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Neue Osnabrücker Zeitung , 20.11.2004 :

"Sachlich völlig falsch"

Bersenbrück. Vorbehalte gegen ein Mahnmal zur Judenverfolgung im Nationalsozialismus in Bersenbrück wurden in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses des Stadtrates geäußert.

"Erschrocken und schockiert haben mich die Aussagen: 'Die Stadt Bersenbrück hat mit dem Bau des Ehrenmals in der Hemke genug getan' sowie 'Ein Denkmal reicht!'. Ein Mitglied des Kulturausschusses kann nicht für die Stadt Bersenbrück sprechen, zumal die Aussagen auch sachlich völlig falsch sind.

Das Ehrenmal berücksichtigt die Opfer der Weltkriege, aber nicht die Menschen, die dem innerstaatlichen Terror zum Opfer fielen. Mit dem Krieg hatten diese Opfer nichts zu tun: Schon weit vor Kriegsbeginn gab es die ersten Ermordeten. Allein die Ideologie des Nazi-Staates machte es möglich, dass willkürlich Menschen z. B. wegen der Zugehörigkeit zu einer Religion verfolgt wurden. Auch konfessionsverschiedene Eheleute wurden gemeinsam verfolgt, wenn sie auf ihrer familiären Bindung bestanden.

Wenn man dies auch 'ganz schrecklich und furchtbar' findet, wie es in dem Bericht heißt, warum zieht man daraus dann keine Konsequenzen? Wer sich nicht den Fragen der Vergangenheit stellt und aus den Folgen die Gegenwart gestaltet, wird in der Zukunft nicht verhindern, dass sich die Geschichte wiederholen kann! Wer aus der Geschichte nicht lernen will oder kann, hat sie entweder nicht verstanden oder er billigt sie (vielleicht unbewusst!).

Ein Mahnmal hält nicht nur die Erinnerung wach, sondern fordert ständig dazu auf, sein eigenes Verhalten zu überprüfen. Würde und Freiheit steht allen Menschen zu: ob reich oder arm, ob schwarz oder weiß, ob gesund oder krank, ob Christ, Jude oder Moslem. Zu schade, wenn wir selbst nicht fähig wären, im Nachhinein für die Würde und Freiheit derer einzutreten, die als deutsche Staatsbürger von ihrem eigenen Staat verfolgt und ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren umgebracht wurden.

Wir werden den Frieden mit der Geschichte, mit den Mitmenschen und mit uns selbst nur finden, wenn wir uns damit auseinandersetzen.

Bersenbrück sollte sich - unabhängig von anderen Orten - mit seiner eigenen Vergangenheit offensiv beschäftigen und sie verarbeiten, aber nicht verdrängen.

So hoffe ich, dass der Arbeitskreis der Volkshochschule sein erarbeitetes Material den Schulen, den Kirchen, aber auch den Vereinen sowie interessierten Menschen zur Verfügung stellt. Sicher bin ich, dass die Fraktionen und der Stadtrat sich der Verantwortung gegenüber den heutigen Bewohnern, aber besonders der ehemaligen Mitbürger bewusst wird. Wer die eigene Geschichte nicht kennt und aus ihr lernt, wird die Zukunft nicht gestalten können!

Ein Mahnmal - in welcher Form auch immer - hilft nicht den Verschleppten und Ermordeten, sondern erinnert uns tagtäglich an unser Grundgesetz: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar.' Dafür haben wir einzutreten und das ist unsere Verpflichtung gegenüber den Opfern."

20./21.11.2004
redaktion@neue-oz.de

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