Schaumburger Zeitung ,
23.11.2004 :
"Krieg immer Ohnmacht der Vernunft“
Bückeburg (jp). Unmissverständliche und mahnende Worte fand Pastor Dr. Klaus Zastrow während des Gedenkgottesdienstes auf dem Jetenburger Friedhof. Mit diesem Gottesdienst wird alljährlich am Ewigkeitssonntag der Toten durch Krieg und Vertreibung allgemein und im Speziellen der Opfer des so genannten Bückeburger Todeszuges gedacht.
58 Jahre sind vergangen, seit dieser Zug mit Vertriebenen aus den Ostgebieten in Bückeburg eintraf. Über 70 Männer, Frauen und Kinder waren während des Transportes aus dem polnisch besetzten Breslau in die britische Besatzungszone, der am Tag vor Heilig Abend des Jahres 1946 Bückeburg erreichte, umgekommen. Sie liegen auf dem Jetenburger Friedhof begraben.
Wovon seien die Deutschen befreit worden und wozu, stellte Zastrow als Frage über seine Predigt. Für die einen sei die Niederlage Deutschlands eine Befreiung gewesen, für die anderen eine Schande. Dabei werde in der Rückschau auf die Ereignisse von 1945 viel zu oft verwischt, dass es die Deutschen waren, die die anderen europäischen Völker überfielen und somit unendliches Leid auch für die eigene Bevölkerung heraufbeschworen.
Der demokratische Lernprozess, den die Alliierten nach 1945 Deutschland verordneten, sei bis heute nicht abgeschlossen und gerade zur Zeit erheblich in Gefahr: "Alte Wurzeln blühen wieder auf", mahnte Dr. Klaus Zastrow im Hinblick auf rechtsradikale Tendenzen bei Jugendlichen und die jüngsten Wahlerfolge rechtsextremer Parteien bei Landtagswahlen. Geschichtslos gewordene Jugendliche und Politiker redeten wieder leichtfertig vom Krieg, und der Satz "Nie wieder Krieg!" scheine vergessen, besonders im Hinblick auf immer häufiger geäußerte Überlegungen, deutsche Soldaten in Militäreinsätze in alle Welt zu schicken. Als Beispiel nannte Zastrow den Einsatz deutscher Soldaten bei den NATO-Angriffen auf Serbien im Frühjahr 1999. Darum sei es so wichtig, dass die Vertriebenen ihre Stimme immer wieder mahnend und warnend erheben: "Wer wie Sie den Tod in der eigenen Familie wüten sah, der weiß, dass man niemals eine Idee in der Welt verteidigen darf, indem man andere Menschen tötet. Der Krieg ist immer die Ohnmacht der Vernunft."
sz@schaumburger-zeitung.de
|