Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt ,
26.11.2004 :
Acht Särge warteten auf den Vater / Nur Ferdinand Drewes überlebte verheerenden Angriff auf den Altenbekener Viadukt
Von Bernhard Liedmann
Altenbeken (WV). "Hier lebt noch einer", war der erste Satz, den Ferdinand Drewes nach der Explosion vor genau 60 Jahren hörte. Nach dem verheerenden Bombenangriff auf Altenbeken am 26. November 1944 und dem Einsturz des Hauses konnten seine drei Geschwister und seine Mutter nur noch tot geborgen werden. Einige Tage später kam sein Vater Wilhelm zum Heimaturlaub nach Hause und stand vor acht Särgen ...
Am 26. November wurden am späten Vormittag innerhalb von 20 Minuten 693 Sprengbomben über Altenbeken abgeworfen. Im für Luftangriffe verstärkten Keller suchte auch die Familie Drewes Schutz: die Mutter Elisabeth mit vier Kindern im Alter von ein bis zehn Jahren, ihre aus Köln evakuierte Schwester mit ihren zwei Kindern und eine weitere Schwester. Doch die verstärkte Decke und die zusätzlichen Stützpfeiler hielten den Direkttreffer nicht aus. Aus den Trümmern konnte nur der damals zehnjährige Ferdinand lebend gerettet werden - mit einem gebrochenen Arm und einer Kopfverletzung. Doch die Familie sollte es noch schlimmer treffen: Der Vater war als Lokomotivführer an der Ostfront eingesetzt und verwundet worden. Nach dem Larzarett-Aufenthalt bekam er Heimaturlaub und saß im Zug nach Altenbeken. Hier erkannte eine Schaffnerin den Familienvater, der von der-Tragödie noch nichts ahnte. Sie alarmierte eine Tante, die ihn auf dem Bahnhof in der Egge abfing. Der Vater stand schließlich vor acht Särgen seiner Angehörigen und Verwandten.
"Und wenn die mich an die Wand stellen - ich fahre nicht wieder weg", erinnert sich auch heute noch Ferdinand Drewes, damals zehn Jahre alt, an den Schock seines Vaters. Der Lokführer musste schließlich einen Ersatzmann finden, damit er an der Heimatfront und damit bei seinem Sohn bleiben konnte. Glücklicherweise erklärte sich ein Freund dazu bereit und kehrte auch wohlbehalten aus dem Einsatz zurück. "Wenn ihm etwas passiert wäre, mein Vater hätte es sich nie verziehen."
Mit einem Ehrenbegräbnis wurde die Familie auf dem alten Altenbekener Friedhof beigesetzt, später fand hier auch der kleine Bruder Hansi seine letzte Ruhestätte, der kurz zuvor an Dipherie verstorben war.
Zwei Angriffe in drei Tagen
Insgesamt kamen bei dem Angriff an dem Sonntag zehn Menschen ums Leben. Zig Häuser waren zerstört oder beschädigt, 71 Familien mit 324 Männern, Frauen und Kindern mussten ins Oberdorf umquartiert werden.
Mitten in die Aufräumarbeiten eines Massenaufgebotes von Arbeitern, darunter viele Kriegsgefangene, platzte drei Tage später ein weiterer Angriff. In nur fünf Minuten wurden 885 Sprengbomben abgeworfen. Bei diesem Angriff wurden 22 Menschen getötet und mehr als 50 schwer verletzt. Auch zur Erinnerung an diese schrecklichen Tage haben jetzt Ortsheimatpfleger Rudolf Koch und Ortschronist Hugo Düsterhus zwei herausgebrochene Steine des Viaduktes neben dem Eggemuseum aufgestellt.
Bei dem Angriff waren die Sandsteine mit der Inschrift "Erbaut unter der Regierung König Friedrich Wilhelm IV. 1851-1853" herausgebrochen worden. Die beiden Heimatfreunde haben die zwei Steine mit der Jahreszahl 1851 -1853 wiederentdeckt. Nachdem sie von der Firma Brechmann aus Paderborn restauriert wurden, stehen sie jetzt beim Museum. Eine Hinweistafel, die von Schreinermeister Leniger aus Buke gestiftet wurde, erläutert die Geschichte dieser beiden Blöcke und erinnert an die Luftangriffe auf die Eggegemeinde.
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