Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
24.11.2004 :
"Tiefe Empfindungen" / Ehemalige Zwangsarbeiter aus Polen erstmals wieder in Paderborn
Von Hubertus Gärtner
Paderborn. Waclav Wysocki ist ein sehr hagerer Mann mit dichten, grauen Haaren. Selbst die schlimmsten Zeiten konnten ihn äußerlich nicht beugen. "Ich habe in meinem Leben immer sehr hart gearbeitet", sagt Wysocki und begründet damit seine körperliche Fitness. Ein kurzes Lächeln huscht dabei über sein zerfurchtes Gesicht.
Der 85-Jährige Waclav Wysocki aus Warschau ist einer von acht ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern, die jetzt für eine Woche zu Besuch nach Paderborn gekommen sind. In jene Stadt, wo sie während des Zweiten Weltkrieges schuften mussten. Im Ausbesserungswerk der Reichsbahn, in verschiedenen Industrieunternehmen, im Kohlenhandel oder auf Bauernhöfen.
"Bin von den Deutschen gut behandelt worden"
Waclav Wysocki arbeitete vom 1944 bis 1946 in der Autofirma Janz an der Detmolder Straße. Zwölf Stunden am Tag musste er dort deutsche Militärfahrzeuge reparieren. Von den Deutschen sei er in dieser Zeit aber "gut behandelt worden", erinnert sich der 85-jährige, der in Paderborn seine Ehefrau Walentyna (79) kennen gelernt hat, die ebenfalls als polnische Zwangsarbeiterin (im Möbelunternehmen Welle) eingesetzt war.
Waclav und Walentyna heirateten im Mai 1945 in Paderborn, nachdem wenige Wochen zuvor ein verheerender Bombenangriff der Aliierten die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Ein Jahr später wurde ihr Sohn Edward hier geboren, der nun, als 62-jähriger Mann, ebenfalls mit nach Paderborn gekommen ist.
"Wir stellen uns der Verantwortung und empfinden tiefe Solidarität", sagte der Paderborner Bürgermeister Heinz Paus, als er gestern die ehemaligen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie ihre Verwandten im Paderborner Rathaus begrüßte.
Um dem Schicksal der Zwangsarbeiter nachzugehen, hat die Stadt in den letzten Jahren einige bemerkenswerte Anstrengungen unternommen. Die Historikerin Christa Mertens forschte im Auftrag des Rates zwei Jahre lang zu dem Thema. Sie fand beispielsweise heraus, dass im Jahr 1943 im Stadtgebiet 1.870 Zwangsarbeiter aus verschiedenen Nationen beschäftigt waren.
Im nächsten Jahr kommt eine Gruppe aus der Ukraine
Im vergangenen Jahr traf eine Delegation aus Paderborn zunächst in der Ukraine und dann in Polen mit ehemaligen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen zusammen. Die Begegnungen hätten bei ihm "sehr tiefe Empfindungen" ausgelöst, sagte der Bürgermeister. Paus lud bei den Besuchen in der Ukraine und in Polen umgehend all jene, die während der Nazi-Diktatur als Zwangsarbeiter in Paderborn beschäftigt waren, zu einem Besuch nach Paderborn ein.
Der erste werde jetzt realisiert, sagte der persönliche Referent des Bürgermeisters, Ulrich Wibbecke. Im nächsten Jahr werde in Paderborn dann eine Gruppe aus der Ukraine erwartet. Die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter und ihre Begleiter bleiben eine Woche lang in der Stadt. Sie werden in Kontakt mit Schülern treten und jene Stätten besuchen, wo sie einst zur Arbeit gezwungen wurden.
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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