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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 04.12.2004 :

Schwierige Nachbarschaft / Probleme von Ausländern und Deutschen in Gütersloh nur unter der Oberfläche

Von Carsten Heil

Gütersloh. Kein Schild weist darauf hin, dass hier ein Jugendtreff oder eine Art Café betrieben wird. Die Fenster des Flachbaues an der Gütersloher Kaiserstraße sind abgeklebt, verwehren den Blick ins Innere. Überwiegend ausländische Männer verkehren hier, trinken Tee und spielen an den Daddelautomaten. Zeichen für die in diesen Tagen viel diskutierte Parallelgesellschaft? Mitten in Gütersloh?

"Ja, das sieht wohl etwas abweisend aus", räumt Sabo Coban (34) hinter dem Tresen des Cafes ein, aber von Parallelgesellschaft in Gütersloh will der Armenier nichts wissen. In den Jugendtreff kämen oft auch Deutsche. Beim ersten Besuch blickten die zwar etwas unsicher um sich, gewöhnten sich aber schnell ein.

Während in der Politik eine intensive Debatte um Integration von Einwanderern, über deutschsprachigen Islamunterricht, Kopftücher in der Schule und Patriotismus tobt, scheint die Welt in Gütersloh in dieser Frage in Ordnung.

Wie zum Beleg hängt im Schaufenster eines türkischen Reisebüros ein Plakat mit der Ankündigung eines Shanty-Chor-Konzertes im Städtischen Gymnasium. Das signalisiert: Hier herrscht gutes Miteinander zwischen den 9.165 registrierten Ausländern und den Deutschen. Die größte Gruppe – von den britischen Streitkräften abgesehen – stellen die Türken mit 2.131 Bürgern. Aber auch Griechen (1.558), Polen (797) und Serben und Montenegriner (732) sind stark vertreten. Aus insgesamt 109 Staaten stammen Güterslohs Ausländer.

"Eine Teestube, in der nur Türken verkehren, ist keine Abgrenzung und kein Zeichen für mangelnde Integration. Das ist nicht das Problem", sagt Nawal El-Banna. Sie ist Mitglied des Islamischen Zentrums Gütersloh und sieht das Zusammenleben in der Stadt differenziert. "Es ist nötig, dass die Ausländer mehr tun und Engagement zeigen. Ich hoffe, dass sich die nächste Generation mehr als deutsche Muslime versteht." Sie selbst bekennt sich auch optisch zu ihrem Glauben: Außer Haus trägt sie ein Kopftuch. "Damit hatte ich in der Stadt noch nie Probleme", sagt sie.

Natürlich ist Gütersloh nicht mit Berlin oder Köln zu vergleichen. Es gibt hier kein Stadtviertel, in dem man klar kommt, ohne die deutsche Sprache zu beherrschen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington wurde ein christlich-islamischer Gesprächskreis gegründet. Die Polizei meldet keine besonderen Vorkommnisse im Umfeld der drei Gütersloher Moscheen. An gutem Willen mangelt es nicht.

Gleichwohl macht man sich im Rathaus Gedanken. Dass die Beteiligung an der Wahl des Rates für Integration auf 7,13 Prozent gesunken ist (von 13,5 Prozent vor fünf Jahren), enttäuscht den Ausländerbeauftragten Eckhard Sander: "Das ist ein Einbruch." Er beobachtet, dass viele Ausländer nicht mehr so gut Deutsch sprechen können, was auch am Empfang von Satelliten-Fernsehprogrammen aus der Heimat liegt. Sander: "Das schafft keine Parallelgesellschaft, stärkt aber die Bindung an das Herkunftsland." Viele Zuwanderer müssten an ihren Deutschkenntnissen arbeiten.

Dabei hat das Interesse an Sprach- und Integrationskursen zugenommen. Birgit Osterwald berichtet davon, dass die Volkshochschule sogar ihr Kursangebot "Deutsch" ausdehnen musste. Die Leiterin der VHS bietet drei Intensivkurse parallel an. "Wir stellen fest, dass das Problem Lesen und Schreiben ausgeprägter ist als früher." Ihre Schüler haben entsprechend kaum Kontakt zu Deutschen. Obwohl sie sich durchaus auf Deutsch verständigen können. "Wir denken eben anders", sagt Jekaterina Pranaityte aus Litauen.

Es bleibt Fremdes. "Es gibt zwar keine offensichtlichen Probleme zwischen Deutschen und Ausländern in Gütersloh, aber für Muslime hat die Integration natürlich Grenzen", sagt Adnan Genc, der für die Gemeinsame Türkische Vereinsliste im Integrationsrat sitzt. Wo die Grenzen liegen, sagt er nicht.

Für manche liegt sie schon an der Frage, ob muslimische Frauen ein Kopftuch tragen. "Das Kopftuch ist eine Diskussion der Erwachsenen, nicht der Schülerinnen und Schüler", hat Meinhard Dopheide festgestellt. Als Schulleiter der Hauptschule Nord hat er täglich mit Schülern aus 20 Nationen zu tun. Die Hälfte der 420 Kinder seiner Schule stammen aus dem Ausland. Die sieben Mädchen mit Kopftuch würden von den Mitschülern nicht verspottet, sondern akzeptiert.

Auseinandersetzung zwischen deutschen und türkischen Schülern sind ihm nicht bekannt. Dafür ist Arbeit nötig. Bei der Zusammenstellung der Klassen muss Dopheide darauf achten, dass nicht zu viele Kinder einer Nationalität zusammensitzen.

04./05.12.2004
lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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