WebWecker Bielefeld ,
30.11.2004 :
Gesundheit als Menschenrecht
Von Manfred Horn
"Gesundheit ist ein Menschenrecht." Mit diesem Motto reist Maria Hamlin Zuniga, Mitbegründerin des People’s Health Movement zur Zeit durch die Bundesrepublik. Abschluss bildet ihre Teilnahme auf einem Kongreß von medico international mit dem Titel "Armut und Gesundheit". Am Montag machte sie Station im Bielefelder Welthaus. Auf Einladung der "Buko-Pharmakampagne" kam es zu einem Austausch zwischen lokalen Trägern einer Gesundheitsversorgung von Armen und der Vertreterin der vor vier Jahren gegründeten internationalen Gesundheitsorganisation.
In Bielefeld gibt es arme Menschen, aber das Hilfenetz funktioniert hier halbwegs. So ist Bielefeld eine der wenigen Städte in Deutschland, die über eine mobile Gesundheitsversorgung gerade für Drogenabhängige und Wohnungslose verfügt. Streetmed heißt das Projekt, getragen von den von Bodelschwinghschen Anstalten. Auch gibt es den Bielefelder Tisch, der dreimal in der Woche eine Mahlzeit für Obdachlose und Arme anbietet. Die Aids-Hilfe arbeitet intensiv mit HIV-Infizierten, hilft auch denjenigen Migranten, die einen schwierigen Aufenthaltsstatus haben.
Die sind nur drei Beispiele aus einem ganzen Netzwerk von Organisationen, die mit viel Kompetenz und oft auch viel Ehrenamt und knappen Mitteln versuchen, Gesundheitsversorgung für alle, also auch für diejenigen, die einer prekären Lebenssituation am Rand der Gesellschaft stehen, zu ermöglichen. Für Zuniga, in den USA aufgewachsen und inzwischen mit Lebensmittelpunkt Nicaragua, interessante Informationen, die VertreterInnen der Bielefelder Organisationen in der gemeinsamen Runde vortrugen. Denn Zuniga ist Gründungsmitglied des People’s Health Movement (PHM) und bis heute eine Vorkämpferin für globale Gesundheitsversorung.
Ausgangspunkt für die Bewegung, der in Deutschland auch medico international und die Bielefelder Buko-Pharmakampagne angehören, waren Versprechungen aus dem Jahr 1978: Damals wurde in Alma Ata, damals noch Teil der Sowjetunion, heute in Kasachstan gelegen, von der Weltgesundheitsorganisation beschlossen, dass bis zum Jahr 2000 Gesundheit für alle kommen solle. Bis zum Jahr 2000 aber passierte global gesehen gar nichts, was auch nur als Annäherung an dieses Ziel zu interpretieren gewesen wäre. Das 1978 beschlossene umfassende sozialpolitische Programm vom bestmöglichen Zugang zu Gesundheit wurde so gut wie nirgendwo umgesetzt. Im Gegenteil: Gesundheit wird zu einer Ware, die sich immer weniger Menschen leisten können.
Nach Schätzungen des Genfer UNO-Sozialgipfels leben mittlerweile mehr als 1,2 MilliardenMenschen in absoluter Armut. Das heißt, sie müssen täglich mit weniger als einem Dollar auskommen. Die Kluft zwischen den Besitzenden und Besitzlosen wird nicht nur in Deutschland, sondern weltweit größer statt kleiner:
Im Dezember 2000 dann trafen sich in Bangladesh 1.600 Menschen, um Wege zu einer besseren Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Aus 93 Ländern waren VertreterInnen aus Gesundheitsinitiativen und Basisorganisationen angereist. Heraus kam die Gründung der PHM und die Verabschiedung einer Gesundheitscharta. "Gesundheit für Alle bedeutet, mächtige Interessen herauszufordern", heißt es da. Denn Ungleichheit, Armut, Ausbeutung, Gewalt und Ungerechtigkeit seien die Ursache von Krankheit und Tod bei denen, die in Armut leben.
PHM fordert Gesundheit nicht nur für den ganzen Globus, sie ordnet sie auch global ein. Die neoliberale Politik wird verurteilt, Privatisierungstendenzen würden den Zugang zur Gesundheitsversorgung noch mehr untergraben.
PHM fordert die Regierungen weltweit auf, den allgemeinen Zugang zu einer qualtitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung, zu Bildung und anderen sozialen Diensten sicherzustellen, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen. Die Bevölkerung solle bei der Gesundheitspolitik beteiligt werden. Aber auch traditionelle und ganzheitliche Methoden sollen daraufhin betrachtet werden, wie sie in die Basisgesundheitsversorgung integriert werden können.
Die medizinische Forschung wird aufgefordert, den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Gegenwärtig werden 70 Milliarden. Us-Dollar im Gesundheitssektor jährlich für Forschung und Entwicklung ausgegeben – nur zehn Prozent davon für Gesundheitsprobleme von 90 Prozent der Weltbevölkerung. Priorität kommt den Problemen des Übergewichts, der Schlafstörung und der Impotenz zu, nur ein Bruchteil der dafür aufgewendeten Mittel wird in die Forschungen zu Malaria, Tuberkulose oder Schlafkrankheit investiert – wenn überhaupt.
"Gesundheit ist ein Menschenrecht", dieser Forderung, deren Einlösung eigentlich , auch angesichts des globalen Reichtums, eine Selbstverständlichkeit sein sollte, steht die Realität in vielen Ländern gegenüber, dass Gesundheit zu einer Ware wird (siehe WebWecker-Artikel zu den Gesundheitskosten in Deutschland). Die PHM ruft für Juli 2005 erneut zu einer weltweiten Versammlung auf, diesmal in Cuena in Ecuador. Eingeladen sind VertreterInnen von Basisorganistionen und Gesundheitsinstitutionen. Zunigas Motto: "From vision to action" wird dort konkretere Züge annehmen.
medico international veranstaltet den Kongress "Armut und Gesundheit" in Berlin, am 3. und 4. Dezember 2004. Mehr Informationen zum Kongreß und zum Thema unter:
www.medico-international.de
People's Health Movement im Netz: www.phmovement.org
webwecker@aulbi.de
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