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Schaumburger Zeitung , 20.11.2004 :

Heeresflieger: Millionen versenkt, Ausbildungs-Konzept gescheitert / Bundesrechnungshof legt Bericht vor / "Schwer wiegende Fehlentscheidungen"

Bückeburg/Bonn (tw). Backpfeife für die Bundeswehr am Standort Bückeburg: Der Bundesrechnungshof geht in seinem justament veröffentlichten Jahresbericht, der der Redaktion bereits vorliegt, mit den Investitionen des Ministeriums in die Heeresfliegerwaffenschule hart ins Gericht. "Die Bundeswehr hat für 46,5 Mio. Euro Schulungshubschrauber (EC-135, d. R.) beschafft, die für die Ausbildung ungeeignet sind", befindet das Gremium unter Vorsitz seines Präsidenten Professor Dr. Dieter Engels. Zusätzlich erworbene Flugsimulatoren könnten bis heute nicht genutzt werden und entsprächen im übrigen nicht mehr dem Bedarf. Vorgänge, die für die Bonner Prüfer so eklatant sind, dass sie als ausgewählte Beispiele in einer eigenen Pressemitteilung aufgeführt werden, die der Bundesrechnungshof separat heraus gegeben hat. Dort heißt es: "Der Bundesrechnungshof hält die Fehlentscheidungen der Bundeswehr bei dieser Beschaffung für so schwer wiegend, dass er mit Nachdruck gefordert hat, die Verantwortlichkeit umgehend zu klärenund ein Reggressverfahren einzuleiten." Weiterhin empfehlen die Prüfer, die Ausbildung an einen zivilen Betrieb abzugeben.

Wie diese Zeitung bereits am 18. August berichtet hatte, ist die fliegerische Grundausbildung auf den mit Millionenaufwand beschafften EC-135 nicht das Gelbe vom Ei. "Es ist, als ob ein Fahrschüler auf einem Ferrari übt", hatte ein Soldat damals geäußert. Einzelheiten der Misere (auch das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die Hubschrauber eine "Fehlbeschaffung" sind) nennt jetzt der Bundesrechnungshof in seinen 185 Seiten umfassenden Prüfbemerkungen, in denen die Problematik der Heeresflieger auf vier Seiten im Detail dargelegt wird. Dort heißt es: "Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung hatte zuvor darauf hingewiesen, dass das Modell Mängel bei der Notlandung ohne Triebwerksleistung aufwies." Ein Manöver, das zu den Schlüsselelementen der Ausbildung zähle. Aber: "Sie (die Bundeswehr) nahm die neuen Hubschrauber gleichwohl ab und erzielte gegenüber dem Anbieter lediglich eine Preisreduzierung von 48 Mio. Euro auf 46,5 Mio. Euro." Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat sich das Bundesministerium bei der Beschaffungsentscheidung über "eindeutige und zutreffende Bedenken" des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung hinweggesetzt.

Harsche Kritik auch an anderer Stelle des Berichts: "Das im Jahre 1992 neu gefasste Konzept für die fliegerische Grundausbildung der Hubschrauberpiloten hat seine Ziele in allen wesentlichen Punkten nicht erreicht. Es verursachte vermeidbare Mehrausgaben von einmalig rund 40 Mio. Euro und jährlich rund 20 Mio. Euro."

Das Konzept habe nicht für alle Teilstreitkräfte gegolten und sei zudem von überholten Bedarfszahlen ausgegangen. Kostengünstigere Alternativen – vor allem eine Vergabe der Grundausbildung an zivile Einrichtungen – seien von vorneherein ausgeschlossen worden.

Komme hinzu: "Durch die Strukturanpassungen", so die Bonner Prüfer weiter, "benötigt die Bundeswehr zunehmend weniger aktive Hubschrauberpiloten". Doch die Kapazität der Heeresfliegerwaffenschule am Standort Achum sei bisher nicht an den in Zukunft geringeren Bedarf angepasst worden ...

20./21.11.2004
sz@schaumburger-zeitung.de

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