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Neue Westfälische 09 - Herford , 25.08.2015 :

200 Flüchtlinge ziehen in Kaserne ein / Notunterkunft nimmt Betrieb auf / Detmold bittet Herford um weitere Hilfe

Von Jobst Lüdeking und Ralf Bittner (Fotos)

Herford. Seit gestern Mittag ist sie geöffnet: Die Notunterkunft für Flüchtlinge in der Harewood-Kaserne. Freiwillige Helfer des Roten Kreuzes, Mitarbeiter der Stadt und von Firmen hatten seit Donnerstag die drei Militärgebäude für die Ankunft der 200 Menschen vorbereitet.

Kurz vor 13 Uhr kam der erste Bus mit 50 Flüchtlingen. Bis gestern Abend war die Einrichtung, deren Leitung vom DRK-Kreisverband Herford Land an eine DRK-Tochtergesellschaft abgegeben wurde, komplett bewohnt. Kurz nach dem ersten Bus entrollten Unterstützer der Flüchtlinge ein Plakat. "Refugees welcome!" ("Flüchtlinge willkommen!").

"Die Menschen wollen zunächst zur Ruhe kommen", erklärt Susanne Paul-Barth vom DRK Herford Land. Daher keine Fotos, keine Interviews.

Bevor es mit der Ruhe soweit ist, müssen die Flüchtlinge aber erfasst werden: Das ist ein festes Schema. Sie erhalten gelbe Meldekarten, auf denen sie ihre Daten eintragen und später ein Armband, auf dem ihr Name vermerkt ist. Darüber hinaus wird ihr Gepäck in Augenschein genommen. Sie bekommen dann ein Set, bestehend aus zwei Decken und Hygieneartikeln. Später werden sie von Medizinern der Krankenhäuser noch an der Mindener Straße untersucht. Ab Mittwoch soll es eine Sprechstunde geben. Der Gesundheitszustand der Flüchtlinge sei aber meist gut, so Paul-Brandt: "Es sind junge Menschen, die eine Flucht auf sich nehmen, Alte und Kranke sind selten darunter." Bei der Belegung der Zimmer versuchen die Helfer, möglichst Familien, Paare oder Singles zusammen unterzubringen. Acht Betten stehen maximal in einem Zimmer.

Das ausgegebene Armband ist wie ein Ausweis. Wenn die Menschen Harewood verlassen, werden ihre Daten vom Sicherheitsdienst in eine Liste ein- und bei der Rückkehr wieder ausgetragen. Besuch empfangen können die Menschen in der Kaserne nicht. Der Zaun, so Böhm, diene dazu, den Menschen Sicherheit zu geben und dafür zu sorgen, dass niemand von außen das Areal betreten kann. In den Tagen vor der Belegung hatten Hundeführer des Löhner Sicherheitsunternehmens HNR das Areal bewacht. In einem Fall, so dessen Geschäftsführer André Niederée, habe man eine Decke gefunden, die jemand über den NATO-Draht an der Zaunspitze geworfen habe.

Der Hallen- und Werkstattbereich, der zwei Drittel des Areals ausmacht, wurde mit einem Bauzaun abgetrennt.

"Wir haben hier in den vergangenen Tagen etwa 30.000 bis 40.000 Euro investiert", so Baudezernent Peter Maria Böhm.

Bei der Beschaffung von Material stoßen die Helfer aber oft an Grenzen. So sind deutschlandweit kaum Campingbetten zu bekommen - die Herforder stammen aus Frankreich. Auch auf die Anwohner will die Stadt eingehen: So ist die Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung aufgehoben, die Polizei soll häufiger Streife fahren und es soll einen runden Tisch geben.

Info / Stadt informiert

Zu einer Infoveranstaltung lädt die Stadt die Nachbarschaft der Harewood-Kaserne am Mittwoch, 26. August, in die Christuskirche, Glatzer Straße 5d, ein. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Fachleute der Bezirksregierung, der Stadt, der Polizei und anderer Institutionen stehen dort für Fragen bereit.

Info / Helfer gesucht

Seit einigen Monaten koordiniert die Herforder Bürgerstiftung die Ehrenamtlichen, die sich in Herford um Flüchtlinge kümmern möchten. Um möglichst alle Ideen und Hilfen kurzfristig umzusetzen, trifft sich die Bürgerstiftung am Mittwoch, 2. September, um 19 Uhr im Haus unter den Linden. Alle Interessierten sind eingeladen. Die für die Flüchtlingshilfe eingerichtete Seite lautet www.nachbarschaftshilfe-herford.de.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sucht außerdem noch hauptamtliche Hausmeister, Küchenhilfen, Soziale Fachkräfte, Verwaltungskräfte, Krankenpfleger etc. Weitere Infos unter www.drk.de/ueber-uns/stellenboerse.

Bezirksregierung bittet um weitere Hilfe

Herford (jwl). Derzeit ist die Notunterkunft in der Kaserne ausgelegt für 200 Menschen. Es könnten wegen der vielen Flüchtlinge, die in den kommenden Wochen noch erwartet werden, aber noch mehr werden.

"Die Bezirksregierung in Detmold ist mit dem Wunsch an uns herangetreten, die Notunterkunft auf 400 Personen zu erweitern", erklärte gestern Nachmittag Baudezernent Peter Maria Böhm. Die Stadt Herford solle die erweiterte Notunterkunft, die nach Möglichkeit in der zweiten Septemberhälfte ihren Betrieb aufnehmen könnte, auch betreiben. So lange bis die ZUE (Zentrale Unterbringungseinrichtung) eingerichtet ist. Eine Entscheidung in der Frage soll es bis Ende der Woche geben, so Böhm.

Die baulichen Möglichkeiten, erklärte der städtische Experte, wären gegeben. "Es gibt gegenüber ein Gebäude, das gut in Schuss ist." Darüber hinaus seien weitere Betten bestellt worden - doppelstöckige Betten, sodass es möglich sei, mehr Menschen auf gleicher Fläche unterzubringen. Parallel arbeite die Bezirksregierung an der Planung der ZUE. Sie soll in zwei weiteren ehemaligen Militärgebäude untergebracht werden und ist ebenfalls auf 400 Menschen zugeschnitten. Auf lange Sicht, so Böhm, würden in der Harewood-Kaserne dann bis zu 800 Menschen untergebracht.

Bildunterschrift: Ein Gruß: Flüchtlingsunterstützer heißen die Flüchtlinge mit einem Transparent willkommen. "Refugees welcome! - Flüchtlinge willkommen!" steht darauf. Auf dem Kasernengelände wurde bis zur letzten Minute gearbeitet, um die Räume nutzbar zu machen.

Bildunterschrift: Warten: Meryem Pekcan (v. l.), Darlene Kempe, Nina Günzel, Tilman Eichler, Matthias Brandt (hi.) registrieren die Ankömmlinge.

Bildunterschrift: Einfach: Schlichte Feldbetten stehen in den mit maximal acht Personen belegten Zimmern.

Bildunterschrift: Susanne Paul-Brandt: Sie zeigt das Set für die Flüchtlinge.


herford@nw.de

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