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Schaumburger Zeitung , 24.01.2005 :

Feldherr sieht den Krieg als schlimmstes Übel / Heeresflieger-Empfang im Zeichen von Graf Wilhelm / Dr. Veit Veltzke hält den Festvortrag

Bückeburg (bus). Ganz im Zeichen von Graf Wilhelm (1724 bis 1777) hat Freitag der Festempfang im Schloss gestanden, mit dem die Heeresfliegerwaffenschule ihre 45 Jahre in Bückeburg feierte. Hausherr Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, Heeresfliegergeneral Richard Bolz und Preußenmuseumsdirektor Dr. Veit Veltzke stellten das militärhistorische Aushängeschild Schaumburg-Lippes in den Mittelpunkt.

Fürst und General hatten mehr als 150 Gäste in den großen Festsaal geladen. Angehörige französischer und US-amerikanischer Militärverbände verliehen dem Abend eine internationale, ein unter Leitung von Michael Tewes agierendes Klassik-Quintett des Heeresmusikkorps I eine musikalisch-feierliche Note.

Fürst Alexander unterstrich die Verbundenheit seiner Familie mit Standort und Heeresfliegern - "eine ungebrochene Tradition des Hauses". Bolz bezeichnete die Verknüpfung von Tradition und Fortschritt als Grundgedanken der Veranstaltung. Diese an Graf Wilhelms festzumachen, möge zunächst überraschen, gestand der Brigadegeneral ein. Der Graf stehe indes, insbesondere als Erzieher und Ausbilder, für Modernität und Fortschrittlichkeit. Er (Bolz) habe sich einige der Wilhelmschen Grundsätze der Menschenführung zum Vorbild genommen.

Im detailfreudigen Festvortrag stellte Dr. Veltzke den 1724 in London geborenen Graf Wilhelm als stark von den Aufklärungs- und Humanitätsideen des 18. Jahrhunderts beeinflussten Mann vor. "Voltaire, mit dem er 1740 in London und 1743 in Bückeburg zusammentraf, und die Geisteswelt des scharfzüngigen Franzosen beeindruckten ihn tief." Das Bewusstsein, ein "free born englishman" zu sein, habe den Militärreformer lebenslang begleitet, seine geistige Unabhängigkeit und Gradlinigkeit gefördert. Grundlagen für Wilhelms geistiges Profil waren bereits von dessen Vater Albrecht Wolfgang gelegt worden, der sich als erster deutscher Fürst den nach Versittlichung von Staat und Gesellschaft strebenden Freimaurern angeschlossen hatte.

1748 folgt Wilhelm seinem Vater in der Regentschaft, setzt im Fürstentum ein neues Wehrsystem um, das in der Epoche der Söldnerheere Besonderheiten aufweist: Die schaumburg-lippischen Truppen setzen sich überwiegend aus Landeskindern zusammen und - völlig ungewöhnlich - Stockprügel sind verboten. Veltzke: "Graf Wilhelm dürfte der erste souveräne Fürstgewesen sein, in dessen Militärsystem die Prinzipien der Aufklärung Eingang fanden."

Der Siebenjährige Krieg (1756 bis 1763) bringt Wilhelm die ersehnte hohe Kommandofunktion im Kriegsfall. In der Schlacht bei Minden und bei der Belagerung von Münster bewährt er sich auf charakteristische Weise. Durch Führung von vorn, Konzentration auf entscheidende Gefechtsabschnitte und das Präzisionsschießen seiner Artillerie gelingt es ihm, die französischen Geschütze in der Schlacht vor den Toren Mindens zum Schweigen zu bringen und einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Bataille zu leisten. 1762 ist der Graf am Ziel seiner Wünsche: der Übertragung eines selbstständigen höchsten Truppenkommandos. Der König von Portugal ernennt ihn zum Generalmarschall und Oberbefehlshaber des portugiesischen Heeres, der britische König zum Kommandeur des britischen Expeditionskorps. Wilhelm verteidigt Portugal gegen einen weit überlegenen spanischen Feind. Sichtbare Spur seines Wirkens auf derIberischen Halbinsel ist bis heute das "Fort de Lippe" nördlich von Elvas.

Zurück in Bückeburg widmet sich der Feldherr von 1764 an der Wohlfahrt seiner Untertanen und begibt sich an die Verfassung seiner militärwissenschaftliche Hauptschrift. Deren philosophische Einleitung betrachtet den Krieg als schlimmstes Übel.

Die Kriegskunst sei ein Mittel, den Krieg selbst zu begrenzen oder gar zu verhindern und somit einen Beitrag für die Heraufkunft eines seligen Zeitalters zu leisten, in dem nicht die Leidenschaften regieren, sondern Moral und Vernunft.

Veltzke am Ende: "Graf Wilhelm stand zwischen den Zeiten, vereinte Humanität, Friedenssehnsucht, glänzende militärische Pflichterfüllung und absolutistische Machtvollkommenheit unnachahmlich. Seine beeindruckende Persönlichkeit erinnert daran, dass Lebensfülle und Geisteswerte nur um den Preis von Widersprüchen zu haben sind."


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