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Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt , 26.11.2004 :

26. November: Der Tod kam aus der Luft / Vor 60 Jahren Bombenangriff auf Bad Lippspringe - 18 Tote waren zu beklagen

Von Klaus Karenfeld

Bad Lippspringe (VW). Vor 60 Jahren fielen auch in Bad Lippspringe Bomben auf die Stadt. 18 Tote waren nach dem Angriff am 26. November zu beklagen.

Der 26. November 1944 war ein neblig-trüber Totensonntag, den die meisten Bad Lippsringer nach Gottesdienstbesuch und kurzem Spaziergang zu Hause verbrachten. Der mittlerweile fünf Jahre dauernde Krieg war trauriger Alltag geworden, Fliegeralarm, zu unterschiedlichsten Tag- und Nachtzeiten, ließ die Menschen in die Schutzräume fliehen. Und dennoch, so notiert der damalige Pfarrer Wilhelm Hücker (St. Martin), schien sich unter vielen Badestädtern eine "gefährliche Gleichgültigkeit" breit zu machen. Immerhin lag der einzige größere Bombenangriff auf Bad Lippspringe zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als vier Jahre zurück. Mit dem 26. November 1944 sollte sich das Leben vieler Familien im Ort grundlegend ändern.

Amerikanische Bomberverbände flogen an diesem Tag einen Großangriff auf verschiedene Eisenbahnanlagen in Ostwestfalen. Ein weiteres Ziel war der Altenbekener Viadukt (siehe Bericht an anderer Stelle).

Gegen Mittag unterbrach der Rundfunk seine Sendungen für eine dringende Sonderdurchsage: "Primadonna meldet zurückfliegende Bomber. Vorsicht für Bad Lippspringe." Den Menschen blieb nur wenig Zeit, in die Schutzkeller zu flüchten. Fast zeitgleich überflogen die ersten amerikanischen B-17-Bomber bereits die Stadtgrenze. Was dann geschah, lässt sich anschaulich in der Kirchenchronik von St. Martin nachlesen: "Anfangs glaubte man, dass es auch dieses Mal ohne Abwurf abgehen würde, bis plötzlich das Krachen der niederfallenden Bomben einsetzte. Und wieder war die Umgebung unserer Kirche das Ziel des Angriffs. Keine 100 Meter von ihr entfernt fielen mehrere Bomben nieder und zerstörten sechs Wohnhäuser. Leider kamen dabei auch 18 Personen zu Tode."

Der Angriff, der um 12.41 Uhr begann, dauerte knapp 20 Minuten. Von den 350 Sprengbomben, die auf den Ort abgeworfen wurden, schlugen 276 in der Feldmark ein, 74 weitere trafen die Stadt selbst und richteten verheerende Schäden an.

Das jüngste der insgesamt 18 Opfer war der erst sieben Monate alte Peter Knemeyer, das älteste die 73-jährige Theresia Prott. Auch die anderen Einzelschicksale berühren: Maria Bauer (49 Jahre) beispielsweise war in Essen ausgebombt worden und glaubte sich in der Kleinstadt am Teutoburger Wald in relativer Sicherheit - ein tödlicher Irrtum. Ums Leben kamen auch Anna Maria Markwort (38 Jahre) und ihre kleine Tochter Silvia (3 Jahre), die ausgerechnet an diesem Tage ihre Verwandten, die Eheleute Prott in Bad Lippspringe besuchen wollten. Große Trauer auch in den Familien Wischer, Plöger und Sanftenberg.

Der Bombenangriff vom 26. November 1944 kostete ebenfalls zwei Kriegsgefangenen das Leben. Ihr Schicksal ist schnell in Vergessenheit geraten. Der eine, Adrian Niepceron, stammte aus Frankreich, war 39 Jahre alt und wurde zunächst auf dem Ehrenfriedhof im Bad Lippspringer Kurwald beigesetzt (1949 in seine Heimat überführt). Über den zweiten Kriegsgefangenen fehlen bis heute jegliche Informationen.


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