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Deister- und Weserzeitung , 27.01.2005 :

Über Schicksale stolpern - wider das Vergessen / Vier "Stolpersteine" auf dem Rathausplatz enthüllt

Von Juliane Lehmann

Bad Pyrmont. Was Menschen durchgemacht und erlitten haben, die während der Zeit des Nationalsozialismus ins Konzentrationslager verschleppt wurden, lässt sich durch die Berichte Überlebender zwar in Erfahrung bringen. Fassbar aber werden die Qualen, denen die Opfer ausgesetzt waren, nicht. Und mitunter scheint es, als würden viele das unbequeme Thema lieber ad acta gelegt wissen. Dabei kann nach wie vor nur gelten, was der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker einmal sagte: "Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Zukunft."

Gegen das Vergessen arbeitet der Künstler Gunter Demnig an - mit seinen "Stolpersteinen". Fast 5.000 davon liegen inzwischen in 65 Städten. So will er Bürgersteige zu dezentralen Erinnerungsorten abseits institutionalisierten Gedenkens machen. Mitten im Leben, genau dort, wo einst Juden, Homosexuelle, Roma, Sinti, Behinderte oder politisch Unbequeme lebten, die später zu Opfern eines Staatsterrors wurden, dem die perfide Ideologie der Nazis den geistigen Überbau bot.

Vier Stolpersteine hat Demnig jetzt auch in Bad Pyrmont verlegt. Im Rahmen einer vom parteiübergreifenden "Aktionskreis 27. Januar" sowie Schülern des Humboldt-Gymnasiums, dem Musiker Piotr Techmanski und dem Künstler selbst gestalteten Gedenkstunde im Rathaus wurden sie am Dienstagabend vor fast 100 Anwesenden feierlich enthüllt - beinahe auf den Tag genau 60 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.

Wer nun die Stadtverwaltung oder die Geschäftsstelle der Pyrmonter Nachrichten ansteuert, kann die vier nur wenige Meter davor ins Kopfsteinpflaster eingelassenen Messingplatten kaum übersehen. Sie erinnern an die Familie Abraham, die einst an dieser Stelle wohnte. Der Vater starb kurz nach der Pogromnacht 1938 im KZ Buchenwald. Seiner Frau, dem Sohn und der Tochter gelang die Flucht vor der deutschen Vernichtungsmaschinerie nach England.

Die vier Stolpersteine - das machte Bürgermeister Klaus-Henning Demuth klar - sollen nicht die einzigen bleiben. Finanziert werden die 95 Euro teuren Blöcke über Patenschaften. So hat der Aktionskreis die vier Steine großteils mit dem Verkauf des von Humboldt-Schülern erarbeiteten Stadtführers "Menschen wie du und ich" bezahlt.


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