Lippe aktuell ,
20.11.2004 :
Stadtgeschichtliches Projekt: Eröffnung durch Prof. Dr. Peter Steinbach / Novemberrevolution war in Detmold ein kontinuierlicher Übergang
Detmold (ts). "Die Lipper waren oppositionelle Wähler par exellence!" Diese Grundannahme ist nach Ansicht von Prof. Dr. Peter Steinbach wichtig, um die geschichtliche Entwicklung in Detmold vom Ende des Wilhelminischen Kaiserreiches bis zum Ende der Weimarer Republik verstehen zu können. Am Donnerstag sprach der Experte für neuere und neueste Geschichte, der wissenschaftlicher Leiter der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" in Berlin ist, zur Eröffnung des fünften stadtgeschichtlichen Projektes, das diesmal unter der Überschrift "Krieg, Revolution, Republik - Detmold i9i4-1933" steht.
Zahlreiche Zuhörer waren in den großen Sitzungssaal des Rathauses gekommen, um den einführenden Worten des gebürtigen Detmolders, der sein Abitur am Grabbe-Gymnasium abgelegt und über den "Eintritt Lippes in das Industriezeitalter" promoviert hat, zu lauschen. Für Peter Steinbach stand dabei außer Frage, dass es sich lohne, diesen Abschnitt der Stadtgeschichte Detmolds aufzuarbeiten, der bisher noch nicht für die Wissenschaft erschlossen sei. Nach Ansicht des Historikers, der an der Universität Karlsruhe den Lehrstuhl für neuere und neueste Geschichte inne hat, müsse man dazu die Geschichtliche Entwicklung in Lippe "aus der Mitte heraus interpretieren". "Seit dem 19. Jahrhundert waren die Lipper gegenüber dem Kaiserreich aber auch gegenüber dem lippischen Fürstenhaus reserviert eingestellt", sagte Steinbach. Der Grund dafür sei unter anderem im lippischen Thronfolgestreit und anderen Konflikten mit dem Fürsten - zum Beispiel beim Jagdrecht - zu suchen. "In meiner neuen Heimat hatte zu dieser Zeit der badische Großherzog die Idee, seinen Bürgern eine sehr liberale Verfassung zu schenken und sie so auf seine Seite zu ziehen. Das hat der lippische Fürst versäumt", erklärte Steinbach. So habe sich in Lippe und Detmold ein linksliberales Klima entwickelt, das für das Verständnis der weiteren Entwicklung wichtig sei. Aber auch die besondere Mentalität der Lipper, von denen viele als Ziegler und Wanderarbeiter ihren Lebensunterhalt bestritten, habe dafür gesorgt, dass die revolutionären Umbrüche des Jahres 1918 in Detmold eher ein kontinuierlicher Übergang gewesen sei. "Die Ziegler waren konfliktscheu und haben nie gestreikt. Wenn es Probleme gab, sind sie einfach weitergezogen", meinte Steinbach. Nahezu einzigartig sei, wie sich auch in Detmold ein Rat gebildet habe, in den unter der Führung der Sozialdemokraten aber alle politischen Kräfte eingebunden worden seien und der sogar mit dem lippischen Landtag die Einzelheiten über die Abdankung des Fürsten verhandelte.
Für die Arbeit am stadtgeschichtlichen Projekt empfahl Peter Steinbach die Auswertung der Zeitungen aus dieser Zeit, die man "gegen den Strich" lesen müsse. Ausdrücklich warnte er davor, in diesem Zusammenhang die Rolle der lippischen Landeskirche zu unterschätzen. Um dem Wissen über die Weimarer Republik einen neuen wichtigen Beitrag hinzuzufügen sei außerdem nötig zu unteruchen, was das spezifische an Detmold als ehemaliger Resdienzstadt gewesen sei, wie die Menschen damals die verschiedenen Alternativen bewertet hätten und wie sie emotional mit der Weimarer Verfassung verbunden gewesen seien.
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