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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 19.01.2005 :

Über allem schwebt die braune Politik / Dasch und Raue überzeugen in Winkhausen

Salzkotten/Winkhausen (urm.) Dass das, was da in der Luft liegt, nicht nur der berühmte Berliner Prickel ist, sondern schwer nach Faschismus stinkt, wurde dem jüdischen Komponisten Mischa Spoliansky schon früh klar. 1933 verließ er Deutschland und kam so schnell nicht wieder. Roswitha Dasch und Ulrich Raue haben seinen Weg in einer "Revuette" nachgezeichnet, einer spritzigen Nummernfolge von wunderbaren Spoliansky Liedern, starken Texten und guter Instrumentalmusik.

Saisonauftakt in Winkhausen: Es wird wieder alles geben, Jazz, Klassik, Theater und Kultur, die man nicht so genau einordnen kann.

Den Anfang machten am Samstag in der wie immer gemütlichen und gut besuchten Kulturscheune zwei Künstler, die man in der Region liebt und kennt. Vor vielen Jahren schon spielte sich Roswitha Dasch mit fetzigem Geigen-Klezmer in die Herzen des ostwestfälischen Publikums, Fritz Kreisler kann sie aber auch. Mit dem wienerischsten aller Wienerlieder, dem Liebesleid begann die Berlin-Revue und wurde dann mit Vertonungen von Texten von Marcellus Schiffer, Walther Mehring und Kurt Tucholsky immer berlinerischer.

Die Wuppertalerin Dasch berlinert allerdings nur da wo es unbedingt sein muss. Berlinerisch sind eher die Texte, die Spoliansky so genial vertont hat. Großstadtlyrik: Über Mode, Konsum und die Liebe natürlich. Und über allem schwebt bedrohlich die braune Politik. Sowas ist immer spannend, besonders da wo richtig geschauspielert wird.

Es ist müßig, etwas über Roswitha Daschs Geigenspiel zu schreiben, das ist wunderbar, aber ihre schauspielerische Energie ist es auch. Da wird sie zur Kartenhexe, sagt zweideutige Gedichte auf, die plötzlich nicht mehr rezitiert wirken, sondern inszeniert und schlüpft lustvoll von einer Rolle in die andere. Ein-Frau-Theater vom Feinsten. Manchmal wird diese Besetzung allerdings erweitert, wenn sich Ulrich Raue vom Klavier her einmischt. Manchmal für ein gut gesungenes Duett, manchmal für einen kleinen Kommentar, immer mehr als ein zuverlässiger Klavierbegleiter, sondern immer ein handelnder Teil der Revue.

In der es noch tolle Lieder gab. Zum Beispiel ein Lieblingslied der Sängerin, später noch mal als Zugabe zu hören, mit dem Titel: "Ach, er hasst, dass ich ihn liebe." Verwickelte Beziehungsverhältnisse, von Roswitha Dasch so komisch interpretiert, dass die komplette Scheune gluckste und kein Auge trocken blieb. Wie sagte Birgit Lurse, Künstlerische Leiterin vom Kulturgut Winkhausen bei der rituellen Verabschiedung der beiden Künstler?: "Es sieht so aus als ob die beiden wiederkämen!" Hoffen wir’s.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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