Die Glocke ,
26.01.2005 :
Rosa Fleischmann / Die Angst ist ein ständiger Wegbegleiter
Rheda-Wiedenbrück (hn). Man kann eine Stecknadel fallen hören, so mucksmäuschenstill ist es in der Aula des Wiedenbrücker Ratsgymnasiums, als Rosa Fleischmann vor 100 Schülern der Jahrgangsstufe zwölf aus dem Buch "Schabbat" ihrer Schwester Lea vorliest und "Werte im Judentum" vorstellt. Zwei Schulstunden lang werden Religions-, Geschichts- und Politikunterricht gleichermaßen lebendig. Vor den Pennälern steht eine Zeitzeugin, die mit ihrer Lesereise durch die Bundesrepublik Deutschland Aufklärung und im besten Sinne Öffentlichkeitsarbeit über Leben in Israel ohne erhobenen Zeigefinger betreibt: Sachlich und zugleich sehr persönlich auf drei verschiedenen Ebenen. Das Buch ihrer Schwester, das jüdische Traditionen näher bringt, ist das erste, wichtigste Anliegen. Doch natürlich lassen sich der Holocaust an den jüdischen Menschen in Europa und die seit Staatsgründung im Jahr 1948 permanent aktuelle politische Situation im Staat Israel mit dem Palästinenserkonflikt, der Kette von Kriegen, dem Terror der Intifada und den Gegenschlägen des israelischen Militärs nicht ausgrenzen. "Sie stellen sehr gute Fragen", lobt die zu allen Themen offen antwortende Rosa Fleischmann ihr junges Publikum, das sehr gut vorbereitet den Vortrag verfolgt. Aus dem Vorlesen und Erklären der nach eigener Aussage nicht sonderlich religiösen Rednerin macht sie die das Judentum begründenden Schriften wie die "Thora", Gesetze wie "koscheres Essen" oder den "Schabbat", den "Tag des Aufatmens", nachvollziehbar. Rituale, die eine 3.000 Jahre alte Geschichte überdauern und oft ihre Begründung in den ganz konkreten Lebensbedingungen finden. "Kamel oder Pferd waren wertvolle Transportmittel und durften daher nicht gegessen werden."
Nichts ist so, wie es uns scheint
Rosa Fleischmann las gestern in der Aula des Ratsgymnasiums Wiedenbrück aus dem Buch "Schabbat" ihrer Schwester, der Autorin Lea Fleischmann, vor. Rosa Fleischmann wurde 1951 in München als Kind jüdischer Eltern geboren, die den Holocaust überlebten. 1971 schloss sie die Schule in Frankfurt mit dem Abitur ab und studierte von 1972 bis 1975 Philosophie, Geschichte und Film in Tel Aviv. Von 1976 bis 1996 wirkte sie als Cutterin in den USA, Kanada und Frankreich bei Film- und Fernsehproduktionen mit. Sie ist seit 1979 erste Leserin der Manuskripte ihrer Schwester. Von 1996 bis 1998 bildete sie sich als Reiseleiterin beim israelischen Touristikministerium mit dem Schwerpunkt Jüdische Geschichte weiter und führt seit 1998 Reisegruppen in Israel. Die Autorin Lea Fleischmann wurde 1947 geboren und wanderte (nach sechs Jahren im hessischen Schuldienst) 1979 nach Israel aus. 1982 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel "Ich bin Israelin", in dem sie humorvoll ihre ersten Eindrücke in Jerusalem schildert. Zwei Bände mit Kurzgeschichten folgten: "Nichts ist so, wie es uns scheint" und "Abrahams Heimkehr". 1991 kam ein weiteres Buch heraus: "Gas-Tagebuch einer Bedrohung" dreht sich um die Situation der Israelis während des Golfkrieges. Anschließend erschien das Buch "Schabbat. Das Judentum für Nichtjuden verständlich gemacht" sowie im Jahr 2000 "Rabbi Nachman und die Thora". Dank des Erfolges ihrer Bücher unternahm sie ausgedehnte Lesereisen in Deutschland. 1992 richteten Lea Fleischmann und der Künstler Dudu Barnis ein kulturelles Begegnungszentrum für deutschsprachige Gruppen in Jerusalem ein.
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