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Höxtersche Zeitung / Westfalen-Blatt , 15.04.2015 :

Neue Unterkunft soll kleiner ausfallen / Stadt stellt Pläne für Flüchtlingsheim vor - Anwohner besorgt über Anzahl von maximal 132 Bewohnern

Von Silvia Schonheim

Brakel (WB). Emotional und teils sehr aufgeladen ist die Stimmung bei der Einwohnerversammlung zum Bau einer neuen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber in Brakel gewesen. Mehr als 120 Bürger diskutierten mit den Verantwortlichen der Verwaltung, Architektin Ines Koßmann und einigen Ratsmitgliedern über die vorgestellten Pläne.

Ängste vor der Entstehung eines sozialen Brennpunktes kamen am Montagabend genauso zum Ausdruck wie Kritik an der Anzahl von bis zu 132 Bewohnern in der neuen Unterkunft zwischen Feuerwehrgerätehaus und DLRG-Vereinsheim. Bürgermeister Hermann Temme versicherte den Bürgern, ihre Sorgen Ernst zu nehmen: "Die Hinweise, die Sie uns in dieser Versammlung geben, fließen in die Entscheidungsfindung mit ein. Wir sind zum Dialog bereit." Eine Botschaft, die Hermann Temme an diesem Abend mitnahm, war der Wunsch der Bürger, die Zahl der Bewohner zu begrenzen.

Der Bürgermeister betonte, dass alles dafür getan werde, dass nicht 132 Menschen in der neuen Unterkunft leben werden. "Unser oberstes Ziel ist die dezentrale Unterbringung, so wie jetzt in Istrup in einem Gebäude der Kolping und demnächst im ehemaligen Kindergarten in Gehrden", erklärte Temme. Er rief dazu auf, in Frage kommende Liegenschaften zu melden. Die dezentrale Unterbringung sei allerdings keine Lösung für alle Flüchtlinge. Alleine im Jahr 2015 rechne er mit bis zu 90 weiteren Personen, die der Stadt zugewiesen werden. Die Gemeinschaftsunterkunft in der "Brakeler Märsch" werde Ende dieses Monats belegt sein. Die Zeit dränge also.

Der Rat der Stadt hat sich am 26. März mehrheitlich für den Standort zwischen dem Feuerwehrgerätehaus und dem DLRG-Vereinsheim ausgesprochen. Der vorherige Beschluss, das neue Flüchtlingsheim im Industriegebiet "Rieseler Feld" zu errichten, wurde aufgehoben, da dort Zusatzkosten für Lärmschutzmaßnahmen von mindestens 103.000 Euro entstanden wären.

Lärmschutz

Die Anwohner, die bei der Versammlung in der Stadthalle vertreten waren, fragten, wer für ihren Lärmschutz sorge. Bauamtsleiter Johannes Groppe erläuterte: "Wir haben die Pläne mit dem Kreis Höxter besprochen. Zwischen der Gemeinschaftsfläche, auf der das Wohnheim entstehen soll, und der angrenzenden Wohnbebauung gibt es keine Schutzbedürftigkeit." Da auf beiden Seiten gewohnt werde, sei ein Lärmschutzgutachten nicht erforderlich.

Standortdebatte

Obwohl die Standortfrage bei der Einwohnerversammlung nicht mehr zur Debatte stand, hinterfragten einige Anwohner diese Entscheidung und brachten erneut bereits diskutierte Standorte wie das "Rieseler Feld" oder den Bökendorfer Grund ins Spiel. CDU-Ratsherr Uwe Oeynhausen entgegnete, dass sich der Rat diese Entscheidung nicht leicht gemacht habe: "Wir mussten viele Facetten berücksichtigen und haben alle in Frage kommenden Standorte hartnäckig diskutiert. Die hier vorgetragenen Alternativen werden aus Unwissenheit vorgeschlagen." Er versicherte, dass der Vorschlag, die Belegung zu begrenzen, genauso in die Beratungen seiner Fraktion einfließen werden wie der Wunsch, die Gebäudemodule im Gelände tiefer zu legen.

Gesamtkonzept

Weitere Kritik äußerte Anwohner Michael Seibert: "Hat schon mal jemand den Wertverlust ermittelt, den die anliegenden Hauseigentümer erleiden? Ich vermisse auch ein Gesamtkonzept." Norbert Loermann (Fachbereichsleiter Soziales) konterte: "Es gibt seit Jahren eine funktionierende Ordnungspartnerschaft. Des Weiteren soll zusätzlich zur Migrationsberatung des Kreises eine Sozialarbeiterstelle besetzt werden, wenn der Rat das so entscheidet. Zudem soll ein Hauswart eingestellt werden, der Ansprechpartner für die Bewohner ist." Grünen-Ratsfrau Ulrike Hogrebe-Oehlschläger pflichtete Loermann bei: "Seit September wird intensiv an dem Konzept gearbeitet. Wir möchten für alle die beste Lösung."

Baupläne

Architektin Ines Koßmann erläuterte die Pläne zum Bau der Asylbewerberunterkunft: "Da der Feuerwehr-Bedarfsplan in Zukunft eventuell eine Erweiterung am Gerätehaus in Brakel vorsieht, muss der Baukörper der Unterkunft weiter Richtung Osten geschoben werden." Der Abstand zum DLRG-Heim betrage nach neuesten Plänen dann 4,50 Meter statt zuvor zwölf Meter. Drei Bauabschnitte seien geplant, der erste und zweite für jeweils 52 Personen, der dritte für 28.

Ratssitzung

Ob diese Maximalzahl von 132 Bewohnern jemals an dem Standort untergebracht werden kann, entscheidet am Dienstag, 21. April, der Rat der Stadt Brakel in einer Sondersitzung. Diese beginnt um 18 Uhr im Sitzungssaal "Alte Waage". Die Anregung der Bürger, weniger Flüchtlinge und Asylbewerber, unterzubringen, werden die Ratsfraktionen in den Tagen vor der Sitzung beraten müssen.

Kommentar

Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine kommunale und humanitäre Pflichtaufgabe. Die laufenden Kosten für die Unterbringung und Verpflegung dieser in Not geratenen Menschen müssen die Kommunen übernehmen. Dies kostet die Stadt Brakel alleine in 2015 1.180.000 Euro - ohne den Neubau des Wohnheims. Das Land und der Bund erstatten derzeit lediglich 318.000 Euro. Bleiben eigene Finanzmittel in Höhe von 862.000 Euro. Hinzu kommt der Bau des neuen Flüchtlingsheims, den die Stadt Brakel für etwa 1,1 Millionen Euro finanzieren muss.

Doch eine Wahl bleibt den Verantwortlichen nicht. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die Kapazitäten in der bestehenden Unterkunft sind erschöpft.

Die Sorge der Anwohner auf Grund der großen Anzahl von Menschen, die im neuen Flüchtlingsheim untergebracht werden sollen, ist nachvollziehbar. Denn überall dort, wo Menschen - egal welcher Nationalität - so geballt aufeinander treffen, kommt es zu Konflikten. Aber dennoch: Entscheidet der Rat der Stadt sich, die Anzahl der Bewohner auf 100 oder gar 50 zu begrenzen, muss vermutlich bald wieder über einen Neubau nachgedacht werden. Denn niemand kann vorhersagen, wie viele Menschen zukünftig in Deutschland Schutz suchen.

Silvia Schonheim

Bildunterschrift: CDU-Ratsherr Uwe Oeynhausen hat auf die Kritik reagiert, die Anwohner an der Standortwahl für das neue Flüchtlingsheim geäußert haben. Der Rat habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht: "Wir mussten viele Facetten berücksichtigen und haben alle in Frage kommenden Standorte hartnäckig diskutiert. Die hier vorgetragenen Alternativen werden aus Unwissenheit vorgeschlagen."

Bildunterschrift: Architektin Ines Koßmann hat die Pläne für den Bau der neuen Flüchtlingsunterkunft in Brakel vorgestellt.

Bildunterschrift: Bürgermeister Hermann Temme betonte, dass die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern die erste Option sei: "Dies ist allerdings keine Lösung für alle." Alleine im Jahr 2015 rechnet er mit bis zu 90 weiteren Personen, die der Stadt zugewiesen werden.


hoexter@westfalen-blatt.de

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