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Mindener Tageblatt ,
27.11.2004 :
Polizei entwaffnet rechtsradikalen Verein / Razzien bei Mitgliedern in Bad Oeynhausen und Minden / Zu SS-Kampfspielen nach Tschechien und in die Slowakei
Von Stefan Koch
Bad Oeynhausen/Minden (mt). Das historische Interesse war auf Kampfhandlungen der SS reduziert; die Leidenschaft galt dem Kriegswaffenbesitz: Gestern nahm die Polizei zwei Angehörige eines sogenannten "Darstellungsvereins für lebendige Geschichte" in Bad Oeynhausen fest. 2,5 Kilogramm Schwarzpulver fanden die Beamten zudem in Minden.
Zwei Rechtsextremisten im Alter von 31 und 20 Jahren wurden gestern, gegen 6 Uhr in Bad Oeynhausen von Beamten des Staatsschutzes Bielefeld festgenommen. Sie gelten als Führungsfiguren in dem nicht eingetragenen Verein "Europäischer Darstellungsverein für lebendige Geschichte" (EDLG).
Nach Erkenntnissen der Staatsschützer beläuft sich der Mitgliederbestand des Vereins auf 80 Personen, von denen nur 30 den ideologischen Ideen des Nationalsozialismus verhaftet sein sollen. Gleichwohl hatten sich "Voll- und Teilzeitnazis die Waffen-SS" zum Vorbild genommen, um als "Leibstandarte SS Adolf Hitler" verkleidet ihre Neigung auszuleben. Um dabei Schwierigkeiten in Deutschland aus dem Weg zu gehen, mussten die Teilnehmer zur Darstellung von Kampfhandlungen nach Tschechien oder in die Slowakei ausweichen. Seit Anfang 2004 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz den EDLG beobachtet.
Allerdings: Nicht die Reanimation brauner Historie, sondern konkrete Hinweise auf Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz waren der Anlass für die Razzia in Bad Oeynhausen. So wurde unter anderem ein funktionsfähiger Verschluss eines Maschinengewehrs MR 42 gefunden, was einen Verbrechenstatbestand begründet. Weiterhin kamen eine Maschinenpistole MP 40 und eine Eigenbauwaffe zum Vorschein, die zwar nicht funktionsfähig, aber auch nicht unbrauchbar war. Der endgültige Status der Stücke muss noch durch Untersuchungen beim Landeskriminalamt und gegebenenfalls beim Bundeskriminalamt geklärt werden.
Weitere Verstöße gegen das Waffengesetz waren die Ausrüstung einer Softairwaffe mit einem Laserpointer. Gefunden wurden ein Maschinengewehr mit zwei Wechselläufen, eine Gaspistole ohne Waffenschein, eine Maschinenpistole sowjetischer Bauart und vieles mehr.
Der 31 Jahre alte Beschuldigte, der sich als Vorsitzender des Vereins ausgibt, ist für den polizeilichen Staatsschutz kein Unbekannter. So wurde er seit 1993 mehrfach wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und anderer Delikte verurteilt. Der 20-Jährige war dagegen wegen allgemeiner krimineller Delikte aufgefallen.
Nach Auskunft des Staatsschutzes in Bielefeld gegenüber dem Mindener Tageblatt waren die Täter in Bad Oeynhausen nicht in Erscheinung getreten. Es gebe auch keine aktuellen Hinweise auf Verbindungen zu der in Minden und Petershagen ansässigen Szene aus NPD-Mitgliedern und Anhängern sogenannter "Kameradschaften".
Dessenungeachtet hatten die Beamten gestern in einer Mindener Wohnung bei einem weiteren 48-jährigen Mitglied des Vereins 2,5 Kilogramm Schwarzpulver sichergestellt. Woher der Sprengstoff stammt, konnte die Beamten gestern noch nicht sagen. Die Ermittlungen laufen auch hier.
Aufgrund der Ergebnisse des Einsatzes in Bad Oeynhausen wurden bei weiteren Vereinsmitgliedern in Pragsdorf/Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) und Hamburg Wohnungen durchsucht. Während bei der ersten Adresse die Polizei keinen Erfolg verzeichnete, kamen in der Hansestadt weitere Waffen zum Vorschein. Nach Erkenntnissen des Staatsschutzes sollen auch Verbindungen zu dem in Vlotho ansässigen "Collegium Humanum" bestehen, das wegen rechtsradikaler Publikationen bereits belangt worden war. Unter anderem gehört ihm der Ex-RAF-Terrorist Horst Mahler an.
27./28.11.2004
mt@mt-online.de
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