Neue Westfälische 06 - Schloß Holte-Stukenbrock ,
06.05.2015 :
Warum der Bundespräsident nach Stukenbrock kommt / Gauck-Protokoll (5) So fing alles an
Schloß Holte-Stukenbrock (big). Zuerst war es eine Andeutung, dann Gewissheit: Anfang des Jahres stellten Manfred Büngener und Oliver Nickel einer Abordnung des Bundespräsidialamtes die Dokumentationsstätte vor - und bekamen ein mögliches Ja, dann ein wahrscheinliches Okay und schließlich den endgültigen Zuschlag für eine Veranstaltung von Bundespräsident Joachim Gauck. Heute ist das Staatsoberhaupt am Lippstädter Weg zu Gast, um insbesondere der sowjetischen Kriegsgefangenen unter den Opfern des Zweiten Weltkriegs zu gedenken.
"Wir hatten einen guten Eindruck hinterlassen", sagt Manfred Büngener. Er ist Vorsitzender des Fördervereins der Dokumentationsstätte Stalag 326, die durch den Besuch des Staatsoberhauptes besondere Aufmerksamkeit erfährt. Bundesweit. Überregionale Medienvertreter haben sich akkreditiert, in Artikeln über die Gedenkveranstaltungen 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs geht es nun immer auch um Schloß Holte-Stukenbrock, Politiker bitten bei Manfred Büngener um einen Platz auf der Gästeliste. Diese Bitten kann er nicht erfüllen. "Veranstalter ist ja der Bundespräsident, wir haben damit nichts zu tun." Außer selbst auf der Gästeliste zu stehen, dem Bundespräsident und der bis zu 120 Personen großen Gruppe heute die Beschaffen- und Besonderheiten der Dokumentationsstätte und des Sowjetischen Ehrenfriedhofs zu erklären.
"Er hatte ja einen großen Friedhof mit sowjetischen Kriegsgefangenen gesucht", erklärt Büngener. Die Recherchen der bundespräsidialen Abordnung führten dann zum Stalag 326 und nach Brandenburg, wo Joachim Gauck am 8. Mai spricht. Für Stukenbrock sprachen nicht zuletzt auch die Bedingungen für die Sicherheit des Bundespräsidenten. Auf dem Gelände der Polizeischule am Lippstädter Weg.
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Neue Westfälische 06 - Schloß Holte-Stukenbrock, 05.05.2015:
Schüler bauen Arresthaus nach / Gauck-Protokoll (4) Was Gymnasiasten dem Herrn Bundespräsidenten zeigen können
Von Birgit Guhlke
Schloß Holte-Stukenbrock. Manfred Büngener ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Weil Bundespräsident Joachim Gauck die Dokumentationsstätte Stalag 326 in Stukenbrock-Senne für eine Gedenkveranstaltung 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgewählt hat, wollen nun alle vom Fördervereinsvorsitzenden Antworten rund um den Besuch haben. Oder besser noch eine Einladung für den Tag. Manfred Büngener schüttelt den Kopf, winkt ab - und widmet sich erst einmal Schülerinnen und Schülern, die ihre Einladung für den Besuch des Bundespräsidenten schon in der Tasche haben. Gestern stellten die Gymnasiasten eine Arbeit für die Dokumentationsstätte - und ein bisschen auch für den Bundespräsidenten - vor.
Es ist ein Modell des damaligen Arrestgebäudes, in dem heute die Ausstellung über das Stalag untergebracht ist. Joachim Gauck wird einer der ersten Gäste der Dokumentationsstätte sein, der dieses Modell sehen wird. Im vergangenen Oktober hatten Schüler und Lehrer gemeinsam während einer Projektwoche Themen rund um das Stalag 326 erarbeitet. Aus einer Projektgruppe entstand dann die AG, deren Mitglieder Anfang des Jahres das Modell gebaut haben, wie Geschichtslehrer Christian Schwarz erklärt. Den Anstoß dazu hatte Oliver Nickel, Geschäftsführer der Dokumentationsstätte, gegeben. Gymnasiasten hatten bereits von einem Lagergebäude ein Modell gebaut, das ebenfalls in der ständigen Ausstellung zu sehen ist. "Ich wusste ja, dass ich ein gutes Modell bekomme", sagt Nickel und lächelt.
Daran lässt sich nun gut erklären, wie das Gebäude aussah, als hier Kriegsgefangene eingesperrt gewesen sind. Heute hat das Haus große Fenster, nur in dem Bürotrakt ist noch ein Raum erhalten, der vor mehr als 70 Jahren vermutlich Arrestzelle gewesen ist. Ein Teil des Daches, das die Schüler gebastelt haben, ist aus Plexiglas. Darunter sind jeweils links und rechts eines schmalen Ganges Zellen zu sehen, daneben vermutlich ein Mannschaftsraum. Fenster gibt es nicht, nur Klappen. Besuchergruppen werden heute in der Dokumentationsstätte durch einen offenen Raum geführt, nur Ständerbalken zeigen, wo früher ein schmaler Flur diesen Raum teilte. Wie viele Zellen in dem Gebäude tatsächlich waren, ist nicht mehr zu klären, erklärt Christian Schwarz. Der Grundriss, mit dem die Schüler für das Modell gearbeitet haben, sei noch einmal geändert worden, ein Ausbau war geplant. Festgehalten ist, dass in dem 1944 erbauten Haus 31 Zellen vorgesehen waren, genutzt worden sind vermutlich 28. Marlene Zanotti hat sich zusammen mit Geschichtslehrerin Christina Kubatzki um Fakten rund um das Arrestgebäude gekümmert. Die Recherchearbeiten dazu haben bei der Schülerin Entsetzen und Entrüstung hervorgerufen. "Man weiß ja grob, was hier passiert ist", sagt die 16-Jährige, "aber wenn man dann die Fakten liest ... " In den Lagerakten ist dokumentiert, dass die Nationalsozialisten über die Gefangenen geschrieben haben, als seien sie "nur Abschaum". Ihre Projektbeschreibung ist ein Beleg dafür, dass die Lagerkommandantur Unterschiede zwischen westlichen und sowjetischen Kriegsgefangenen gemacht hat. Die Sowjets sollten demnach ohne Decke und Strohsack auskommen, also auf dem nackten Boden schlafen, bekamen weniger Essen zugeteilt als andere Kriegsgefangene, sowohl in der Arrestzelle wie auch in der Lagerunterkunft.
Neben Marlene Zanotti gehören zu der AG: Jonas Sykosch, Maria Diener, Luc Flake, Simon Lauströer, Tim Hoffmann, Niklas Pähler, Maxim Slusar, Ben Hemschenherm und Luis Hemschenherm. Niklas Pähler ist einer der Gäste des Bundespräsidenten am Mittwoch. Zudem wird er noch mit Sebastian Lüke, Nadja Wolfkopf, Benedikt Brei und Senada Memic aus der Projektgruppe sprechen. Alle haben eine Einladung vom Bundespräsidenten bekommen. Nicht von Manfred Büngener. "Wir vom Förderverein sind hier zwar Hausherr, Veranstalter am Mittwoch ist aber das Bundespräsidialamt."
Es wird eng in der Senne
Wegen des Besuchs von Bundespräsident Joachim Gauck in der Dokumentationsstätte im ehemaligen Stammlager 326 am Lippstädter Weg müssen Anwohner und Besucher in Stukenbrock-Senne mit Beeinträchtigungen rechnen. Laut Information der Polizei betrifft das den Bereich Lippstädter Weg, Senner Straße, Emsweg, Jägergrund und Kapellenweg. In diesem Areal gilt am Mittwoch, 6. Mai, absolutes Haltverbot. Zudem werde es kurzfristig zu Verkehrssperrungen kommen - wenn der Konvoi anrollt.
Bildunterschrift: So sah das damals aus: Die Schüler des Gymnasiums Schloß Holte-Stukenbrock haben ein Modell des Arrestgebäudes vom ehemaligen Stammlager, Stalag 326, in Stukenbrock-Senne gebaut und an Oliver Nickel (l.), Manfred Büngener (3. v. l.) übergeben. Es wird zum Besuch des Bundespräsidenten in der Ausstellung stehen.
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Neue Westfälische 06 - Schloß Holte-Stukenbrock, 04.05.2015:
Einen Blick erhaschen auf den Bundespräsidenten / Gauck-Protokoll (3) Der Termin im Stalag
Schloß Holte-Stukenbrock (big). Die Stadt erlebt eine besondere Premiere: Zum ersten Mal ist in Schloß Holte-Stukenbrock ein Bundespräsident zu Gast. Das bestätigte ein Sprecher des Bundespräsidialamts im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Und er gab noch ein paar Antworten rund um das Besuchsprotokoll für Mittwoch, 6. Mai.
Dann wird Bundespräsident Joachim Gauck wie berichtet die Dokumentationsstätte Stalag 326 besuchen und später einen Kranz auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof niederlegen. Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 70. Mal, der Bundespräsident hat sich für dieses Jahr vorgenommen, insbesondere der Millionen Opfer unter den sowjetischen Soldaten zu gedenken. Dafür hatten im Vorfeld Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes nach geeigneten Veranstaltungsorten in Deutschland gesucht. In Stukenbrock-Senne sind sie fündig geworden. Hier gab es mit dem Stammlager 326 (VI K) eines der größten deutschen Kriegsgefangenenlager im Zweiten Weltkrieg - mit einem Großteil sowjetischer Gefangener.
Daniela Schadt kommt nicht mit
An der Veranstaltung am Lippstädter Weg ab 11 Uhr werden nur geladene Gäste teilnehmen können. Nach der Besichtigung der Dokumentationsstätte geht es weiter zum Sowjetischen Ehrenfriedhof, dort legt Joachim Gauck einen Kranz nieder. Insgesamt zählen zu der Delegation in SHS gut 120 Teilnehmer, wie ein Sprecher des Bundespräsidialamtes auf Anfrage der Neuen Westfälischen erklärte. Dazu gehören Abgeordnete, Botschafter der am Krieg in Europa beteiligten Länder, Kirchenvertreter, Polizeischüler, junge Soldaten aus der Region und Schüler aus SHS. Es sind Gymnasiasten von der Geschichts-AG, von einer Anne-Frank-Gruppe sowie von der Theatergruppe 3ST, das Drei-Schulen-Theater mit jungen Damen und Herren der Lisa-Tetzner-Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums. Außerdem wird Lev Frankfurt dabei sein, ein Überlebender des Lagers, sowie Angehörige eines auf dem Ehrenfriedhof begrabenen Kriegsgefangenen. Nach der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof ist noch ein Essen in der Polizeischule geplant.
Der Bundespräsident wird bei diesem Termin nicht von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet. Joachim Gauck wird per Flugzeug nach Ostwestfalen-Lippe reisen, ab dem Flughafen Paderborn-Lippstadt wird sich dann eine Wagenkolonne Richtung Schloß Holte-Stukenbrock aufmachen. Die genaue Route und den exakten Ablauf kennen nur die für die Sicherheit des Staatsoberhauptes Verantwortlichen. Klar ist aber, dass die Wagenkolonne durch das Haupttor am Eingang der Polizeischule am Lippstädter Weg fahren wird, Schaulustige werden sich vor dem Tor postieren können, um zumindest einen Blick auf die Limousinen zu erhaschen.
Mag der Anlass auch bedeutungsvoll und staatstragend sein, für den ein oder anderen ist es eine einmalige Gelegenheit, dem Bundespräsidenten so nahe zu kommen. Ein Erinnerungsfoto ist das sicherlich dem ein oder anderen auch wert. Wie hält es der Bundespräsident mit Selfie- und Handyfotowünschen?
Grundsätzlich, so sagt der Sprecher des Bundespräsidialamtes, sei Joachim Gauck bei diesem Thema "sehr zugänglich". In den sozialen Netzwerken gebe es viele Beispiele für Handyfotos mit dem Bundespräsidenten. Der Bundespräsidentensprecher aber vermutet an diesem Tag und zu dem Anlass "mehr Zurückhaltung". Möglich aber wäre es.
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Neue Westfälische 06 - Schloß Holte-Stukenbrock, 01./02.05.2015:
Unvorstellbares vor der eigenen Tür / Gauck-Protokoll (2) Realschüler und Gymnasiasten beschäftigen sich mit der Vergangenheit
Von Karin Prignitz
Schloß Holte-Stukenbrock. Manfred Büngener hat die Zahlen schnell überschlagen. Sieben Klassen der Realschule, vier vom Gymnasium, "mehr als 300 werden es sein". 300 Schüler ab Klasse 8, die sich in der Realschule die Sonderausstellung "Es lebe die Freiheit! Jugendliche gegen den Nationalsozialismus" ansehen. Eine beeindruckende Zahl, vor allem wenn der Vorsitzende des Fördervereins "Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne" den Vergleich zieht. Im Stalag ist am Mittwoch Bundespräsident Joachim Gauck zu Besuch.
"Zur Ausstellung in der Wewelsburg sind in 14 Tagen nur zwei Klassen gekommen." Die Klasse 9 d des Gymnasiums Schloß Holte-Stukenbrock hat im vergangenen Jahr bereits die Anne-Frank-Ausstellung besucht, jetzt sind die 27 Schüler und Schülerinnen gemeinsam mit ihrer Geschichtslehrerin Alexa Schulte zur Sonderausstellung gekommen. Exemplarisch werden dort Wege von oppositionellen Jugendlichen in der NS-Zeit gezeigt. Schicksale von jungen Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft. Dokumentiert wird die Bandbreite ihres widerständigen Handelns. Büngener, der die Gruppe gemeinsam mit Brunhilde Westerhelweg empfängt, stellt den örtlichen Bezug her. Er erzählt von Widerstandskämpfer Heinz Baak, dem in der Stadt ein Weg gewidmet worden ist. Brötchenfahrer sei er gewesen. "In den Brötchentüten, die er verteilte, waren Flugblätter." Nach einem Jahr sei Baak erwischt worden. "Mit 20 Jahren wurde er in Berlin-Plötzensee erhängt." Derzeit werde versucht, noch mehr Informationen zu bekommen. "So können die Jugendlichen nachvollziehen, dass es auch bei uns jemanden gab, der sich gegen die Nazis eingesetzt hat." Und dabei sein Leben verloren hat.
"Eigentlich unvorstellbar" sei das, was im Krieg geschehen ist, meint Leoni Schlatt, "obwohl es doch noch gar nicht so lange her ist". Dass sich ähnliches noch einmal wiederholen könnte, glaubt die 14-Jährige nicht. "Wegen der Erfahrungen, die man gemacht hat." Lea Gräfe sieht das anders und verweist auf die Diktaturen in anderen Ländern. Franziska Peter hält es für unbedingt notwendig, "sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen". Aufmerksam hören die Schülerinnen Manfred Büngener zu, der von der größten Grabstätte mit sowjetischen Kriegstoten in der Stadt erzählt. "Die Namen von 15.000 haben wir inzwischen herausgefunden." 40.000 bis 65.000 seien es insgesamt.
Anschaulich und kompakt sei die Ausstellung, sagt Pädagogin Alexa Schulte. "Sie hat viele Impulse zum Weiterfragen und Weiterdenken gegeben." Im Unterricht habe man gut anschließen und weiterführende Fragen entwickeln können. Interessiert habe die Schüler, die auch nach dem Rundgang noch viele Fragen gehabt hätten, vor allem das Schicksal der Geschwister Scholl. Beide waren Mitglieder der "Weißen Rose" und Symbolgestalten eines an humanistischen Werten orientierten Widerstands. Die Ausstellung endet am 3. Mai.
Schüler beim Bundespräsidenten
Anlässlich der Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren ist Bundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch, 6. Mai, zu Gast in der Dokumentationsstätte Stalag 326 in Stukenbrock-Senne. Zu den geladenen Gästen gehören Botschafter der Länder, die Teil der ehemaligen Sowjetunion waren, sowie Schüler und Ehrenamtliche, die sich in der Kriegsgräberfürsorge und der regionalen Geschichtsforschung engagieren. Dazu zählen Gymnasiasten und Mitglieder des Drei-Schulen-Theaters aus SHS.
Bildunterschrift: Aufmerksam: Lea Sening, Jacqueline Krepp, Franziska Peter, Katharina Pätzold und Lea Gräfe (v. l.) hören interessiert zu, was Manfred Büngener ihnen zu der Ausstellung erzählt. Dabei geht es um Jugendliche, die seinerzeit ähnlich alt waren wie sie jetzt.
Umfrage / Welche Bedeutung hat der Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck am 6. Mai für Stadt und Dokumentationsstätte Stalag 326?
Christian Albert, 29 Jahre, Priester: "Ich glaube, es ist ein wichtiger und historischer Besuch, weil er lokale Geschichte betrifft. Das gibt dem Stalag und den Helfern eine große Bedeutung."
Dieter und Rosemarie Wulfmeyer (75/71), Rentner: "Er erkennt das Stalag-Museum an und gibt dem Ganzen eine Aufwertung. Viele werden wahrscheinlich aufmerksam werden."
Sabine Hoheisel, 48 Jahre, Hausfrau: "Ob er kommt oder nicht, ist mir persönlich egal. Ich mache mir da nicht so viel draus. Für die Stadt freut es mich jedoch."
Wilhelm Franz, 61 Jahre, Kraftfahrer: "Das ist eine Sensation für uns auf der Senne. Der Bundespräsident ist, glaube ich, noch nie hier gewesen. Es wird das Stalag aufwerten."
Jürgen Engelns, 56 Jahre, Fischverkäufer: "Der Ehrenfriedhof hat natürlich eine Tradition, wenn auch eine traurige. Es ist eine Ehre, dass der Bundespräsident sich davon ein Bild macht."
Julia Vorreiter, 18 Jahre, Abiturientin: "Wenn der Gauck kommt, werden hoffentlich noch mehr auf das Stalag aufmerksam. Es kann ein Startschuss für weitere Projekte sein."
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Neue Westfälische 06 - Schloß Holte-Stukenbrock, 30.04.2015:
Was Werner Busch zu danken ist / Gauck-Protokoll (1) Über den Gründer der Dokumentationsstätte
Von Sabine Kubendorff
Schloß Holte-Stukenbrock. Bundespräsident Joachim Gauck kommt am 6. Mai nach Stukenbrock-Senne, um an das Kriegsende vor 70 Jahren zu erinnern. Bis dahin wird die Neue Westfälische unter der Rubrik "Gauck-Protokoll" jeden Tag über die Hintergründe des Besuchs und die Vorbereitungen berichten. Zum Auftakt ein Bericht über den Mann, dem auch zu verdanken ist, dass Gauck kommt.
Werner Busch (89) ist quasi Vater der Dokumentationsstätte, die die Geschehnisse im Stalag 326 aufarbeitet. Das war von 1941 bis 1945 eines der größten Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten. 65.000 von ihnen sollen auf dem Ehrenfriedhof ruhen. Dort wird der Bundespräsident am 6. Mai einen Kranz niederlegen und eine Rede halten. Nachdem er die Dokumentationsstätte besucht hat.
Der Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock" veranstaltet seit den 60er Jahren stets Anfang September eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof, stieß allerdings immer schon wegen seiner linken Orientierung auf viel Abneigung. Auch deshalb hatte es Werner Busch im konservativen Schloß Holte-Stukenbrock schwer, seine Idee von einer Gedenkstätte umzusetzen.
1992 war ein Buch über das Stalag erschienen, im Auftrag der Gemeinde geschrieben von den Historikern Karl Hüser und Reinhard Otto. "Es gab palettenweise Bücher, und keiner interessierte sich dafür." Werner Busch wurde aktiv und ging gleich ganz nach oben. Zu Ministerpräsident Johannes Rau. Doch Busch, der in Begleitung von Friedrich Dransfeld und Reinhard Otto war, kam gar nicht dazu, das Buch und das Projekt "Gedenkstätte" detailliert vorzustellen. "Rau hat sofort abgewunken." Und von 3 Millionen Mark gesprochen, die für den Bau einer Gedenkstätte gebraucht würden und die das Land nicht habe. Busch hat Rau das Stalag-Buch gegeben, außerdem eines für jedes Ministerium, und konnte wieder nach Haus fahren.
Dem damaligen Leiter der Polizeischule, die noch heute auf dem Gelände des ehemaligen Lagers angesiedelt ist, ist es zu verdanken, dass eine vergleichsweise preiswerte Lösung gefunden werden konnte: das Stalag-Arrestgebäude, das die Polizei als Waffenkammer nutzte. Bis 1995 dauerte der folgende Kleinkrieg mit der Denkmalschutzbehörde, den die grüne Regierungspräsidentin Christa Vennegerts beendete, indem sie den Baubeginn verfügte. Im Juni 1996 wurde die Dokumentationsstätte eingeweiht. Mehr als 300.000 Mark waren in die Sanierung des Gebäudes investiert worden. Das Geld kam zusammen dank einer überraschend generösen CDU-Mehrheitsfraktion, die sich dem Thema danach wieder lange verschlossen hat. Sie bewilligte 100.000 Mark. Und es hatte eines Tricks bedurft.
Voraussetzung für einen 240.000-Mark-Zuschuss des Landes war, dass die Gemeinde die Trägerschaft der Gedenkstätte übernahm. Das hat sie dann auch gemacht. "Für fünf Minuten", sagt Werner Busch und lacht. Die Tinte war noch nicht trocken, da war die Trägerschaft an den 1993 gegründeten Förderverein übertragen.
Seitdem musste der Förderverein um jeden Groschen für seine ehrenamtliche Arbeit kämpfen. Inzwischen ist es besser geworden. Land, Kreis und Stadt finanzieren die halbe Stelle von Historiker Oliver Nickel, der jetzt hauptamtlicher Geschäftsführer der Dokumentationsstätte ist und als solcher am 6. Mai die Ehre hat, den Bundespräsidenten durch die Ausstellung führen zu dürfen.
Nickel hatte 2008 von Werner Busch das Amt des Vorsitzenden des Fördervereins übernommen. Heute ist Manfred Büngener Vorsitzender.
2006 wurde Werner Busch auch für sein Engagement für die Dokumentationsstätte das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Am 6. Mai sollte er es tragen. Wenn er den Bundespräsidenten trifft.
Info / Zum Kriegsende
Das Forum Russische Kultur wird zusammen mit der Deutsch-Russischen Gesellschaft am 9. Mai einen Kranz auf dem Ehrenfriedhof niederlegen.
Der Stalag-Überlebende Lev Frankfurt spricht am 7. und am 8. Mai mit Gymnasiasten und Realschülern.
Bildunterschrift: Starkes Team: "Es hat sich gelohnt, besonders für die Menschen", sagt Erika Busch über die Arbeit ihres Mannes Werner, der vielen Angehörigen von sowjetischen Kriegsgefangenen helfen konnte.
big@nw.de
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