Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
27.11.2004 :
Roter Stern auf grünem Grund / Fussball: Der Fanclub "Kommando VfB Fichte" setzt klare Zeichen gegen Gewalt und Rassismus
Von Matthias Foede
Bielefeld. Plötzlich befanden sich die Mitglieder vom "Kommando VfB Fichte" in einer Lage, in die sie nie geraten wollten - und die sie verabscheuen. Die sechs zum Oberliga-Spiel der Bielefelder nach Erkenschwick mitgereisten Fußball-Fans mussten sich verteidigen, weil sie von einigen Schwachköpfen angegriffen wurden. Glücklicherweise verlief die Angelegenheit glimpflich, weil einige Erkenschwicker Zuschauer die bereits bekannten Krawallmacher ihres Klubs zur Ordnung riefen.
Mit diesen Extremsituationen müssen die "Kommandos" am Sonntag gegen Kornharpen (14.30, Rußheide) nicht rechnen. "Diese Form der Randale ist doch seit den 80er-Jahren, Gott sei dank, vorbei", sagt Lutz Konopka und schüttelt auch zwei Wochen nach den Ereignissen noch verbal mit dem Kopf. Sein englischer Freund "Bexy", der den Ruhrpott-Klub seit dieser Zeit nur noch "Erkenshit" nennt, betont im Forum auf der VfB-Fichte- Homepage: "Solche Aktionen habe ich vor 20 Jahren auf der Insel erlebt, hier will ich nichts mehr davon sehen."
Das Kommando VfB Fichte, am 4. Oktober 2001 durch acht Mann gegründet, die Spaß am Oberliga-Fußball haben, zeigt auch abseits des Platzes Flagge. Die alternative Fan-Kultur wehrt sich offensiv gegen rassistische und diskriminierende Äußerungen. "Wir kommen ohne Gewalt gegen andere Spieler und Zuschauer aus", sagt Mirko Schwarz: "Stumpfe und unintelligente Beleidigungen wie in Erkenschwick sind uns zutiefst zuwider."
"Fußball ist nicht unpolitisch"
Das Kommando begeht den Sonntag nicht nur unter dem Motto "Bratwurst, Bier und Ball". "Fußball ist nicht unpolitisch", sagt Uwe-Jens Kluge: "Wir haben eine Aufgabe." Mit diesem Anspruch unterscheidet sich das Kommando von anderen Gruppierungen. Der Fanklub beteiligte sich unter anderem an der Aktion "Wir zeigen Nazis die rote Karte", als die Wehrmachtsausstellung in Bielefeld Station gemacht hatte, und engagierte sich intensiv, mit einem Jahr Vorbereitungszeit, bei der Ausstellung "Tatort Stadion", die rund 3.000 Besucher sahen.
"Das war sicher unser Highlight", schwärmt Lutz Konopka, obwohl die Ausstellung schon ein gutes halbes Jahr zurückliegt. Die nächsten Aktivitäten sind bereits angelaufen. Unter den Besuchern der Rußheide werden demnächst 3.000 Aufkleber verteilt - mit der Aufschrift: "Das Spiel wird mit dem Kopf entschieden. Fichte-Fans gegen Rassismus." Bei diesen Aktionen erhält das Kommando volle Rückendeckung aus dem Verein. "Deswegen macht das kreative Fan-Sein beim VfB Fichte so viel Spaß", erläutert Konopka: "Du kannst viel bewegen."
Der VfB Fichte praktiziert seit vielen Jahren die klassische Migration und lebt eine intakte multikulturelle Gesellschaft vor. "Egal woher die Kicker kamen, Trainer Mario Ermisch hat die Spieler aufgenommen und sie zu einem Teil der Gemeinschaft werden lassen- egal ob Engländer, Brasilianer, Türke, Kameruner oder Aserbaidschafler", schildert Konopka: "Das sind fast einzigartige Strukturen."
Nicht umsonst kehren die Ehemaligen wie Alexandre Pölking, Pierre Nguindjell oder Fidel Muwana gernezur Rußheide zurück. Selbst der Ex-Armine Momo Diabang fühlt sich, wenn er in Bielefeld ist, an der Mühlenstraße heimisch. "Es istdie familiäre Stimmung, die den Verein so sympathisch macht", berichtet Konopka darüber, dass "der Präsident stets ein offenes Ohr für uns hat und wir zu vielen Veranstaltungen der Mannschaft eingeladen sind."
Deshalb ist es verständlich, dass die Mitgliederzahl des Kommandos VfB Fichte mittlerweile auf 18 gestiegen ist ("Mit Freunden und Bekannten kommen wir ab uns zu schon auf 30", Kluge). Und es ist selbstverständlich, dass eine Hand voll vom Kommando auf irgendeinem Platz in Bielefeld auftaucht, um ein Kreispokalspiel des VfB Fichte zu verfolgen. Auch dort weht dann für 90 Minuten die riesige Fahne, die Insignie des Fan-Klubs: Roter Stern auf grünem Grund.
Die Auswärtsfahrten werden bisweilen mit einer kleinen Besichtigungstour verbunden. In Lünen-Brambauer besuchten Konopka & Co. das Bergarbeiter-Wohnmuseum, in Hüls den Chemiepark, in Schalke die Glückauf-Kampfbahn und in Bochum die Burg Wetter - nur die waldreiche Erholungslandschaft "Haard" in Erkenschwick haben sich die Kommandos nach den Vorfällen vor 14 Tagen geschenkt.
Das Kommando VfB Fichte ist demnächst auch im Internet unter www.Kommando-VfB-Fichte.de zu erreichen. An jedem ersten Montag im Monat trifft sich der VfB-Fichte Stammtisch in der Hammer Mühle.
27./28.11.2004
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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