Lippische Landes-Zeitung ,
19.06.2014 :
Auf den Spuren der Verfolgung / Antifaschistischer Rundgang führt am Sonntag auch zu Orten des Widerstands in Horn
Von Cordula Gröne
Häuser, die Geschichte schrieben - Orte, an denen Unmenschliches passierte. All das soll beim Rundgang des "Arbeitskreis gegen Nazis" am Sonntag, 22. Juni, zur Sprache kommen.
Horn-Bad Meinberg. Christa Kayser und Gerd Detering wissen viel Interessantes über die Geschichte Horns zu berichten. Zum Beispiel über die Zwangsarbeiter der Munitionsfabrik Tönshoff, die sich während des Zweiten Weltkrieges neben den Künnemeyer-Werken befand. "Wir wissen nicht, wo sich das Lager der Firma befand, aber aus Dokumenten, dass dort ein "unmenschlicher Menschenverbrauch zu verzeichnen" war", erklärt Detering. "Die Firma galt als eine der produktivsten Zwangsarbeiterfabriken Deutschlands." Das erste Lager soll sich direkt neben dem Rathaus befunden haben.
Schräg gegenüber des Rathauses, wo der Rundgang startet, hatte Max Sondermann sein Haus. Im Gebäude daneben befand sich ein so genannter Stürmerkasten, wo Hetzschriften über die Juden zu lesen waren. "Max Sondermann starb an den Folgen der Pogromnacht", erzählt Christa Kayser. Sein Sohn Fritz habe einen Essay geschrieben, der als Grundlage für einen Dokumentarfilm gedient habe. Auch 23 andere Horner Bürger jüdischen Glaubens starben - meist im Konzentrationslager. Ihre Namen sind auf einer Tafel verzeichnet, die ebenfalls an einem historischen Gebäude am Marktplatz, der zeitweise mal "Hindenburgplatz" hieß, zu finden ist.
Auf das Schicksal der jüdischen Kaufmannsfamilie Blank, die das Haus Mittelstraße 50 (Kreuzung Leopoldstaler Straße) bewohnte, weist seit einigen Monaten das Schild "Blanks Ecke" hin, das die Stadt anbringen ließ. Dieses sei der Wunsch der verstorbenen Lieselotte Mariss gewesen, so Christa Kayser. Salli Blank, seine Schwester Ida, seine Frau Grete und die Tochter Hildegard starben in Folge der nationalsozialistischen Verfolgung.
Christa Kayser und Gerd Detering werden auch an den Auftritt Adolf Hitlers während des Landtagswahlkampfes 1933 in Lippe erinnern - aber auch von Einzelschicksalen erzählen und vom Widerstand.
Erstmals im Jahr 2007 führte der Arbeitskreis gegen Nazis seinen "Antifaschistischen Stadtrundgang" durch, zuletzt 2010. "Es gibt immer mal wieder Puzzle, die dazu kommen", erklärt Christa Kayser. Sie bedauert, dass weitere Fakten schwer zu ermitteln sind, etwa über die Zahl von weiteren Zwangsarbeiten, die in Firmen, der Forstarbeit und in der Landwirtschaft eingesetzt waren.
Mit dem Stadtrundgang will der Arbeitskreis gegen Nazis dazu beitragen, über die Geschichte Horns aufzuklären und gleichzeitig die NS-Zeit vor Ort aufzuarbeiten. Dieser würde sich deshalb auch freuen, Geschichten von Eltern oder Großeltern aus der Zeit der Judenverfolgung zu erfahren. Beide Stadtführer hoffen auf große Resonanz am Sonntag - möglichst auch von jungen Leuten.
Stadtrundgang
Interessierte finden sich am Sonntag um 16 Uhr vor dem Rathaus in Horn ein. Der Rundgang führt über eine Strecke von etwa zwei Kilometern und dauert eineinhalb Stunden. An ausgewählten Orten erinnern Christa Kayser und Gerd Detering an Personen und Ereignisse aus den Jahren 1933 bis 1944, vor allem an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitglieder des "Arbeitskreis gegen Nazis" treffen sich jeden ersten Freitag im Monat im Rittersaal der Burg.
Bildunterschrift: Das frühere Spritzenhaus: Im Gebäude neben dem Haus des Kinderschutzbundes an der Leopoldstaler Straße wurde beispielsweise die Frau eines Kommunisten gefangen gehalten - so erzählen Christa Kayser und Gerd Detering.
Bildunterschrift: "Blanks Ecke": Hier stand das Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familie Blank.
19./20.06.2014
cgroene@lz.de
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