Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
16.12.2004 :
Ausländeramt weist Kritik zurück / Nach der Selbstverletzung eines jungen Kongolesen
Von Hans-Hermann Igges
Paderborn. Michael Kriesten, Leiter des Ausländeramtes der Stadt Paderborn, wies am Dienstag Abend vor dem Sozialausschuss des Stadtrates den Vorwurf der bündnisgrünen Ratsfrau Sigrid Beer zurück, man sei im Fall des 18-jährigen Kongolesen, der sich am 11. Oktober beim Versuch ihn abzuschieben, eine Büroschere in den Bauch stieß, unsensibel und unprofessionell vorgegangen.
Die Ausländerbehörde der Stadt, so Kriesten, sei im Fall von Menschen, deren Asylantrag rechtsgültig abgelehnt sei, zur Ausweisung verpflichtet. Dabei gebe es keinen eigenen Ermessensspielraum. Der junge Mann aus dem Kongo sei bereits im Mai zur Abschiebung vorgesehen gewesen. Diese sei damals storniert worden, weil zwei Atteste vorgelegt wurden, die eine Suizidgefährdung nahe legten. Im September habe eine Untersuchung des 18-Jährigen die Flugtauglichkeit sowie keine akute Selbstmordgefährdung ergeben.
Man habe sich dann entschlossen, den Mann lieber anlässlich eines Termines im Ausländeramt festnehmen zu lassen als in der betreuenden Einrichtung, dem Borchener Vincenzheim. Kriesten: "Das hätte zuviel Polizei-Aufwand bedeutet."
Als der Kongolese in seinem Büro, so Kiersten, von der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung erfahren habe, sei es "natürlich zu einigen Emotionen gekommen." Nachdem sich der 18-Jährige die Büroschere vom Tisch gegriffen und in den eigenen Bauch gestoßen habe, hätten ihm die anwesenden Polizisten "zur eigenen und zur Sicherung anderer" Handschellen angelegt. Er selbst, so Kiersten, habe die blutende "nicht sehr große" Wunde abgedrückt, bis der Notarzt kam.
"Partnerschaftliches Vorgehen" für die Zukunft vereinbart
Sigrid Beer hatte in ihrer Anfrage Bezug genommen auf die traumatischen Vorbelastungen des Kongolesen, dessen Eltern dort ermordet worden seien und der mit 13 für drei Jahre inhaftiert worden sei.
"Kritische Nachfragen legen die Vermutung nahe, dass den Warnungen der betreuenden Menschen in seriösen Organisationen nicht geglaubt wird, die auch in diesem Fall auf schwerwiegende Traumata und eine Suizidgefahr immer wieder hingewiesen haben," so Beer, die auch Zweifel an der Kompetenz des von der Behörde bestellten Gutachters vom September äußerte.
Der Gutachter sei Leiter einer Klinik und ihm empfohlen worden, so Kiersten dazu. Zum besseren Umgang speziell mit traumatisierten Flüchtlingen kümmere man sich nun um ein Seminar für die Mitarbeiter. Als weitere Konsequenz aus dem Vorfall seien alle Scheren und andere Gegenstände, die als Waffe dienen könnten, von den Schreibtischen verbannt. Man überlege sich zudem weitere Sicherheitsmaßnahmen auch baulicher Art - nicht zuletzt zum eigenen Schutz. Schließlich seien die Mitarbeiter nicht selten verbalen Drohungen ausgesetzt. Kriesten an die Adresse der Betreuungseinrichtungen von abgelehnten Asylbewerbern: "Wir erwarten aber auch, dass diese Menschen dort entsprechend beraten werden und nicht vor allem versucht wird, ihren Aufenthalt zu verlängern."
Im konkreten Streitfall sei für die Zukunft "ein partnerschaftliches Vorgehen" vereinbart worden.
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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