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junge Welt , 28.12.2004 :

Weihnachten kamen die Hausbesetzer / Osnabrück: Seit Jahren Kampf um Jugendzentrum

In Osnabrück haben Aktivisten der linken Szene am zweiten Weihnachtsfeiertag das Haus Bruchstraße 18 besetzt. Das Gebäude in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs befindet sich im Besitz der Stadt und soll in wenigen Tagen abgerissen werden. "Wir begreifen die Besetzung als eine Art Dauerdemo für ein autonomes Zentrum", erläuterte die Sprecherin der Gruppe, Hildegard Winkler, die Aktion am Montag gegenüber jW. In der niedersächsischen Stadt fehle es seit Jahren an selbstverwalteten Räumen für politische Arbeit und alternative Kulturangebote. Die Polizei nahm die Besetzung zunächst hin.

Die Auseinandersetzung um ein autonomes Zentrum schwelt in Osnabrück seit Jahren. Nach einer Hausbesetzung im Mai 2002 hatte die Stadt zunächst einen Wagenplatz bereitgestellt, der jedoch nach rund zwei Jahren am 15. November geräumt wurde. Auch für die Szene war das dort errichtete Zirkuszelt nur eine Übergangslösung. Am 3. Oktober hatte sie deshalb bereits ein neues Objekt ins Visier genommen und besetzt. Ohne Erfolg. Die Polizei reagierte mit einer rigorosen Räumung. Seither laufen etliche Verfahren wegen Hausfriedensbruch gegen die Aktivisten. Einen Stamm von rund 150 Jugendlichen hatte die Gruppe während ihrer Zeit auf dem Wagenplatz mit ihren Kultur- und Politikangeboten erreichen können. Mehr als die meisten städtischen Jugendeinrichtungen. Dem Stadtrat imponiert das jedoch nicht. Die regierende Mehrheit aus CDU und FDP blockiert die Pläne für ein autonomes Zentrum seit Jahren beharrlich.

Dem Datum angemessen veranstalteten die Besetzer im neuen Haus als erstes einen Weihnachtsgeschenke-Umsonst-Umtausch-Flohmarkt und ein großes Resteessen. Am Montag fand zudem ein Infocafé über Stand und Zukunft des Projekts statt. Zeitgleich verhandelten die Verantwortlichen der Stadt mit der Hausverwaltung Baubecon über die nächsten Schritte. Die Beratungen waren bei Redaktionsschluss noch nicht beendet. "Wegen des bereits feststehenden Abrisstermins glauben wir nicht, dass wir drinnenbleiben können", sagte Winkler, "aber wir wollen zeigen, dass wir es mit unserem Projekt ernst meinen".


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