Neue Westfälische 17 - Warburg ,
30.07.2015 :
Erinnerung an einen Zuckerpionier / Gedenkstein für Carl Wentzel - Opfer des 20. Juli 1944 - wieder aufgetaucht
Von Hubert Rösel
Warburg. Ein Gedenkstein, der bisher seinen Platz auf dem Gelände des deutschen Zuckermuseums in Berlin hatte und nach der Auflösung des Zuckermuseums im Archiv verschwunden war und somit der Öffentlichkeit verborgen blieb, fand jetzt einen neuen würdigen Standort vor dem Schloss Teutschenthal bei Halle (Saalekreis).
Der Stein ist dem Andenken an Carl Wentzel gewidmet, er hielt sich in den Kreisen um den Warburger Widerstandskämpfer Josef Wirmer auf.
Christian Voss, Direktor a.D. der Zuckerwerke Warburg und Wabern und Vorstandsmitglied des Förderkreises des Zuckermuseums Berlin sorgte nun dafür, dass der verschwundene Gedenkstein aus der Verborgenheit wieder hervorgeholt wurde und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Voss übergab ihn jetzt in Teutschenthal an die Familie Wentzel, die als neuen Standort einen Platz am Eingangsbereich des Schlossplatzes fand, zur Erinnerung eines Mannes, der nach Erkenntnissen und Einsicht sich dem NS-Regime entgegengestellt hat.
Wentzel war Mitglied des Reusch-Kreises
Carl Wentzel (geb. 1876) war Hausherr des Schlosses Teutschenthal. Er hatte den Besitz, nach dem Tod seines Vaters als 30-Jähriger übernommen und ihn bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges zu einem Wirtschaftsgroßbetrieb mit rund 9.000 Hektar ausgebaut. Wentzel galt als ein Vorbild für Unternehmergeist, soziales Engagement und politischen Mut. Er entwickelte landwirtschaftliche Betriebe zu Musterwirtschaften, die nach Art und Umfang ohne Gegenstück in Deutschland waren. Wentzel war unter anderem Mitglied und Vorsitzender in verschiedenen Ausschüssen der deutschen und internationalen Zuckerindustrie und gehörte zu den einflussreichen Kreisen der Großindustrie und Großagrariern, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach 1933 an der Erstellung von Plänen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion beteiligt wurden. Als Mitglied des "Reusch-Kreises" diskutierte Wentzel mit anderen einflussreichen Leuten in Gesprächskreisen die weitere Entwicklung im Reich. Dazu diente Schloss Teutschenthal mehrmals als Treffpunkt. Goerdeler, der öfter zu Gast war, entwickelte hier als Kopf der Oppositionsgruppe, seine innen- und außenpolitischen Pläne für die Zeit nach einem erfolgreichen Staatsstreich gegen Hitler. Zu den Gesprächsteilnehmern gehörte auch der Warburger Widerstandskämpfer Josef Wirmer.
Die geheimen Treffen wurden jedoch verraten und Carl Wentzel nach dem gescheiterten Hitler-Attentat im Juli 1944 verhaftet und einige Monate später, im Dezember in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seine Ehefrau wurde ebenfalls verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht. Nach der Enteignung im Dritten Reich und der erneuten Zwangseinziehung im DDR-Regime bewohnt die Familie Wentzel seit 1990 wieder Schloss Teutschenthal und begann mit der Renovierung der Gebäude. Neben Wohn- und Verwaltungstrakt beheimatet das Gebäude heute ein 4-Sterne-Hotel.
Das Schloss
Schloss Teutschenthal wurde zwischen 1883 und 85 durch den Architekten Hugo Wrede (Stadtbaumeister in Merseburg) im Stil der Gründerzeit als Familiensitz des Geschlechts Wentzel errichtet und 1913, nach einem Brand, umgebaut. Es liegt in einem 18 Hektar großen, gepflegtem Park mit historischem Baumbestand.
Nach der Wiedervereinigung wurde auf der Grundlage des Einigungsvertrages etwa die Hälfte des einst über 8.000 Hektar großen Landbesitzes, der Immobilien und Industriebeteiligungen an die Enkel, Carl-Friedrich und Carl-Stefan Wentzel rückübertragen.
Bildunterschrift: Der Gedenkstein an Carl Wentzel an seinem neuen Standort vor Schloss Teutschenthal: Geschäftsführerin Hannelore Wentzel freute sich und dankte Christian Voss (Mitte) und Herrmann Miller, ehemaliger Leiter der Südzucker Landwirtschaft, über die Rückführung des Denkmals.
warburg@nw.de
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