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Lippische Landes-Zeitung , 19.11.2004 :

Denn sie sind wie wir / Der Detmolder Liedermacher Michael Motzek engagiert sich für Flüchtlinge

Von Marianne Schwarzer

Detmold. Am Anfang stand die Fassungslosigkeit. Als 1991 plötzlich Flüchtlingsheime in Flammen standen, fühlten der Detmolder Liedermacher Michael Motzek und seine Künstlerfreunde: "Wir müssen was tun." Sie veranstalteten ein Solidaritätskonzert zugunsten der Flüchtlinge. Jetzt gibt es eine Neuauflage.

"Wir sind eine Gruppe von 22 Menschen, die meisten davon Künstler. Die erste Veranstaltung in Paderborn war ein riesiger Erfolg. An dem Abend kamen 600 Leute", erinnert sich Michael Motzek. Wenig später wurde der Detmolder eingeladen, bei der Beerdigung eines bekannten Professors in Bad Salzuflen aufzutreten. "Das habe ich unter der Bedingung gemacht, dass das Geld den Flüchtlingen zugute kommt." Es kamen über 11.000 Mark zusammen. "Und da war klar: Wir mussten einen gemeinnützigen Verein gründen, um das Geld überhaupt vernünftig verwalten zu können."

Am 30. September 1994 riefen Motzek und seine Freunde "Denn er ist wie Du -Verein zur Unterstützung von Flüchtlingen und Asylbewerbern e. V." ins Leben. Der Verein unter Vorsitz von Michael Motzek arbeitet eng mit karitativen Organisationen, Rechtsanwälten und dem Paderborner Flüchtlingsrat zusammen. "Denn er ist wie Du" unterstützt Flüchtlinge und Asylbewerber finanziell, beispielsweise, wenn es darum geht, Klagen vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen. In ausgewählten Fällen übernimmt der Verein Reisekosten zum Gericht oder zu Konsulaten oder die Finanzierung sinnvoller medizinischer Betreuung, sofern diese nicht vom Sozialamt oder anderen öffentlichen Kostenträgern übernommen werden.

Die direkte Arbeit mit den Flüchtlingen und Asylbewerbern überlässt Motzek Profis wie Martin Strätling von der Caritas, der weiß, wo Not am Mann ist. "Am Anfang habe ich mich mit jedem einzelnen Fall persönlich befasst", erzählt Motzek. "Aber es ist schwer auszuhalten, wenn Dir jemand die Narben von den ausgedrückten Zigaretten oder anderen Folterungen auf seinem Körper zeigt. Am Ende konnte ich das nicht mehr ertragen, jetzt bearbeiten wir die Anträge telefonisch beziehungsweise schriftlich."

Schon kurz nach der Vereinsgründung rührte sich der Gegendruck: Ein anonymer Brief flatterte Michael Motzek auf den Tisch, der dem Detmolder das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er und seine Mitbegründer seien "erbärmliche Deutsche, Vaterlandsverräter", hieß es dort. "Wir werden euch eines Tages bei euren Versammlungen gewaltig Feuer unter euren Ärschen machen." Der besondere Hass richtete sich gegen Motzek selbst, seinen Freund und Pianisten Arno Höddinghaus und Gert Schücker. "Diese drei nehmen wir uns vorher einzeln vor. Wir wissen wo sie wohnen." Und am Ende: "Ein Baum, ein Strick, ein Asylant hängt dran, so fängt das neue Deutschland an."

Der. Brief war ein Schock. "Ich hatte Angst, aber genau das wollen die ja nur." Die Strafanzeige gegen Unbekannt verlief erwartungsgemäß im Sande. Monatelang ließ Motzek im Haus die Rollläden geschlossen. Irgendwann ließ das Gefühl der Bedrohung wieder nach. "Das kommt jetzt wieder hoch, da wir die Jubiläumsveranstaltung planen. Mittlerweile habe ich Kinder, das macht es noch schwieriger. Aber wir müssen ein Zeichen setzen: Damit kommen die nicht durch."

Aber was ist mit den nicht braun angehauchten Kritikern, die einfach meinen, es gebe in Zeichen des schwindenden Sozialstaates genug Elend unter Deutschen? Da hält es Motzek mit dem Theologen Eugen Drewermann, der in seinem Grußwort zur Jubiläumsveranstaltung schreibt: "Mir scheint, dass in unserer Gesellschaft wenige Aufgaben so dringlich sind wie diejenige, Menschen zu helfen, die keine Heimat mehr haben und nur irgendwo leben möchten. Dass ihnen dieses Menschenrecht aus vermeintlich wirtschaftlichen Gründen verweigert wird, ist ein schweres Unrecht, vor allem weil es eben die Wirtschaft ist, die rund um dem Globus Millionen Menschen buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzieht."

Und so wird es steigen, das große Jubiläumskonzert am Samstag, 27. November, um 20 Uhr in der evangelischen Studierendengemeinde Paderborn, am Langrund 5, gegenüber der Universität.

Es treten Michael Motzek und Arno Höddinghaus, der Kabarettist Stani, das Duo "Lost Songs", "Fools Unlimited" mit Stepptanz und Zauberei und die Folkgruppe "Henkersmahlzeit". Der Eintritt zu dem Konzert kostet 12 Euro.


detmold@lz-online.de

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