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Lippische Landes-Zeitung , 10.12.2004 :

Religion politisch instrumentalisiert / Gewaltbegriff bei Christen, Juden und Muslimen

Lage-Stapelage. Religiös motivierte Gewalt taucht immer wieder in den Nachrichten auf. Die Lippische Landeskirche und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit beleuchteten den Gewaltzugang der drei Religionen Christentum, Judentum und Islam in einer Tagung. Reformen im Islam-Unterricht forderte dabei Dr. Raschid Bockemühl.

Der Dortmunder Bockemühl ist seit elf Jahren deutscher Muslim. Angesichts der vielen Selbstmordattentäter, die sich auf den Islam berufen, sei es ihm wichtig gewesen, klarzustellen, dass seine Religion friedlich sei, heißt es in einer Pressemitteilung der Landeskirche. "Der Islam wird politisch umfunktioniert und instrumentalisiert", wird er in dem Text zitiert. "Gewaltanwendung aus religiösen Gründen ist im Islam kategorisch ausgeschlossen." Dass die Menschen sich vereinnahmen lassen, liege für Bockemühl zu einem großen Teil an mangelnder religiöser Bildung: "Jugendliche", so wird er zitiert, "werden im Islam weithin einseitig und verkürzt über den Koran informiert. Die islamische Pädagogik muss reformiert werden." Der Religionsunterricht sei auf so einem katastrophalen Niveau, dass falsche Interpretationen von "irgendwelchen Mullahs" Fuß fassen könnten, "und niemand fährt ihnen in die Parade." Osama Bin Laden zum Beispiel habe seine politischen Ziele,- wie den Abzug der Amerikaner aus Saudi-Arabien-, geschickt religiös verbrämt. Dabei sei ihm der pädagogische Mangel entgegengekommen. "Wenn Sie etwas Militärisches sehen aus dem Bereich des Islam, dann prüfen Sie nach, was sind die wahren, die politischen oder ökonomischen Gründe. Die Religion wird aus Gründen der Propaganda missbraucht."

Der Zugang der Religionen zu dem Thema sei unterschiedlich. So fänden sich in der Bibel widersprechende Texte, habe Pfarrer Maik Fleck, Beauftragter der Lippischen Landeskirche für jüdisch-christliche Begegnungen, erklärt: "Es gibt Texte, die als Aufforderung zu Gewalt verstanden werden können und solche, die zu gewaltlosem Handeln herausfordern", wird Fleck zitiert. Wichtig sei, die Texte aus ihrer Zeit heraus zu betrachten.

Baruch Rabinowitz, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Wuppertal, führte in jüdische Zugänge von Gewalt und Gewaltlosigkeit ein: "Der jüdische Zugang ist davon geprägt, dass jüdischen Menschen über Jahrtausende die Möglichkeit staatlicher und gesellschaftlicher Gewalt gefehlt hat", so Rabinowitz. Jüdischer Glaube gehe davon aus, dass Gewalt zum Menschen gehöre. Die Tora gebe deswegen Hinweise, wie damit umzugehen sei.


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