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Lippische Landes-Zeitung , 28.01.2005 :

Seelische Narben nicht verheilt / Gedenken an Zwangsarbeiter

Lügde (co). Sie hießen Stanislav C. oder Bojena B. und schufteten in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs: Zwangsarbeiter aus Polen, Russland und Litauen. Einige von ihnen holten Schüler in einer Gedenkstunde anlässlich der Befreiung von Auschwitz vor 60 Jahren aus der Anonymität. Dazu hatte die SPD in Lügde eingeladen.

"Es gab kein Weihnachten, kein Ostern; wir haben immer gearbeitet", täglich 12 bis 14 Stunden, auch sonntags. "Aber das Schlimmste waren das Heimweh und der Hunger" - zwei Auszüge aus Briefen, die ehemalige Zwangsarbeiter dem Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom schickten. Einzelne Zitate trugen in einer szenischen Lesung Schüler des Pyrmonter Humboldt-Gymnasiums vor. Lotte Thöne spielte Stücke auf der Querflöte. "Für viele war es eine traumatische Zeit, die sie bis heute nicht verarbeitet haben", berichtete Gelderblom vor knapp 30 Zuhörern. Die Nazis schnappten sich schon 14- oder 15-Jährige auf der Straße und transportierten sie in Güterwagen nach Deutschland, wo sie in Fabriken oder in der Landwirtschaft hart arbeiten mussten.

Ergreifende Schicksale verband Gelderblom für die Zuhörer mit Bildern. "Der Aufenthalt hat bleibende Spuren hinterlassen, nicht nur gesundheitliche, sondern auch seelische", schreibt Meret, damals 13. Sie hat ihrer Familie nie davon erzählt. Denn als die Zwangsarbeiter wieder in ihre geschundene Heimat zurückkehrten, waren sie nicht willkommen.

Dabei waren sie doch schon von den Nazis diskriminiert worden. "Lasst die Polen nicht mit an Eurem Tisch essen", stand auf Merkblättern für die Deutschen. Die Zwangsarbeiter lebten in kalten, Ungeziefer verseuchten Holzbaracken, und nicht wenige starben. Schlimm mussten Mütter wegen ihrer Kinder leiden. Wurden sie nicht bereits zum Abtreiben gezwungen, nahm man sie ihnen später häufig weg. Nur wenige berichteten von einer schönen Zeit.

Gelderblom setzt sich dafür ein, dass ehemalige Zwangsarbeiter nach Hameln eingeladen werden. Das bedeute manchen sehr viel.


blomberg@lz-online.de

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