Neue Osnabrücker Zeitung ,
26.04.2002 :
Jugendzentrum abgelehnt - Ratssitzungssaal besetzt / Ausschusssitzung abgebrochen - Turbulente Diskussionen
Von Ulrike Schmidt
Mit der Besetzung des Ratssitzungssaals haben 20 junge Leute gestern um 18.30 Uhr die Sitzung des Jugendhilfeausschusses gesprengt. Die Gruppe protestierte damit gegen die Ablehnung eines Autononem Jugendzentrums (AJZ). Nach zum Teil turbulenten Diskussionen wurde den Jugendlichen eine Fortsetzung des Dialogs zugesagt.
Die Jugendlichen hatten zuvor an der Ausschuss-Sitzung teilgenommen, bei der über das AJZ beraten wurde. Ein Gebäude für diesen Zweck sei nicht vorhanden, zudem fehle das Geld, hieß es unter anderem von Ratsfrau, Katharina Schlattner (CDU) und Ratsherr Dr. Bernhard Karrenbrock (FDP). Ratsherr Uli Sommer (SPD) und Ratsfrau Heidelinde Lugert (Grüne) hielten dagegen, dass das Konzept der jungen Leute inhaltlich überzeugend sei und deshalb die Verwaltung zunächst die Kosten ermitteln solle, um dann zu entscheiden. Es sei unfair, der Gruppe falsche Hoffnungen zu machen, erklärte die Mehrheitsgruppe und lehnte das AJZ ab.
Mit dem Spruch "Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage" zogen die Jugendlichen ab, um keine zwei Stunden später wieder einzuziehen - mit Schlafsäcken, Kochplatte, Hund, lauter Musik und der Ankündigung, der Ratssitzungssaal sei besetzt.
Die Ausschussmitglieder zogen sich zur Beratung in den Vorraum zurück. Einig waren sie sich nur darin, dass die Besetzung ohne polizeilichen Einsatz beendet werden sollte. Über das weitere Vorgehen gab es jedoch große Differenzen. Kritik kam von den hinzugewählten Mitgliedern, die bei zu vorherigen Gesprächen mit den Jugendlichen, die im Sommer vergangenen Jahres schon einmal ein Haus an der Gesmolder Straße besetzt hatten, nicht eingeladen worden waren.
"Wir sitzen hier, weil wir uns nicht länger vergackeiern lassen wollen", sagte eine Sprecherin der AJZ-Anhänger. Verschaukelt fühlten sie sich unter anderem deshalb, weil ihr Konzept der Selbstfinanzierung einfach ignoriert werde. Eine Unterschriftensammlung mit 1.050 Unterstützern werde ebenso missachtet wie die große Beteiligung an einem Straßenfest.
Ein Raum im Haus der Jugend, wie er angeboten worden sei, stehe der autonomen Idee diametral entgegen. Ihre Vorstellung sei ein "Ort, der Platz bietet zum Wohnen und Arbeiten, Anlaufstelle für Austauschwillige sowohl auf politischer als auch auf kreativer Ebene, und Freiraum für Projekte aller Art bietet". Ein Raum sei zu wenig, "das wäre so, als müsste der Jugendhilfeausschuss in einer öffentlichen Toilette tagen".
Pastor mit einem Besetzer verwechselt
Die Finanzfrage werde nur vorgeschoben, argwöhnten die Jugendlichen. Es wäre schon ein Zeichen des Interesses, wenn der Ausschuss einmal nach Bielefeld oder Oldenburg reisen würde, um sich vor Ort ein funktionierendes "ach so autonomes" Zentrum anzusehen und bei der Gelegenheit mit dem dortigen Jugendhilfeausschuss auszutauschen. Diesen Vorschlag unterstützte auch Pastor Hartmut Marks von der Born, hinzugewähltes Mitglied, der in seinem buntkarierten Baumwollhemd bei Ratsherr Hans-Günter Kruppa kurzfristig für Irritationen sorgte: Er hielt den Pastor für einen Besetzer.
Nach Rücksprache mit den CDU-/FDP-Mitgliedern bot Ausschussvorsitzender Franz-Josef Schwack (CDU) den Jugendlichen schließlich an, innerhalb der nächsten 14 Tage mit jeweils bis zu acht Vertretern von Seiten des Ausschusses und der Jugendlichen das Gespräch fortzusetzen. Gegen 20 Uhr verließen die Jugendlichen das Rathaus.
f.wiebrock@neue-oz.de
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