Neue Westfälische 07 - Gütersloh ,
27.02.2014 :
Grüne verfolgen weiter Umbenennung / Name der Karl-Wagenfeld-Straße bleibt umstritten
Rheda-Wiedenbrück (gans). Der politische Streit um die Umbenennung der Karl-Wagenfeld-Straße ist noch nicht beigelegt. Der Ortsverband Rheda-Wiedenbrück von Bündnis 90 / Grüne möchte die Sache weiterverfolgen, obwohl in der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses ein entsprechender Antrag der Grünen abgelehnt worden war. Die Fraktion hält den Münsteraner Heimatkundler wegen seiner Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie nicht der Ehre wert.
"Eine Stadt, die sich weltoffen und geschichtsbewusst verhält und den ermordeten jüdischen Mitbewohnern durch "Stolpersteine" das Andenken bewahrt, liegt bei dieser Handlungsweise völlig daneben", schreibt Willi Repke im Namen des Ortsverbandes der Grünen.
Städte wie Münster, Paderborn und Rheine hätten ihre Straßen gleichen Namens teilweise bereits vor langer Zeit umbenannt. Rheda-Wiedenbrück und hier namentlich die CDU sowie die FDP hätten diese Chance verspielt. Deshalb folgert er: "Wir werden hartnäckig bleiben, ein neuer Antrag auf Namensänderung wird die Diskussion am laufen halten, bis sie verstanden haben, dass diese Verweigerung dumm und politisch unklug ist."
Auch Thomas Birwe, der als sachkundiger Bürger der Grünen im Bau- und Planungsausschuss sitzt, zeigt sich von der Diskussion entsetzt. "Bürgermeister Mettenborg zitierte bei der Verlegung der Stolpersteine Kofi Annan mit den Worten: "Das Böse braucht das Schweigen der Mehrheit."" Seine Parteikollegen hätten diese Worte offenbar nicht wahrgenommen.
Auch die Aussage der FDP, von den Anwohnern haben sich niemand beschwert, kritisiert Birwe. "Darf man in Rheda-Wiedenbrück braunes Gedankengut wieder aufleben lassen, solange sich keiner beschwert?"
Bildunterschrift: Viele sprechen ihm die Ehre ab: Heimatkundler Karl Wagenfeld.
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Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel / Westfalen-Blatt, 22./23.02.2014:
Rassist löst hitzige Debatte aus / Karl-Wagenfeld-Straße wird nicht umbenannt - Schild weist künftig auf nationalsozialistische Gesinnung hin
Von Carsten Borgmeier
Rheda-Wiedenbrück (WB). Die Karl-Wagenfeld-Straße im Stadtteil Rheda wird keinen anderen Namen bekommen. Stattdessen soll bald ein Zusatzschild auf die braune Vergangenheit des überzeugten Rassisten und Heimatdichters hinweisen.
Mit einer deutlichen Stimmenmehrheit aus CDU, FDP und UWG wurde somit am Donnerstagabend im Bau-, Planungs- und Verkehrsausschuss der Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen abgewiesen. Das Gremium unter Vorsitz von Albert Jürgenschellert (CDU) sprach sich hauptsächlich aus Kostengründen gegen eine Umbenennung aus.
Dem Beschluss vorangegangen war eine zwischenzeitlich sehr scharf und hitzig geführte Diskussion, nachdem Antragsteller Andreas Hahn (Bündnis 90 / Die Grünen) ausführlicher über die Gedankenwelt des 1939 in Münster gestorbenen Namensgebers vorgetragen hatte. Von den Ansichten Wagenfelds, der beispielsweise offen vom "deutschen Stammes- und Bluterbe" sprach, zeigten sich die Ausschussmitglieder überrascht und erschrocken.
So trug Hahn Zitate des Gründers des Westfälischen Heimatbundes vor, der meinte, "nur geistig und körperlich gesunde Eltern dürfen Nachwuchs zeugen", weil "für Minderwertige in Krüppel- und Idiotenanstalten Unsummen geopfert werden". Andreas Hahn wandte sich abschließend mit der Frage an das Gremium: "Würden Sie dem Sprecher solcher Sätze freiwillig die Hand geben?"
Als sich trotz dieser Wagenfeld-Zitate in dem Ausschuss eine Mehrheit gegen die Umbenennung abzeichnete, platzte Volker Brüggenjürgen (Grüne) der Kragen: "Ich glaubte bislang, in einer Stadt zu leben, in der für Nazis kein Platz ist." Er stellte die Frage in den Raum, ob "öffentlich ein übler Rassist geehrt" werden solle. "Ich appelliere an die Fraktionen, sich darüber Gedanken zu machen."
Uwe Henkenjohann (CDU) wertete das Thema als Wahlkampf-Getöse: "Wir sollten die Kirche im Dorf lassen, aber vielleicht haben die Grünen keine anderen Themen." Hubert Möller (FDP) meinte: "Von Anliegerseite hätte Protest gegen diesen Namen kommen müssen, der ist aber ausgeblieben."
Nach Angaben von Ortsheimatpfleger Jürgen Kindler (77) war die Straße 1962 nach Wagenfeld benannt worden. Der Vorschlag gehe auf Heinrich Strüwer (1987 gestorben) zurück, der den Heimatverein Rheda nach dem Krieg aufgebaut habe.
Bildunterschrift: Dieses Straßenschild im Stadtteil Rheda erinnert an einen Mann, der überzeugt Anhänger des Hitler-Regimes war. Im Bau-, Planungs- und Verkehrsausschuss ist die Umbenennung jetzt abgelehnt worden.
Bildunterschrift: Karl Wagenfeld (1869 bis 1939) war Heimatdichter und Nationalsozialist.
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Gütersloher Volkszeitung / Die Glocke, 22./23.02.2014:
Karl-Wagenfeld-Straße behält ihren Namen
Rheda-Wiedenbrück (ng). Die Karl-Wagenfeld-Straße in Rheda wird nicht umbenannt. Die Bündnisgrünen sind am Donnerstag im Bauausschuss mit ihrem Vorhaben gescheitert. Stattdessen erhält das Straßenschild einen erklärenden Zusatz.
Außer dem Geburts- und Todesjahr Karl Wagenfelds (1869 - 1939) soll die Hinweistafel gemäß des Vorschlags der Stadtverwaltung folgende Erläuterung zur Person enthalten: "Gründer des Westfälischen Heimatbunds - weltanschaulich umstritten".
"Er war ein Nazi"
Die Grünen hatten nach dem Scheitern ihres Antrags den Zusatz "Nationalsozialist und Heimatdichter" gefordert. Doch auch hierfür fand sich keine Mehrheit. Als "Rassist" und "Verächtlichmacher von kranken und behinderten Mitmenschen" hatte Grünen-Ratsherr Andreas Hahn Karl Wagenfeld vor der Abstimmung charakterisiert und gefragt: "Würden Sie ihm freiwillig die Hand geben?" Wagenfeld habe öffentlich nationalsozialistisches Gedankengut vertreten und den Siegeszug der NSDAP als seinen Erfolg reklamiert. "Er war alles andere als ein ehrenwerter Mann, nämlich ein Nazi."
"Korrigieren wir den Fehler, der 1962 bei der Benennung der Siedlungsstraße erfolgt ist", forderte Andreas Hahn. "Geben wir der Karl-Wagenfeld-Straße einen Namen, für den sich niemand in dieser Stadt schämen muss."
"Aufwand steht in keinem Verhältnis"
Uwe Henkenjohann (CDU) wies darauf hin, dass der Heimatverein Rheda keinen Grund zur Umwidmung der Straße sehe. "Mit einem erklärenden Zusatz unter dem Straßenschild ist der Sache genüge getan." Henkenjohann verwies auf die kostenintensiven Formalitäten, die eine Namensänderung für die 33 Anwohner mit sich bringen würde. Briefpapiere, Pässe, Fahrzeugscheine und sogar Testamente müssten entsprechend korrigiert werden. "Das steht doch in keinem Verhältnis."
Ortsheimatpfleger plädiert für Änderung
Ähnlich bewertete Hubert Möller (FDP) den Fall: "Wenn die Anlieger mit dem Namen leben können, besteht aus unserer Sicht kein Handlungsbedarf." Dirk Kamin (UWG) warnte davor, die Diskussion ausufern zu lassen. "Sonst stehen demnächst weitere Straßennamen zur Disposition." Rhedas Ortsheimatpfleger Jürgen Kindler plädierte dafür, dem Grünen-Antrag zu folgen. "Wir sind unserer Geschichte gegenüber dazu verpflichtet."
Peter Berenbrinck (SPD) wollte "nicht dulden, dass der Nazi Karl Wagenfeld durch die nach ihm benannte Straße in Ehren gehalten wird" - auch wenn die Namensänderung Unannehmlichkeiten für die Anlieger mit sich bringe.
Kopfschütteln bei den Anwohnern
Die Anwohner standen der mehrheitlich abgelehnten Umbenennung von vornherein eher kritisch gegenüber. "Offenbar haben die Mitglieder des Stadtrats keine wesentlichen Ideen und müssen sich alternativ mit solchen Lächerlichkeiten beschäftigen", war in einem Schreiben der Anlieger zu lesen. In einem Brief an Bürgermeister Theo Mettenborg heißt es: "Karl Wagenfeld war nicht mehr und nicht weniger als viele seiner Generation - auch in anderen Ländern - vaterländisch geprägt." Und weiter: "Es gibt viele andere Straßennamen, die erheblicher belastet sind. Was ist etwa mit Siemens oder Krupp? Diese Firmen haben nicht nur an Hitlers Rüstungsprogramm verdient, sie haben den Zweiten Weltkrieg erst möglich gemacht - und dabei zigtausende KZ-Häftlinge in den Tod getrieben."
Bildunterschrift: Gescheitert sind die Grünen mit ihrem Vorhaben, die Karl-Wagenfeld-Straße umzubenennen. Als Alternativen waren Johannes-Kleine-Straße (früherer Rhedaer Bürgermeister) und Einsteinstraße im Gespräch.
guetersloh@neue-westfaelische.de
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