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Bielefelder Bündnis gegen Antisemitismus und Georg-Weerth-Gesellschaft e.V., Detmold , 28.01.2005 :

Wie Bielefelder Pazifisten den Frieden bekämpfen

Antiisraelische Vorurteile als Konsens

Der Konflikt zwischen Arabern und Israelis erfährt weltweit eine Beachtung, die immens ist gemessen mit der, die z.B. afrikanischen Bürgerkriegen mit weitaus mehr Opfern zuteil wird. Diskussionen um diesen Konflikt sind von emotionaler Rufladung und heftiger Polarisierung geprägt. Da liegt es nahe, dass seine Rezeption von Vorurteilen, Ressentiments, Projektionen, Wunschdenken und falschen Vereinfachungen mitbestimmt wird. Ein zweiseitiger Text kann nicht alle Probleme erörtern und jeden Fehler richtig stellen; deshalb sind die folgenden Zeilen nur als Versuch zu verstehen, auf die verbreitetsten und gefährlichsten Irrtümer hinzuweisen - und so zu zeigen, dass es sich bei vielem, was als selbstverständlicher Konsens gilt, um Vorurteile handelt, die es zu hinterfragen gilt.

So wird oft die israelische Besatzung im Westjordanland und Gazastreifen als Ursache der heutigen Probleme, insbesondere für den palästinensischen "Widerstand" und die Israelfeindschaft der meisten arabischen Staaten genannt. Doch seit 1948 waren diese Gebiete von Jordanien bzw. Ägypten besetzt; erst 1967, als sich Israel gegen die Vernichtungsdrohungen seiner Nachbarstaaten im Sechs-Tage-Krieg behaupten musste, gelangten sie in israelische Gewalt. Die Besetzung dieser Gebiete ist also eine Folge arabischer Aggression (ebenso wie schon 1948 die Flucht von damals etwa 700.000 Palästinensern, deren Millionen Nachkommen heute ein Rückkehrrecht verlangen) - die Rückgabe dieser Gebiete scheiterte erst lange an der arabischen Verweigerung von Friedensverhandlungen; später dann erhoben Ägypten und Jordanien gar keinen Anspruch mehr auf sie.

Aber nicht nur die Angriffskriege arabischer Staaten, auch der palästinensische Terrorismus begann vor der Besetzung: In den späten 50er Jahren baute Arafat die Fatah auf, 1964 wurde die PLO gegründet - zur "Befreiung" Israels (von den Juden), nicht der heute so genannten Palästinensergebiete. Seit 1994 zog sich Israel dann im Rahmen des Osloer Friedensprozesses sogar schrittweise aus den besetzten Gebieten zurück und überließ sie einer palästinensischen Autonomieverwaltung unter Arafat. Bei Beginn der zweiten Intifada (September 2000) lebten fast alle Palästinenser unter weitgehender Autonomie, ohne Besatzung.

Ähnlich wird auch im historischen Rückblick eine zionistische Verantwortung für den Konflikt zu Unrecht unterstellt. Der Beginn der jüdischen Einwanderung vor gut 100 Jahren begründete keinen Interessenskonflikt zweier "Völker" um ein Land. Ganz im Gegenteil profitierten auch die Araber davon, die sich erst infolgedessen zahlreich in Palästina ansiedelten. Erst zwischen 1936 und 1939 konnte sich unter ihnen die antizionistische Fraktion mit massiver ideologischer und materieller Hilfe aus Nazi-Deutschland gewaltsam durchsetzen.

Es waren also die Nazis, die dem palästinensischen Antisemitismus zum gewaltsamen Durchbruch verhalfen und so dem Nahostkonflikt Geburtshilfe leisteten - Jahre vor der Shoa und der Gründung Israels. Noch heute beziehen sich viele arabische Israelfeinde zustimmend auf das Dritte Reich (Die Protokolle der Weisen von Zinn sind übrigens eins der meistgelesenen und -zitierten Bücher in der arabischen Welt) und verstehen ihren aktuellen Kampf ganz folgerichtig als Fortsetzung der deutschen Judenvernichtung.

Einem weiteren Vorurteil zufolge ist militärische Verteidigung gegen palästinensischen Terrorismus zwecklos, vielmehr fache sie ihn nur weiter an. Es beruht auf den falschen Prämissen, der Terror entstehe aus Verzweiflung und Unterdrückung und werde daher von israelischer Politik und Besatzung mitverantwortet. Die letzten Jahre haben das Gegenteil bewiesen: Ob es einem gefällt oder nicht, es war die konsequente Antiterrorpolitik einer rechten israelischen Regierung, die die früher fast täglichen suizidalen Massenmorde in israelischen Fußgängerzonen militärisch, geheimdienstlich und durch den Zaun nahezu gestoppt hat. Durch Entgegenkommen konnte Israel den Vernichtungswillen seiner Feinde nie mildern, eher hat es ihn dadurch noch ermutigt (wie 2000 Baraks Rückzug aus dem Südlibanon). Auch dies zeigt, dass die Feindschaft nicht durch Israels Handeln begründet ist, sondern wahnhaft antisemitisch.

Die Vorstellung von der israelischen Verantwortung für den palästinensischen Terrorismus korrespondiert mit dem antisemitischen Ressentiment, Juden selbst würden durch ihr Verhalten Antisemitismus provozieren. So ist manches der genannten antiisraelischen Vorurteile die Folge teils unbewusster antisemitischer Denkmuster - umgekehrt können die Irrtümer aber auch aus bloßer Fehlinformation entstehen und dann selbst antisemitische Einstellungen befördern. Hier liegt die Gefahr - wenn nicht sogar die Intention - einer Veranstaltung, auf der israelische Politik als verbrecherisch dargestellt wird und als ursächlich für die arabische Israelfeindschaft, den dieser zugrunde liegenden Antisemitismus leugnend oder rationalisierend.

Weder für den Frieden noch für die Palästinenser

Wenn das Bielefelder Friedensnetzwerk und die Herforder Friedensgruppe eine Veranstaltung über Die andere Road-Map zum Frieden organisieren, dann steht eines schon vorher fest: dem Frieden wird das nicht dienen.

Bis heute agitiert das Friedensnetzwerk massiv gegen den Sicherheitszaun im Westjordanland - gegen eine ebenso effektive wie defensive Maßnahme Israels, die nach vier Jahren Terrorkrieg wesentlich zu den neuen Hoffnungen auf Frieden beigetragen hat. Der Zaun trennt im Westjordanland die mehrheitlich israelisch von den mehrheitlich arabisch besiedelten Gebiete. Gerade diesen Verlauf nehmen seine Kritiker zum Vorwand, ihn zu delegitimieren - und verwenden dabei dasselbe Argument, mit dem die PLO ein Friedensabkommen bislang verhindert: Es gebe einen arabischen Rechtsanspruch insbesondere auf das Westjordanland, weshalb von diesem weder durch den Zaun noch durch einen Friedenskompromiss irgendein Teil an Israel "abgegeben" werden dürfe.

Genauso wenig wie dem Frieden dienen die Pazifisten und "Palästinenserfreunde" vom Friedensnetzwerk der palästinensischen Bevölkerung. Denn die wird vor allem von ihrer eigenen Führung unterdrückt und von den Terrorgruppen instrumentalisiert; so beschießen Fatah- und Hamas-Kämpfer israelische Stellungen aus Menschenmengen heraus, um die weltweite antiisraelische Propaganda mit Bildern toter palästinensischer Zivilisten zu versorgen.

Die deutschen "Palästinenserfreunde" unterstützen dies, indem sie genau diese Propaganda betreiben und für die antisemitischen Positionen der PLO etc. Partei ergreifen. Sie machen Israel für Gewalt und Leid verantwortlich, sodass die Akteure und Profiteure des Terrorismus ihr schmutziges Spiel auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung fortführen können. Diese deutsche und weltweite "propalästinensische" Intervention bestärkt den antisemitischen Grundkonsens in der palästinensischen Bevölkerung, die so daran gehindert wird, den Krieg gegen Israel endlich aufzugeben. Dabei bräuchte sie den Frieden am dringendsten.

Wem es um das Wohl der Palästinenser geht statt um die Befriedigung der eigenen Israelfeindschaft, der sollte den Antisemitismus jener kritisieren, statt ihn durch (selten zutreffende) Lamentis über israelische Vergehen zu bestätigen.

Israelkritik und Antisemitismus

Aber man wird doch wohl noch Israel kritisieren dürfen! Selbstverständlich, betonen Repräsentanten jüdischer Organisationen und Israels stets. Doch sollte man diese Kritik auch mit der Wahrheit konfrontieren dürfen. Denn um sachliche, gar sachdienliche Meinungsäußerung geht es selten, wenn lautstark das Recht auf Israelkritik beansprucht wird.

Erstens bietet Israel denkbar wenig Anlass zu ehrlicher Kritik: Kein anderer Staat wird so heftig, ausdauernd und hasserfüllt bekämpft wie der jüdische; und kein anderer versucht bei seiner Selbstverteidigung so hohen moralischen Maßstäben gerecht zu werden, geht so hohe Risiken ein, um beim Kampf gegen bewaffnete Feinde Unbewaffnete nicht mehr als unvermeidlich zu gefährden. Würde Israel aus den Intentionen und mit den Methoden handeln, die ihm seine Kritiker unterstellen, so bräuchte es wohl ungefähr einen Tag, um all seine Probleme mit den Palästinensern zu lösen. Doch in Israel herrscht gerade nicht der Vernichtungswille, mit dem es konfrontiert wird.

Zweitens handelt es sich bei der üblichen Israelkritik nicht um Kritik, sondern um Verurteilung; genauer: um Diffamierung, Dämonisierung, Delegitimierung und die Anwendung von Doppelmoral.

Denn, drittens: Wem es um ehrliche Kritik geht an staatlicher Gewalt, rassistischer Politik sowie sexueller und religiöser Diskriminierung (über das "normale" demokratische Maß hinaus), der findet an arabischen Regimen - inklusive der Palästinenserführung - allen Grund dafür. Warum also die Realitäten verdrehen, nur um Israel zu beschuldigen?

Viertens: Das Motiv dafür mag Antisemitismus sein oder bloß Dummheit - typisch antisemitisch aber ist Israelkritik, wenn sie sich über die von ihr provozierten oder meist nur unterstellten Antisemitismusvorwürfe echauffiert. Ganz wie der deutsche Revisionist - der die Kollektivschuldthese bzgl. des Holocaust selbst erfindet, nur um sich wieder als Opfer jüdischer Unterdrückung gerieren und dagegen verteidigen zu können - findet solch ein Israelkritiker seine Berufung darin, sich der von ihm halluzinierten (pro)zionistischen Meinungshoheit zu erwehren.

Mein Freund ist Jude oder: der israelische Kronzeuge

Alte Nazis haben später gerne erklärt, sie könnten gar keine Antisemiten sein, weil sie ja sogar jüdische Freunde (gehabt) hätten. Dieses Argument ist so durchsichtig, dass allein sein Gebrauch schon den Antisemiten entlarvt. Um so bezeichnender ist, dass es heute wieder in einer ebenso plumpen Weise verwendet wird: durch den Verweis auf Israelis, von denen man sich seine "Israelkritik" bestätigen lässt.

Bei diesen Kronzeugen handelt es sich meist um Linke, die in Israel mit ihrer Auffassung des Konflikts eine marginale Minderheitenposition vertreten. Sie agieren aus einem prinzipiell richtigen Motiv, nämlich dem linken Imperativ, den Hauptfeind im eigenen Land zu suchen. Dieser subjektiv sympathische Ansatz führt aber zu schwerwiegenden objektiven Irrtümern, wenn der arabische Antisemitismus als Ursache des Konflikts geleugnet oder durch israelische Politik gerechtfertigt wird.

In Deutschland hingegen kann diese Leugnung des Antisemitismus nur selbst antisemitisch sein. Wer sich hier auf sie beruft, tut das schließlich aus einer Motivation, die der des israelischen Kronzeugen gerade entgegengesetzt ist: Er sucht seinen Feind in einem anderen Land. Und findet damit den Anschluss im eigenen: Mit der Berufung auf eine israelische Minderheitenposition schließt sich der deutsche Israelkritiker dem deutschen Konsens an.

Das Bielefelder Friedensnetzwerk

... ist die Gruppe, die sich in dieser Stadt mit Propaganda gegen Israel stets am lautesten und radikalsten hervorgetan hat. So organisierte es eine Demonstration am 09.04.2002 mit rund 300 Teilnehmern, von denen die meisten im Chor "Judenschweine!" skandierten, als sie an rund 15 Gegendemonstranten vorbeimarschierten. Ebenfalls in der Ravensberger Spinnerei hatte es bereits Viktoria Waltz ein Podium geboten, auf dem sie ihren fanatischen Israelhass kundtun konnte - Gästen, die ihr in der anschließenden Diskussion widersprachen, unterstellte sie (ohne jede Spur von Ironie), vom Mossad bezahlt zu sein.

Für die heutige Veranstaltung hat das Friedensnetzwerk u.a. Julia Deeg eingeladen, die 2002 meinte, Arafat während seines Hausarrestes als menschlicher Schutzschild dienen zu müssen (der dort wiederum zahlreichen von Israel gesuchten Terroristen Unterschlupf gewährt hatte). In einem Interview mit der jungen Welt rechtfertigte sie ihr Schweigen zu Arafats Fehlern durch Beschimpfungen Israels: "Bei aller Kritik, die ich an Arafat habe, traue ich mich kaum noch, sie auszusprechen, weil sie von der aktuellen israelischen Regierung als Vorwand genommen wird, Menschen umzubringen. Diese Kritik kann der palästinensischen Bevölkerung auch kaum vermittelt werden, solange die Menschen tagtäglich Angst haben müssen und solange sie erniedrigt und unterdrückt werden." Dem Freitag hatte sie auch verraten, ihre Kritik an Arafat bestehe darin, "dass er zu viel an Israel weggegeben hat, zu viele Zugeständnisse gemacht hat, die den Palästinensern keine echte Grundlage für einen eigenen Staat mehr ließen". Sie führte auch selbst ein Interview für die junge Welt, und zwar mit dem Generalsekretär der PFLP. An dessen kompromissloser Propaganda für seinen Terrorismus äußerte sie denn auch keinerlei Kritik.

Als Friedenshoffnungen präsentieren die Veranstalter also eine Deutsche, der Arafat zu nachgiebig war, des weiteren einen Palästinenser, der sich dem "gewaltfreien Widerstand" angeschlossen hat - der das Problem, gegen das Widerstand zu leisten sei, also auch mehr in Israel als der eigenen Gesellschaft sieht -, eine syrische Journalistin und einen israelischen Anarchisten, der - im Gegensatz zu seinem palästinensischen Mitreferenten - seine Kritik an die eigene Gesellschaft richtet statt an einen äußeren Gegner.

Ausgleich und Verständigung zwischen Repräsentanten beider Konfliktparteien sind daher heute nicht zu erwarten, ebenso wenig der angekündigte dritte Weg jenseits alter Feindbilder. Denn bei dieser Konstellation steht der Konsens über Unrecht und Verantwortung Israels schon im voraus fest. Damit wird bestärkt, was in Deutschland den Antisemitismus nährt und im Nahen Osten dem Frieden am meisten im Weg steht. Unter dem Vorwand des Pazifismus wird gegen Israel agitiert und die ideologische Grundlage für Krieg und Terror reproduziert. Wer für den Kampf gegen Antisemitismus und für den Frieden einen "Hauptfeind im eigenen Land" sucht, trifft mit dem Bielefelder Friedensnetzwerk eine gute Wahl.


gwg@georg-weerth.info

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