Neue Westfälische 12 - Bad Oeynhausen ,
14.07.2014 :
"Bloße Absichtserklärung reicht nicht" / Kreisverwaltung erkennt Fraktionen nicht an
Kreis Minden-Lübbecke (mob). Vorbei mit der Gemeinsamkeit: Der Kreis Minden-Lübbecke erkennt die neuen Kreistags-Fraktionen "FWG Mühlenkreis Piraten" und "AfD und UB-UWG" nicht an. Die sind empört.
Grund für die Aberkennung: Die verschiedenen Parteien und Wählergemeinschaften dürfen nur dann Fraktionen werden, wenn sie wirklich Gemeinsamkeiten haben. "Voraussetzung für eine Fraktionsbildung ist, dass sich die betreffenden Kreistagsmitglieder auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu einem möglichst gleichgerichteten Wirken zusammengeschlossen haben", so der Kreis in seiner Presseerklärung.
"Möglichst gleichgerichtetes Wirken"
Erst müsse "die praktische Erfahrung des Zusammenwirkens nachgewiesen werden, die bloße Absichtserklärung reicht nicht aus". Für die beiden genannten Fraktionen könne der Kreis diese gemeinsame Zusammenarbeit derzeit nicht feststellen.
"Ich sehe das ganz anders" poltert Kurt Riechmann. Der erfahrene Kreispolitiker der FWG (Freie Wählergemeinschaft Mühlenkreis, zwei Sitze) hat sich mit dem einen Piraten im Kreistag zur Drei-Sitz-Fraktion zusammen getan. "Wir haben zehn gleiche Punkte in den Parteiprogrammen - das passt einfach." Auch der Pirat Karl-Heinz Detert ist "maßlos enttäuscht, dass das so gelaufen ist".
Der Bad Oeynhausener Markus Wagner vertritt die Alternative für Deutschland AfD im Kreistag (2 Sitze) und ist mit Matthias Beier von der UB-UWG zusammen gegangen. "Ich habe da eine fundamental andere Meinung als der Kreis", sagt er. "Wir haben die Fraktion nach langen Gesprächen ins Leben gerufen und unsere Inhalte in alle Richtungen abgeklopft." Das habe der Kreis bei seiner Entscheidung nicht einmal abgefragt. "Ich habe nicht den Eindruck, dass hier gründlich geprüft wurde", sagt er. "Wir werden juristische Schritte prüfen."
Auch Riechmann will "gucken, ob es juristische Möglichkeiten gibt". Es habe in der Prüfungsphase keinerlei Nachfragen vom Kreis gegeben. So war er von der Entscheidung sehr überrascht und ist sauer, weil das Schreiben des Kreises am Freitagmittag zugestellt wurde. "Ich bin erschüttert, dass so was kommt, wenn man keinen mehr erreichen kann."
"Gemeinsamkeiten nicht gelebt"
Juristisch ist ein ähnlicher Fall erst vor kurzem beim Verwaltungsgericht (VG) Minden für Bad Salzuflen entschieden worden. "Ob es wirklich ein Zusammenschluss zu möglichst gleichgerichtetem Wirken ist, ist im Einzelfall zu prüfen", erklärt VG-Sprecherin Dr. Ute Faßnacht. Woran erkennt man dieses "gleichgerichtete Wirken"? Das kann von Fall zu Fall verschieden sein. Weitere Verfahren dieser Art liegen beim VG nicht vor.
Der Kreis Minden-Lübbecke hat für seine Entscheidung offenbar umfassend recherchiert. So wird nach Informationen dieser Zeitung Sven Brandhorst als Kreisverbandsvorsitzender der Piraten zitiert. Er habe am 26. Mai auf seiner Homepage in einem Blog geschrieben, dass er Gespräche mit der Mindener Initiative (MI) kategorisch ausschließe. Nun ist der Mindener MI-Ratsherr Karl-Ludwig Sierig auch für die FWG im Kreistag und damit in der geplanten FWG-Piraten-Fraktion. Die MI werde auf der FWG-Homepage auch als FWG-Mitglied aufgelistet: Für den Kreis Beweis, dass hier Gemeinsamkeiten behauptet, aber nicht gelebt werden. "Ich kann da keinen Zusammenhang erkennen", sagt Riechmann. "Mit dem Mindener Stadtrat hat die Kreis-FWG nichts zu tun."
Muss sich jetzt in Minden auch die DLF (Die Liberale Fraktion) aus FDP, Bürger-Bündnis Minden und Piraten Sorgen machen? "Nein", sagt deren Fraktionssprecher Jörgen Happel. "Unser Konzept ist absolut stimmig. Wir haben einen Vertrag, den wir der Stadt auch vorgelegt haben. Und der ist da bereits geprüft worden."
Folgen der Aberkennung
Absage an die Fraktionen: Das hat Folgen. Die Betroffenen bekommen weniger Aufwandsentschädigungen für ihre Arbeit im Parlament, ihnen wird kein Fraktionszimmer im Kreishaus zur Verfügung gestellt, und sie haben weniger Rechte, Anträge zu stellen. Die Sitzverteilung in Ausschüssen ist nicht betroffen, dazu wurde bei der konstituierenden Kreistagssitzung noch keine Entscheidung getroffen.
Das, worüber da abgestimmt wurde, sei gültig, so Renate Golcher, Leiterin des Kreistagsbüros. Bei der Besetzung der Landschaftsversammlung und des Regionalrates sei die Fraktionsbildung nicht ausschlaggebend; für die Wahl der stellvertretenden Landräte und Wahlprüfungsausschuss-Vorsitzenden gab es einen einheitlichen Wahlvorschlag.
oeynhausen@nw.de
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