Antifa-West ,
01.12.2004 :
Wehrsportgruppe mit Tradition
Ende November 2004 stellte die Polizei bei mehreren Neonazis in Ostwestfalen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Waffen sicher. Darunter waren auch zwei Maschinengewehre, die bei Neonazis aus Bad Oeynhausen und Bielefeld lagerten. Wehrsportgruppen der regionalen Neonaziszene machten damit nicht zum ersten mal Schlagzeilen. Ein Blick zurück verweist auf eine kontinuierliche Organisation von Kampfgruppen.
Am 26. November 2004 durchsuchte die Polizei gleich mehrere Wohnungen von Neonazis in Ostwestfalen. Bei einem 48-Jährigen in Minden fand sie 2,5 kg Schwarzpulver, bei dem 31-jährigen Peter Schulz und einem 20-jährigen Komplizen aus Bad Oeynhausen neben anderen Waffen auch ein Maschinengewehr. Ein weiteres Maschinengewehr sowie ein Magnum-Revolver samt Munition wurde in der Wohnung eines 38-jährigen Bielefelders aufgefunden. Alle waren Mitglieder des "Europäischen Darstellungsvereins für lebendige Geschichte" (EDLG), dem nach Aussagen der Polizei rund 80 Personen angehören. 30 davon werden der extremen Rechten zugeordnet. Der nicht eingetragene Verein stellt in Tschechien und Slowakei Kriegsschlachten der Waffen-SS nach und hat sich besonders die "Leibstandarte Adolf Hitler" zum Vorbild genommen. Entsprechende Uniformen sollen in einer Immobilie in Tschechien lagern, deren Eigentümer Schulz ist. Nach Angaben der "Neuen Westfälischen" sollen die Neonazis aus Bad Oeynhausen ideologisch der Gruppe um Horst Mahler nahestehen und in der Vergangenheit das Nazi-Schulungszentrum "Collegium Humanum" in Vlotho besucht haben.
"Dreifach donnerndes Sieg Heil!“
Peter Schulz ist in Ostwestfalen nicht unbekannt. 1992 war er stellvertretender Kreisvorsitzender der "Republikaner" in Herford. Im gleichen Jahr wurden in seiner Wohnung Waffen, Munition sowie neonazistisches Propagandamaterial der NSDAP/AO und der "Nationalistischen Front" gefunden. 1992 gründete er auch die Wehrsportgruppe "Heimatschutzkorps Ostwestfalen", die sich im internen Sprachgebrauch "Leibstandarte Adolf Hitler" nannte. Die Organisation war Bestandteil eines bundesweiten Netzwerkes ähnlicher Gruppen, die alle von der NSDAP/AO aus den USA angeleitet wurden. Anweisungen gab es über die Art der zu absolvierenden Übungen, Uniformierung und Ausrüstung. Alle Gruppen, so eine der Direktiven, sollten etwa einheitliche hablbautomatische Waffen tragen, um die Kampfkraft zu erhöhen. Ziel war die "Heranbildung eines geeigneten Werwolfkaders". Mehrere Hausdurchsuchungen und umfangreiche Waffenfunde bei den mindestens 13 Mitgliedern aus der Region setzten der Truppe 1995 ein vorläufiges Ende. Als Rädelsführer galt damals der heute 38-jährige Manuel Haberhauer aus Brackwede, Kommandeur war jedoch Schulz. Auch Haberhauer war kein unpolitischer Waffennarr. Nach einem Bericht der Zeitschrift "Schlag Nach" war er 1983 Bielefelder Kameradschaftsführer der im selben Jahr verbotenen Neonaziorganisation "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA). Die Gruppe um Haberhauer war demnach bereits Anfang der 80er Jahre durch Wehrsportübungen, Überfälle und Anschläge gegen MigrantInnen aufgefallen. Als Haberhauer beim Schmieren von Hakenkreuzen und Nazi-Parolen erwischt wurde, fand die Polizei neben umfangreichem NSDAP-Material auch einen detaillierten Plan eines "KZ für Kommunisten und Ausländer", das in der Brackweder Kanalisation angelegt werden sollte. Im Heimatschutzkorps Ostwestfalen bekleidete Haberhauer später den Posten des "Chef des 1. Sturms der Leibstandarte Adolf Hitler", eine ähnliche Gruppe in Wittenberg erinnerte er brieflich an die "Tugenden eines SS-Mannes" und grüßte sie "mit einem dreifachen donnernden Sieg Heil!".
Geringe Strafe für den V-Mann
Nicht nur der NS-Fanatismus Haberhauers ließ ihn als Rädelsführer geeignet erscheinen. Schulz musste dringend aus der Schusslinie genommen werden, denn er war nicht nur Chef der Wehrsportgruppe, sondern unter dem Decknamen "Fraga" auch V-Mann des Verfassungsschutzes. Wenn seine Angaben stimmen und er 1990 von dem Geheimdienst angeworben wurde, hatte er die Truppe sogar in dieser Funktion aufgebaut. Das Gerichtsverfahren ging für die waffentragenden Neonazis ausgesprochen glimpflich aus. War zuerst sogar vom Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung die Rede gewesen, kamen 1999 nur zwei der dreizehn bekannten Mitglieder überhaupt vor Gericht und erhielten Geldstrafen von 150 und 180 Tagessätzen.
Tarnung als Traditionsverein
Kein Wunder also, dass Schulz und seine Wehrsportgruppe nun erneut in Erscheinung getreten ist. Auch die Tarnung als militärischer Traditionsverien ist keinesfalls neu. Bereits im September 1997 sorgte das Treffen eines angeblichen "British Traditional Clubs" für Aufregung. Der Club hatte mit den Briten überhaupt nichts zu tun. Der Vorsitzende war ein zu diesem Zeitpunkt 31-jähriger Bielefelder, der bereits durch Wehrsportübungen und neonazistische Aktivitäten und Verstöße gegen das Waffen und das Kriegswaffenkontrollgesetz aufgefallen war. Auf einem Gelände mitten in Sieker hatte er mit rund 23 Personen ein Lager errichtet und war mit einem Jeep herumgefahren, auf dem eine Maschinengewehrattrappe montiert war.
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