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Zeitung für Halle und Borgholzhausen / Westfalen-Blatt , 03.02.2014 :

Stadt unterstützt Gedenkfeier

Halle (pes). Die Haller Schulen erhalten im kommenden Jahr bei der Durchführung der Gedenkfeier am Holocaust-Gedenktag (27. Januar) Unterstützung von der Stadt. Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann hat während der SPD-Mitgliederversammlung angekündigt, dass man die Kosten für eine richtige Lautsprecheranlage übernehmen werde. Die Organisatorinnen der Schulen haben sich schon darauf verständigt, die Reden künftig nicht mehr direkt am Mahnmal an der B 68, sondern auf dem Kirchplatz halten zu lassen. Danach werde man zum Gedenken zum Mahnmal ziehen.

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Zeitung für Halle und Borgholzhausen / Westfalen-Blatt, 28.01.2014:

Opfer waren "keine namenlose Masse" / Holocaust-Gedenktag: Schüler erinnern am Haller Mahnmal an ermordete Juden und gestorbene Kinder

Von Klaus-Peter Schillig

Halle (WB). Jahrzehnte lang sind die Gräueltaten der Nazis lieber verschwiegen worden, jetzt ist es vor allem die Jugend, die über die Täter und vor allem über die Opfer spricht. Die Gedenkfeier am Haller Mahnmal zum Holocaust-Gedenktag hat am Montag sogar mehr Teilnehmer als die Polizei erlaubt.

Isenberg, Hurwitz, Goldstein, Weinberg und Hesse - das sind Namen von ehemaligen jüdischen Bürgern aus Halle und Borgholzhausen, die zwischen 1933 und 1945 deportiert und umgebracht worden sind. Szcykutowicz, Talma oder der kleine Peter Korschak, Tatjana Kuschnarewa, Walentina Popko - Namen von Zwangsarbeitern oder deren Kindern aus Osteuropa, die in Halle oder Borgholzhausen hingerichtet oder offiziell an Masern, Lungenentzündung oder Herzschwäche gestorben sind. Einige sind nur wenige Tage alt geworden, andere haben über Jahre mit ihren Eltern oder nur der Mutter in Lagern wie dem Waldlager in Künsebeck gelebt.

Schüler der Hauptschule, der Realschule und des Kreisgymnasiums tragen die Namen und Schicksale vor, vorbereitet zum zweiten Mal nach 2013 von ihren Lehrerinnen Eva-Maria Eggert, Britta Jünemann und Birte Lampe. Die Beschäftigung mit dem Thema in den Schulen, die Organisation und die Gedenkfeier, sie machen offensichtlich immer mehr Schüler neugierig. Fast 200 füllen den Platz direkt an der B 68. Neben den beteiligten Klassen sind viele freiwillig mitgekommen, lauschen den Worten von Britta Jünemann zu Beginn, dem Verlesen der Namen und der abschließenden Ansprache von Pfarrer Jens Weber. Beim Gebet am Schluss falten fast alle ihre Hände. Und auch zwischendurch ist nichts zu spüren von jugendlicher Naivität, von Juxerei unter Gleichaltrigen. Es herrscht ernste Stimmung und Stille, gestört nur vom Lärm der direkt angrenzenden B 68.

Nur 180 Teilnehmer hat die Polizei genehmigt, weil sie Sorgen hat wegen des Verkehrs auf der Bundesstraße. Ein eigener Ordnungsdienst, gestellt von Oberstufenschülern des KGH, achtet darauf, dass die Auflagen eingehalten werden. Aber weggeschickt wird niemand, der der Zeremonie beiwohnen will. Teilnehmer sind nicht nur Schüler, sondern auch Mitglieder des Haller Stadtrades mit Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann und ihre beiden Stellvertreter Karin Otte und Dieter Baars. Und zahlreiche Bürger, die teilnehmen wollen oder zufällig vorbeikommen.

"Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit", erinnert KGH-Lehrerin Britta Jünemann in ihrer kurzen Rede an die mehr als eine Million Opfer, die dort ermordet worden sind, und an die insgesamt mehr als sechs Millionen Toten des Holocaust. "Diese unvorstellbaren Zahlen erschüttern uns bis heute. Nie wieder Auschwitz", sagt sie vor den 200 Zuhörern. "Deshalb stellen wir uns quer, wenn Menschen verfolgt werden, wenn ihnen ihre Würde abgesprochen wird. Das heutige Gedenken ist auch ein Zeichen gegen Rechts."

Pfarrer Jens Weber von der evangelischen Kirchengemeinde Halle, erinnert daran, dass die Verfolgung und Ermordung von Juden, anderen Volksgruppen oder Regime-Gegnern nicht nur im fernen Auschwitz stattgefunden habe. "Auch hier in Halle sind Menschen verfolgt und verschleppt worden." Und: "Diese Menschen, die dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer gefallen sind, sind keine namenlose Masse, sondern es sind alles Menschen mit einem eigenen Namen, mit einem eigenen Leben, mit eigenen Wünschen, Träumen und Hoffnungen." Darum würden die Namen alle einzeln verlesen und darum hätten die Schülerinnen und Schüler für jeden Namen eine Kerze entzündet. Jens Weber macht deutlich, dass die jetzigen Generationen keine Schuld trifft für die damaligen Ereignisse. "Aber die nachgeborenen Generationen tragen wohl Verantwortung dafür, dass sich so etwas niemals wiederholt." Dazu könne auch dieser Gedenktag beitragen.

Kommentar

In diesem Jahr sei man etwas professioneller ausgerüstet, hatten die Organisatoren angekündigt. 2013 mussten sich die Schüler und die Redner noch mit einem Megaphon behelfen. Diesmal gab es immerhin ein Mikro und einen Lautsprecher. Gegen vorbeidonnernde Lkw aber ist kein Kraut gewachsen und ein Lautsprecher einfach zu wenig. Nicht, dass es bei dieser Gedenkfeier auf Perfektion ankäme. Aber es kommt darauf an, gehört zu werden.

2015 jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 70. Mal. Vielleicht wäre dann mal eine einstündige Sperrung der B 68 drin. Lkw rollen ab 2015 vermutlich ohnehin über die dann fertige Entlastungsstraße. Und vielleicht findet sich auch ein Sponsor (oder die Stadt), um das Ausleihen einer Lautsprecheranlage zu finanzieren. 150 Euro hätten dafür in diesem Jahr gereicht.

Klaus-Peter Schillig

Bildunterschrift: Mitorganisatorin Eva-Maria Eggert (im Vordergrund) ist überrascht, dass wesentlich mehr als die genehmigten und angekündigten 180 Menschen zur Gedenkfeier für die heimischen Holocaust-Opfer auf den von-Kluck-Platz gekommen sind.

Bildunterschrift: Ernsthaftes Gedenken: Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann (Mitte).

Bildunterschrift: Julia (vorn), Anne und Lea vom KGH erinnern an ermordete Haller Juden, Paul Heitmann (rechts) schlägt nach jedem Namen das Becken.


halle@westfalen-blatt.de

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