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Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische , 11.12.2004 :

Mut sprengt Fesseln / Theaterstück über Dietrich Bonhoeffer in Nettelstedt

Lübbecke-Nettelstedt (ar). Er war mutig, geistreich und glaubte mit aller Kraft an die Freiheit. Am 9. April 1945 starb Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg. Das Urteil: Wehrkraftzersetzung. Der Arbeitskreis Kirche und Theater zeigte am Mittwochabend im Gemeindehaus Nettelstedt Szenen aus dem Leben des Theologen und Widerstandskämpfers.

Die Bühne liegt im Dunklen. Nur ein Scheinwerfer fällt fahl auf das Gesicht Bonhoeffers, gespielt von Theodor Werner Storm. Er trägt ein graues Häftlingshemd. Sein Blick ist nach unten gerichtet. Stille. Es ist die letzte Nacht vor seinem Tod. In seiner Gefängniszelle ist es kalt. Bonhoeffer zittert.

Der Scheinwerfer erlischt. Zwei Meter weiter links fällt der Lichtkegel auf seine Mutter, gespielt von Lieselotte Oncken: "Wie mag seine letzte Nacht gewesen sein. War sie voller Licht? - Oder Dunkelheit? Eins weiß ich gewiss, Mut hatte er immer." Paula Bonhoeffer bleiben nur die Erinnerungen an ihren Sohn. Briefe und Gedichte, die sie in einer kleinen Holzkiste aufbewahrt. "Die Nacht von Flossenbürg" ist kein biographisches Theaterstück über Bonhoeffer. Karlheinz Komm, Regisseur und Autor des Stückes, hat einen fiktiven Bericht über die Todesnacht des Theologen geschrieben, von der nichts Genaues bekannt ist.

"Und wenn diese Tat zum Tode führt, werde ich sie trotzdem tun."

Komm lässt zwei konträre Charaktere aufeinander treffen. Der eine ist der Gläubige, der für seine Weltanschauung kämpft und den Tod in Kauf nimmt. Ihm gegenüber steht der Wärter im langen, schwarzen Ledermantel, gespielt von Jürgen Moritz. Ein Regime-Anhänger, "der zu feige ist, sich für die Front zu melden". Einer, der sich hinter seiner Büroarbeit verkriecht und wegsieht, wenn unschuldige Menschen sterben.

Das Theaterstück beleuchtet diese Männer. Vertreter zweier Charaktertypen - den Mitläufer und den Mutigen. Wärter: "Warum sind sie hier." Bonhoeffer: "Ich habe Menschen unterstützt, die Hitler töten wollten." Wärter: "Würden sie wieder so handeln?" Es dauert einen Moment bis Bonhoeffer antwortet. Er erhebt sich, spricht direkt zum Publikum: "Ja, ich würde wieder schuldig werden müssen. Und wenn diese Tat zum Tode führt, werde ich sie dennoch tun. Weil sie getan werden muss."

So könnte der Theologe tatsächlich geantwortet haben, hätte ihm jemand diese Frage gestellt. Gewiss ist, dass Bonhoeffer nicht mit seinem Schicksal gehadert hat. Der Lagerarzt berichtete später: "Ich habe noch nie einen Menschen so Gott ergeben sterben sehen." Bonhoeffer trat für das ein, woran an glaubte: Freiheit und Gerechtigkeit. Er war Mitbegründer "Der Bekennenden Kirche", die den Nazis den Gehorsam verweigerte, und half mit seinen Kontakten zu hohen Beamten den Attentätern vom 20. Juli 1944.

Das Theaterstück bleibt seinem Charakter treu. Bis zum Schluss ermutigt der Theologe den Wärter dazu, seine Schuld zu bekennen. Doch der versteht nicht: "Ich bin unschuldig, lass uns fliehen, bevor es zu spät ist." Die Antwort Bonhoeffers entspricht seinem Selbstverständnis "Niemand ist unschuldig. Ich bin bereit, seien Sie es auch!" Wärter: "Zu spät, sie kommen." - So mag es gewesen sein.

11,/12.12.2004
lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de

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