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Lippische Landes-Zeitung , 27.11.2004 :

Verlogene Diskussion / Die Niederlande und Deutschland

Seit Tagen blicken viele mit großer Betroffenheit in Richtung Niederlande, nachdem der Filmemacher Theo van Gogh von einem Mann erschossen wurde, der als Motivation für diese Tat angab, er habe "im Namen des Islam" gehandelt. Im Zuge dessen ist von manchem deutschen Politiker die Befürchtung geäußert worden, dass dieser Funke auch nach Deutschland überspringen und gesellschaftlichen Frieden schwer erschüttern könne.

Ich habe schon lange nicht mehr eine solch verlogene Diskussion miterlebt. Von "islamistischem" Terror war oft genug die Rede, doch eigentlich eher selten davon, dass im Zuge dieser Tat Moscheen angezündet und Muslime angegriffen und verfolgt worden sind. Wie sollen wir das dann nennen? Etwa christlichen oder gar "christistischen" Terror?

Und welcher Funke soll denn, bitte schön, überspringen? Seit mehr als 15 Jahren werden in unserem Land Anschläge auf Moscheen und Synagogen verübt, werden Menschen von Neonazis wegen ihrer Hautfarbe, einer Behinderung oder schlicht wegen ihrer anderen Kultur verfolgt. Ein Überspringen brauchen wir also nicht zu fürchten - bei uns brennt es schon sehr lange lichterloh.

Und wenn unser Innenminister vor "Parallelgesellschaften" warnt, sei ihm gesagt: Auch diese haben wir doch schon. Mit einem 15-Prozent-Anteil von Neonazis und ihren Sympathisanten in Sachsen ist sie sogar erschreckend groß.

Es geht auch anders. Zum Beispiel über die Arbeit in einem Verein wie "Gemeinsam leben in Lippe", in dem bekennende Muslime und Christen und völlig unreligiöse Menschen zusammenarbeiten und feiern, in dem wir an unseren religiösen Festen teilhaben. Angst haben wir nicht voreinander. Eher Respekt und Achtung und daneben sehr viel Freude im Umgang miteinander.

Andreas Wagner
Pfarrer
Blomberger Straße 355
Detmold

27./28.11.2004
detmold@lz-online.de

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