Lippe aktuell ,
29.01.2005 :
Mit neuer Ausstellung regt der Kunstverein zum Gedenken an / Mit Collagen bittet Renate Ortner "Zu Gast"
Oerlinghausen (kd). In dieser Woche jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 60. Mal. Mit seiner neuen Ausstellung will der Kunstverein Oerlinghausen an dieses Datum erinnern, wie der Vorsitzende Peter Pantlen bei der gut besuchten Eröffnung sagte. Mit ihren Collagen "Zu Gast" regt die Paderbornerin Renate Ortner zum Gedenken an; seit Sonntag werden die Werke in der ehemaligen Synagoge gezeigt.
Hedwig Löventhal wurde 1882 in Berlin geboren. Mit 36 Jahren zog die evangelische Christin nach Lipperreihe. Am 13. Dezember 1941 wurde sie nach Riga deportiert und ist dort ungekommen. Auch Hilda Gretencord, geboren 1908, war evangelischen Glaubens. Das Wäschefabrikationsgeschäft der Eheleute Gretencord in Oerlinghausen wurde 1933 aus rassischen Gründen geschlossen. Weil sie als "Halbjüdin" galt, wurde Hilda Gretencord 1944 verhaftet, entging jedoch der Deportation. Die Eheleute Heinrich und Irma Herz sowie ihr Sohn Manfred Herz, wohnhaft in der Adolf-Hitler-Straße 78 in Oerlinghausen, wurden 1941 deportiert und sind in Minsk umgekommen. Wegen ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Abstammung wurden in Oerlinghausen mindestens 26 Deutsche während der NS-Zeit diskriminiert und verfolgt. Sechs von ihnen wurden ermordet.
Die kleine Synagoge mitten in der Altstadt befördert allein durch ihre Existenz die Erinnerung an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die einst einen festen Bestandteil Oerlinghausens bildeten. Das restaurierte Gebäude wird seit mehr als 25 Jahren vom Kunstverein genutzt. Zahlreiche der mehr als 100 Ausstellungen nahmen Bezug auf die Geschichte des Hauses und mahnten eine geschichtliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit an.
Renate Ortner hat sich ebenfalls von der besonderen Atmosphäre des Ortes inspirieren lassen. "Die 26 kleinen Bildcollagen repräsentieren die für uns Verschwundenen", so Alexander Gruber M.A. in seiner Einführung. Es handele sich allerdings nicht um Portraits, vielmehr um "flächige, farbige Gedenkstelen". Sowohl die auf die Umgebung abgestimmte Farbwahl sowie die Platzierung im Raum sollen zum Nachdenken anregen. "Renate Ortner macht uns klar: Wir sind bei diesen 26 Personen zu Gast", sagte Gruber. Die Bilder erforderten das genaue Hinsehen, das Betrachten und Befragen. Die Antworten auf die Überlegungen müsse jeder selbst finden. "Renate Ortner attackiert den Betrachter aber nicht, drückt ihn nicht nieder", sagte Gruber. Vielmehr vermittelten die Bilder eine vorsichtiges Gleichgewicht zwischen Trauer und Hoffnung, Zweifel und Freude. Insofern mache sie die Betrachter zu "reich beschenkten Gästen".
Für den Vorsitzenden des Kunstvereins, Peter Pantlen, ist es der Künstlerin gelungen "in noch nie gekanntem Maße Kontakt zu den jüdischen Mitbürgern aufzubauen". Er empfahl allen Besuchern den Kauf der Broschüre zur Geschichte der Synagoge "als Schlüssel zum besseren Verständnis". Die Ausstellung endet am 13. März.
la.redaktion@lippe-aktuell.de
|