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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 11.01.2005 :

Diesmal die Opfer im Blick / Vor 60 Jahren: Drei große Bombenangriffe auf Paderborn / Erinnern und Gedenken

Paderborn (st). Das Erinnern und Gedenken an die schweren Bombenangriffe kurz vor Kriegsende 1945 soll anlässlich der 60. Jahrestages in den kommenden Monaten zu einem "zentralen Thema" in Paderborn werden. Das kündigte gestern Bürgermeister Heinz Paus an. Alle Veranstaltungen sind öffentlich.

Mit zwei historischen Ausstellungen dokumentierte die Stadt 1987 und 1995 die enormen Kriegszerstörungen. In diesem Jahr soll in besonderer Weise der Blick auf die 900 Opfer der Luftangriffe der Jahre 1940 bis 1945 auf Paderborn gelenkt werden. Ihnen will die Stadt ein Gedenkbuch widmen. Kein gedrucktes Werk: Es soll als besonders gestaltetes Einzelexemplar einen ständigen Platz im Museum für Stadtgeschichte erhalten.

Eine erste Liste mit den Namen und Todesdaten dieser Paderborner Bombenopfer veröffentlichte Rudolf Kiepke 1949 in dem Buch "Paderborn. Werden, Untergang, Wiedererstehen." Rolf-Dietrich Müller, der Leiter des Stadtarchivs: "Aber diese Toten blieben bisher weitgehend gesichtslos und anonym." Das soll sich ändern. Für das Gedenkbuch kann die Stadt auf mehrjährige Forschungen der Paderborner Autorin Dr. Antje Telgenbüscher zurückgreifen. Sie hat Lebensdaten und Fotos einer Reihe von Opfern gesammelt. Zwar gilt heute die Identität von 99 Prozent der Opfer als geklärt, doch nur von etwa 150 liegen bislang Fotos und weitere Informationen vor. Sie werden in dem Gedenkbuch zu finden sein. Dass es in absehbarer Zeit gelingen könnte, alle 900 Opfer ausführlich zu dokumentieren, ist fast 60 Jahre nach Kriegssende kaum zu erwarten. Rolf-Dietrich Müller: "Bei den Opfern handelt es sich ja nicht nur um Paderborner Bürgerinnen und Bürger, sondern auch um deutsche Soldaten, die sich gerade in der Stadt aufhielten, um ausländische Kriegsgefangene, um Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter."

Angaben über die Nicht-Paderborner unter ihnen zu recherchieren dürfte noch schwieriger sein als Informationen über jene Paderborner zu beschaffen, deren ganze Familie im Bombenkrieg ausgelöscht wurde. Das Gedenkbuch wird so gestaltet, dass es jederzeit ergänzt werden kann. Es soll am Abend des 22. März bei einer Gedenkfeier im Rathaus vorgestellt werden. Paderborner, die noch Fotos getöteter Angehöriger, Verwandter und Freunde besitzen oder wissen, wo sich solche Bilder befinden, sollten sich unter Telefon: 881595 an das Stadtarchiv wenden. Es stellt den Kontakt zu Antje Telgenbüscher her.

Die Veranstaltungen zur Erinnerung an ,"die schlimmste Katastrophe der Stadtgeschichte" (Paus) wenden sich insbesondere auch an junge Paderborner. Das wird schon bei der Feier- und Gedenkstunde am kommenden Montag, 17. Januar, dem Jahrestag des ersten großen Angriffs 1945, am Mahnmal Busdorfwall deutlich (11.30 Uhr) deutlich.

Schülerinnen und Schüler des Goerdeler-Gymnasiums haben das Programm mit ihren Verbindungslehrern Beate Danzebrink-Nieke und Norbert Dohmann vorbereitet. Und zwar intensiv: Im Herbst 2004 bot das Gymnasium im Rahmen seiner Projekttage dafür eine Arbeitsgruppe an. Die schaute sich nicht nur im Stadtarchiv um, sondern unternahm auch eine Gedenkstättenfahrt nach Berlin. Wiebke Fischer und Dennis Dellschow als Sprecher der Projektgruppe werden am Montag eine Gedenkrede halten, die Bläserklasse 6 b wird einen Bach-Choral intonieren. David Huchtmeier (Gitarre) und Geraldine Dany (Gesang) tragen das von Huchtmeier komponierte und getextete Lied ,,Nightmares" vor.

Nach der Gedenkstunde lädt Bürgermeister Heinz Paus zu einem Rundgang ein: An 16 Stationen der City will die Stadt ein Jahr lang auf Metalltafeln im DIN-A2-Format, die wie ein Lesepult gestaltet sind, den jeweiligen Ort anhand von Bildern vor und nach der Zerstörung zeigen. Dem Rundgang folgt ein Gedankenaustausch im Rathaus. Paus hofft, dass sich hier auch Zeitzeugen zum Gespräch über das Kriegsende in Paderborn einfinden, ebenso zur Diskussion mit Buchautor Jörg Friedrich am 27. März.

Eine 40-seitige kostenlose Broschüre "Erinnern und Gedenken - Die Zerstörung der Stadt vor 60 Jahren" (Auflage: 10.000 Exemplare) wird bis zum Wochenende u. a. im Verkehrsverein und im Einwohneramt erhältlich sein.

Paus hat gestern die Pfarrer aller Paderborner Kirchen gebeten, an den Jahrestagen (17. Januar, 22. und 27. März) zur jeweiligen Stunde des Bombenangriffs die Totenglocke zu läuten.

Die Veranstaltungen

Sonntag, 16. Januar, 17 Uhr: Geistliches Konzert des Motettenchores und des Collegium musicum Paderborn am Vorabend des 60. Jahrestages des schweren Luftangriffes auf Paderborn am 17. Januar 1945 in der Marktkirche. Auf dem Programm: Trauermotette "Wie liegt die Stadt so wüst" von Rudolf Mauersberger, Bach-Choral "Wenn wir in höchsten Nöten sein", Haydns "Messe in Zeiten der Bedrängnis" ("Missa in Augustiis"). Das Konzert ist zugleich das Abschlusskonzert zum Jahr des 40jährigen Bestehens des Motettenchores. Karten an der Abendkasse sowie im Vorverkauf im Musikhaus Schallenberg und im Paderborner Ticket-Center.

Montag, 17. Januar, 11.30 Uhr: Feier- und Gedenkstunde am Mahnmal Busdorfwall, gestaltet von Schülerinnen und Schülern des Goerdeler-Gymnasiums. Nach der Kranzniederlegung gemeinsamer Rundgang zu den Gedenktafeln, die an markanten Orten der Altstadt aufgestellt werden. Anschließend Gedankenaustausch im Rathaus auf Einladung des Bürgermeisters.

Sonntag, 20. Februar, 11.30 Uhr: Im Museum für Stadtgeschichte (Adam-und-Eva-Haus, Hathumarstraße) Lesung und Gespräch mit Dr. Antje Telgenbüscher, Paderborn: "Es regnet Feuer vom Himmel ... " – Paderborn im Bombenkrieg.

Dienstag und Mittwoch, 15./16. März, jeweils 19.30 Uhr: "War-Requiem" von Benjamin Britten (1913-1976); Domkonzerte zur Erinnerung an die Zerstörung von Dom und Stadt vor 60 Jahren. Leitung: Domkapellmeister Theodor Holthoff.

Dienstag, 22. März, 20 Uhr: Gedenkfeier im Rathaus. Schauspieler lesen Zeitzeugenberichte, Vorstellung des Gedenkbuches, das an die Paderborner Bombenopfer erinnert.

Ostermontag, 27.März, 16.15 Uhr: Kranzniederlegung am Mahnmal Busdorfwall. 17 Uhr: Ökumenischer Wortgottesdienst im Hohen Dom. 18.15 Uhr: Öffentlicher Empfang im Rathaus für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger mit Lesung des Berliner Autors Jörg Friedrich aus seinem 2002 erschienenen Buch "Der Brand", anschließend Diskussion. In Friedrichs Buch, der ersten in Deutschland erschienenen zusammenfassenden Darstellung des Bombenkriegs, so Bürgermeister Heinz Paus bei der Programm-Vorstellung, spiele das 1945 zu 85 Prozent zerstörte Paderborn ,"eine nicht unerhebliche Rolle".

Donnerstag, 28. April, 19 bis 21 Uhr: In der Volkshochschule, Rathausplatz 7, "60 Jahre Kriegsende in Deutschland". Zeitzeugengespräch mit Privatdozent Dr. Rainer Pöppinghege über Paderborner Jugend im Nationalsozialismus. Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Historischen Institut der Universität. Eintritt frei.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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