Schaumburger Nachrichten Online ,
15.12.2014 :
Amtsgericht verurteilt Teilnehmer an Sitzblockade / Geldstrafe fürs Wackeln
15.12.2014 - 19.01 Uhr
"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" lautet eine Volksweisheit. Ähnlich verhält es sich bei Fällen, die zwar aus einer vermeintlich "richtigen" Motivation entstehen, aber eben doch gegen geltendes Recht verstoßen.
Bad Nenndorf / Stadthagen. So auch beim Verfahren gegen einen Bremer, der sich vor dem Amtsgericht Stadthagen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung und eines Verstoßes gegen das Versammlungsrecht verantworten musste.
Der 29-Jährige hatte 2013 in Bad Nenndorf bei der Demo gegen den Nazi-Aufmarsch mitgewirkt. Der Protestzug kam gegen 14 Uhr am Wincklerbad an und sollte nach einer Kundgebung weiterziehen. Das Konzept der Verwaltung sah vor, dass die Neonazis zwei Stunden später denselben Ort passieren. Doch etwa 640 Menschen starteten eine Sitzblockade.
Nachdem die Polizei mehrfach darum gebeten hatte, den Platz zu räumen, mussten die Beamten "entsprechende Maßnahmen ergreifen und die Blockierenden wegtragen", erklärte Staatsanwalt Nils-Holger Dreißig. Dabei habe der Angeklagte durch "mehrfaches Hin- und Herwenden erheblichen Widerstand geleistet". Gegen den anschließenden Strafbefehl (30 Tagessätze à zehn Euro) hat der Bremer Widerspruch eingelegt.
Verteidiger Gabriel Goritzka erklärte, dass sein Mandat zwar vor Ort war und von der Polizei weggetragen wurde, er habe allerdings keine Widerstandshandlung durchgeführt. Der Anwalt wies daraufhin, dass vergleichbare Verfahren eingestellt worden seien. Für Richter Kai Oliver Stumpe war aber die Frage nach dem geleisteten Widerstand "das Zünglein an der Waage". Der Angeklagte selbst wollte sich nicht äußern.
Nach der Befragung von Polizisten, die in den Vorfall involviert waren, sah es Staatsanwalt Dreißig als erwiesen an, dass sich der 29-Jährige "durch gezieltes Wackeln" den Beamten widersetzte. Sein Gegenüber Goritzka bewertete die Sachlage anders: "Der Vorwurf, dass der Angeklagte den Widerstand durch seine körperliche Haltung verstärkte, ist absurd." Vielmehr habe sich der Bremer, der seine Knie anwinkelte und seine Arme in deren Kehlen verschränkte, "wie ein Päckchen" tragen lassen. Es könne nicht sein, dass mangelnde Kenntnisse der Beamten beim Wegtragen dem Angeklagten zu Last gelegt werden.
Richter Stumpe war anderer Ansicht. "Das Handeln des Angeklagten verfolgte per se kein schlechtes Ziel, aber es ist eben verboten, in das Versammlungsrecht anderer einzugreifen", sagte er. Damit sei der Tatbestand der Nötigung und der Verstoß gegen das Versammlungsrecht erfüllt. Der grundlegende Unterschied zu anderen Fällen liege darin, dass der Angeklagte laut Polizeiaussagen versucht hatte, sich während des Tragens zu befreien. "Damit hat er die strafrechtliche Grenze zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überschritten", erklärte der Richter. Er verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 15 Euro.
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Schaumburger Nachrichten Online, 03.08.2013:
Aufmarsch am Wincklerbad / Nazis sagen "Trauer" ab
03.08.2013 - 20.04 Uhr
Nur 286 Teilnehmer am Nazi-Aufmarsch zum Wincklerbad - zahlenmäßig eine erneute Schlappe für die Neonazis. Zudem fiel das Benehmen der Aufmarsch-Teilnehmer anders aus als in den Jahren zuvor. Vom einstigen Kodex, sich in Bad Nenndorf anständig aufzuführen, hielten manche Neonazis diesmal offenkundig nicht viel.
Bad Nenndorf. Als die Rechtsextremen vor dem Kontrollzelt am Bahnhof warteten, eskalierte die Situation beinahe, als ein tätowierter, stiernackiger Mann seine Wut über die umherstehenden Fotografen nicht mehr bändigen konnte, mehrfach auf die Absperrung stieg, die die Neonazis von den Schaulustigen und den Journalisten trennte, und lauthals androhte, in Kürze Prügel zu verteilen.
Die fotografierenden Journalisten lachten den Mann noch aus. Als es schließlich aber zu einer Rangelei zwischen Neonazis kam, die sich zu dem Zeitpunkt hinter den Fotografen befanden, wurde es kurzzeitig hektisch. Die Polizei zog ihre Kräfte an der Stelle zusammen und beruhigte die Situation. Zuvor hatten auch einige Rechte den Hitzkopf bereits ermahnt, die Ruhe zu bewahren.
Die Stimmung blieb aufgeheizt. Fotografen bekamen reihenweise Schimpfwörter zu hören, ein der linken Szene zuzurechnender Fotograf musste gar einen leichten Faustschlag in die Magengegend einstecken, worauf dieser sich bei der Polizei beschwerte. In einer anderen Situation griff ein Nazi nach der Kamera eines Journalisten.
Nachdem sich danach alle Rechten um den Kundgebungswagen versammelt hatten, gab der Versammlungsleiter bekannt, dass es um 15.30 Uhr losgehen sollte mit dem Aufmarsch zum Wincklerbad. Die von dem Nazi-Sprecher vorgeschlagene Pinkelpause nahm sich eine erkleckliche Zahl der Angereisten tatsächlich und stellte sich artig an den dafür aufgebauten Toilettenhäuschen auf.
Um 15.50 Uhr begann die Auftaktkundgebung unter anderem mit Rednern aus Großbritannien, dann setzte sich das Pulk gegen 16 Uhr unter monotonem Trommeln in Bewegung, ließ eine Zwischenkundgebung ausfallen und musste um kurz nach 16.30 Uhr vor dem Kurhaus erneut stoppen, weil der Platz vorm Wincklerbad doch noch nicht frei war.
Erst nach 18 Uhr durften die Rechten dann weiter in die Poststraße vorrücken, der Platz, zu dem sei eigentlich wollten, blieb aber in der Hand der Blockierer. Nach mehreren Durchhalteparolen sagte der Veranstaltungsleiter um 19.15 Uhr durch, dass eine "Trauer"-Zeremonie unter den Umständen keinen Sinn macht. Den Blockierern und sogar den Politikern, die sich mit der Gegen-Demo solidarisiert hatten, wünschte der Neonazi-Sprecher "den Knüppel".
Nach Vorwürfen an die Polizei, sie wollte den Platz vorm Wincklerbad gar nicht räumen, gab er dann das Signal zum Rückmarsch. Unter lauten Nazi-Parolen - ein Novum in Bad Nenndorf - wie der Versammlungsleiter betonte.
Bildunterschrift: Ein Neonazis steigt auf die Absperrgitter und bedroht Fotografen.
sn@madsack.de
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