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Neue Westfälische , 27.11.2004 :

Neo-Nazis spielen Waffen-SS / Staatsschutz will Finanz- und Waffenquellen der Tatverdächtigen ermitteln

Bielefeld/Bad Oeynhausen (jwl). Auf dem Tisch im zweiten Stock des Bielefelder Polizeipräsidiums steht ein aufgebocktes MG 42, ein deutsches Maschinengewehr. Davor ein Patronengurt, dahinter ein Munitionskoffer. Daneben ein grauer Kasten mit Hakenkreuz, Adler und der Aufschrift "Waffenwart 3. Kompanie".

Der "braune Waffenwart" wird sich um nichts mehr kümmern müssen, seine Waffen werden seit Donnerstagmorgen von der Bielefelder Polizei verwahrt. "Wir haben das bei den Durchsuchungen in Bad Oeynhausen sichergestellte Material nicht vollständig ausstellen können", so Harald Brüntrup, stellvertretender Chef des Staatsschutz-Kommissariats der Bielefelder Polizei.

Die Ermittler hatten eine Großaktion gestartet, die gegen den justiz- und polizeibekannten rechtsextremen 31-jährigen Peter Schulz aus Bad Oeynhausen, dessen 20-jährigen Handlanger sowie weitere Mitglieder des von ihm geführten Zusammenschlusses EDLG (Europäischer Darstellungsverein für lebendige Geschichte) gerichtet war. Auch in Bielefeld und Hamburg wurden Waffen gefunden. Die Ermittlungen, so der Staatsschutz, der für politische Straftaten zuständig ist, sind noch nicht abgeschlossen.

Die Bad Oeynhauser sollen nach Informationen dieser Zeitung ideologisch dem zum Neo-Nazi konvertierten Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler nahe stehen, in der Vergangenheit das Vlothoer Nazi-Schulungszentrum Collegium Humanum besucht haben. Beide sagten in den Vernehmungen, dass sie nicht vorgehabt hätten, Menschen zu schaden. Sie hätten bei den Kriegsspielen ihre Ideologie ausleben wollen. Der EDLG hatte sich wegen der Vielzahl seiner braunen Mitglieder auf die Waffen-SS spezialisiert, die für unzählige Kriegsverbrechen verantwortlich war.

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das die Ermittlungen auslöste, war vor Monaten ein Video übergeben worden, in dem EDLG-Mitglieder im "Einsatz", beim Nachstellen einer Schlacht in SS-Uniformen, gezeigt werden. Samt MG 42. Der Besitz des MG und ähnlicher scharfer Schusswaffen ist verboten. Es sei denn, sie sind so verändert worden, dass sie nicht schießen können. Nach der vorläufigen Einschätzung von LKA-Gutachtern war das aber bei den Funden nicht der Fall. Teilweise waren die Waffen auch mit falschen Schlagstempeln des Bundeskriminalamtes versehen, um vorzutäuschen, dass sie unbrauchbar seien.

Die Gruppe habe sich nach Tschechien und in die Slowakei zu ihren etwa dreimal im Jahr stattfindenden Treffen zurückgezogen, weil sie in Deutschland den Fahndungsdruck fürchtete. Darüber hinaus ist das Tragen von Hakenkreuzen und SS-Runen in Deutschland verboten, dort aber erlaubt. Peter Schulz soll in Tschechien eine Immobilie besitzen, in der Ausrüstungsgegenstände verwahrt wurden. Woher Schulz, der keiner geregelten Arbeit nachging, das Geld dafür hatte, ist unklar. Finanzermittler sind eingeschaltet.

27./28.11.2004
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