vorbild von Tribünen bei nationalsozialistischen Massenkundgebungen im Deutschen Reich.
1937 gründet Johnson eine eigene Gruppe mit dem Namen 'Youth and the nation', die wenig erfolgreich war. In den Folgejahren reiste Johnson immer wieder ins Deutsche Reich. 1938 nimmt er an einem 'Lehrgang für Ausländer' des Reichsprogagandaministeriums teil und hat einen Tribünenplatz beim Reichsparteitag in Nürnberg.
1939 fährt er vom Deutschen Reich aus ins noch nicht überfallene Polen. Er kommt ins Städtchen Markow und gerät aus Versehen ins Judenviertel. "Anfangs glaubte ich nicht zu wissen, wer das war außer die Leute so beunruhgiend wirkten, so völlig fremd. Das war eine andere Sorte Menschen, sie huschten hin und her wie die Heuschrecken. Schon bald merkte ich jedoch, daß sie Juden waren mit ihren langen schwarzen Mänteln, alle trugen schwarz und hatten Käppchen auf.", schrieb er später.
Bombadierung Warschaus als "erregendes Schauspiel"
Ende 1939, Polen war inzwischen von der Wehrmacht überfallen worden, fährt er nochmals dort hin, akkreditiert als Kriegskorrespondent für die rechtsradikale US-Zeitung 'Social Justice'. Seine Reiseerlebnisse schildert er in einem Bericht für die Zeitung: "Auf der polnischen Seite geschah es einmal, daß ich zunächst glaubte, in eine Gegend geraten zu sein, in der eine gräßliche Seuche ausgebrochen war. Die Äcker bestanden aus nichts weiter als Steinen, Bäume gab es nicht, und anstelle von Straßen nur Feldwege. In den Städten gab es kein Geschäft, kein Auto, keinen Bürgersteig und wieder keinen Baum. Auf der Straße waren nicht einmal Polen zu sehen, sondern nur Juden." Er schreibt auch an die als Journalistin getarnte NS-Agentin Viola Bodenschatz: "Wir sahen Warschau in Flammen und die Bombardierung von Modlin. Es war ein erregendes Schauspiel."
Es folgen einige Vorträge und Veröffentlichungen in den USA: 1938 verfasst er einen Artikel mit dem Titel 'Sind wir ein sterbendes Volk?', indem er die nationalsozialistische Ideologie auf die USA zu übertragen versucht. Er beklagt den Rückgang der Fruchtbarkeit, spricht vom Selbstmord der weißen Rasse und findet die Schuld in der in "eugenischer Hinsicht fehlerhaften" amerkanischen Philosophie des Individualismus und Materialismus.
Johnson beendet seine Versuche einer politischen Karriere 1940. Er kehrt zurück zur Architektur, wo er sein Ziel des 'hoch und weit' besser verwirklichen konnte als in der Politik. Kritiker sehen in ihm in der Folge einen "rich men`s architekt" der soziale Umwelt ausklammere.
Kritiker waren sich aber nicht so sicher, ob Johnson im Inneren auch mit seinen alten nationalsozialistischen Vorstellungen brach. Und das, bwohl er 1956 eine jüdische Synagoge und in der Folge ein Atomkraftwerk für Israel entwarf.
1962 fährt Rudolf August Oetker zusammen mit dem Architekten Cäsar Pinnau zu Johnson. Johnson erhält den Auftrag für den Entwurf der Kunsthalle, der ausführende Architekt vor Ort wird Pinnau. Peter Bode beschrieb 1968 in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung zur Eröffnung der Kunsthalle den "monumentalisierten, burgherrlichen und sogar Elemente aus faschistischer Zeit beschwörenden Baustil" des Hauses. Ihn erinnerte die Kunsthalle an ein Mausoleum.
Hinzu kam, dass der ausführende Architekt vor Ort, also in Bielefeld, Cäsar Pinnau, ein überzeugter Nationalsozialist war. Er stammte aus dem Architekenstab Albert Speers, dem führenden NS-Architekten. So war Pinnau unter anderem mit dem Ausbau der Reichskanzlei beauftragt. Nach 1945 baute er bevorzugt im Stile der Reichskanzlei in Hamburg Villen und wurde einer der Hausarchitekten Oetkers, er realisierte neben der Kunsthalle auch das OetkerStift.
Später kommen Johnson und Oetker noch einmal zusammen: 1971 gehen sie gemeinsam zum Johannisfriedhof. Johnson hatte einen Entwurf für ein Oetker-Familienmausoleum mitgebracht, der Haustischler Oetkers einen kleinen Holzentwurf gefertigt. In einem säulengetragenen Gebäude mit ausreichenden Sitzgelegenheiten für die Angehörigen und Freunde wollte Oetker sich und seine Familie begraben wissen. Letzlich ist dieses Projekt aber nie realisiert worden.
Die lesenswerte Biographie von Franz Schulze ist noch im Buchhandel erhältlich: 'Johnson, Philip. Leben und Werk'. Wien 1996.
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