Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt ,
24.11.2004 :
Rückkehr an die Stätte der verlorenen Jugend / Ehemalige polnische Zwangsarbeiter in Paderborn
Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Klara Dudek war gerade 14 Jahre alt, als sie 1941 aus ihrem Heimatort in Polen deportiert wurde und als Erntehelferin auf einem Bauernhof in Marienloh landete. "Ich hatte Glück", sagte sie gestern im Paderborner Rathaus, "meine deutsche Familie war gut zu mir".
Die heute 77-Jährige gehört einer Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter aus Polen an, die in dieser Woche die alte Bischofsstadt besuchen, in der sie während des Zweiten Weltkrieges zu Diensten in Landwirtschaft und Industrie verpflichtet worden waren. Eine Delegation der Paderborner Bürgerschaft mit Bürgermeister Heinz Paus an der Spitze war vor einem Jahr nach Warschau gereist, um den persönlichen Kontakt mit jenen Menschen aufzunehmen, die durch die Hitler-Diktatur schreckliches Leid erleben mussten. Den Auftrag dazu hatte der Stadtrat erteilt.
"Die Stadt Paderborn trug damals erhebliche Verantwortung für das Wohlergehen der Zwangsarbeiter, indem sie sich um die Unterbringung, die Beschäftigung und auch um Disziplinierungsmaßnahmen kümmern musste", sagte Paus gestern beim Empfang im Rathaussaal. "Dass wir Sie nach Paderborn eingeladen haben, soll ein Zeichen dafür sein, dass wir uns unserem schweren Erbe stellen und uns bewusst damit auseinander setzen", sagte er weiter.
Freude äußerte der Bürgermeister darüber, dass es sich immerhin neun Zeitzeugen physisch und psychisch zugetraut haben, die weite Reise zu unternehmen, die eine Konfrontation mit leidvollen Jahren in der Jugend bedeutet. Das Programm beinhaltet eine Rundfahrt durch Paderborn zu früheren Lagern und Arbeitsstellen wie dem Reichsbahn-Ausbesserungswerk und der Möbelfabrik Welle, dazu kommen ein Besuch der SS-Dokumentationsstelle im Kreismuseum Wewelsburg und Gesprächsrunden mit Schülern.
Für Edward Wysocki ist diese Woche in Paderborn eine erste Begegnung mit der Stadt, in der er 1946 geboren wurde. Seine Eltern waren Zwangsarbeiter: Der Vater, Waclaw Wysocki (85), reparierte in der Autoschlosserei Janz defekte Wehrmacht-Fahrzeuge, die Mutter, Walentyna Wysocka (79), setzte bei Welle Möbel zusammen.
Der alte Mann aus Warschau sagt heute, dass er "mit lauter guten Gefühlen" auf die Kriegsjahre in Paderborn zurückblicke, schließlich habe er hier geheiratet und seine Familie gegründet. Schlimm seien lediglich die Bombenangriffe gewesen, bei denen auch Zwangsarbeiter ums Leben kamen und er sich große Sorgen um seine Frau gemacht habe. Klara Dudek teilt Waclaw Wysockis positive Erinnerungen. Zwei Mal schon hat sie ihre Familie in Marienloh besucht.
redaktion@westfaelisches-volksblatt.de
|