Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
15.11.2004 :
Die letzten Tage / Bielefeld 1945: Zwischen Krieg und Frieden / Neues Buch von Hans-Jörg Kühne
Von Thomas Güntter
Bielefeld. Drinnen im Lido, dem Behelfskino in der Gaststätte "Schwan" an der Detmolder Straße 168, wirbelte Marika Rökk über die Leinwand. In Agfa-Color. Die Bielefelderin Ingrid Guthmann und ihre beste Freundin Erika litten mit der Heldin ob ihrer unglücklichen Liebe. Die Wirklichkeit war dramatischer, denn draußen tobten die letzten Kämpfe um die Stadt. Wir schreiben Mittwoch, 4. April 1945, 14.45 Uhr. Um 17.30 Uhr erreichten amerikanische Soldaten die Stadtmitte Bielefelds. Vom Rathaus wehte die weiße Fahne
"Zwischen Krieg und Frieden – Bielefeld 1945" heißt das neue Buch des Bielefelder Historikers Hans-Jörg Kühne (45), erschienen im Wartberg-Verlag. Kühne befasst sich mit der Zeit von Ende März bis zum 17. April 1945. Damit war für Bielefeld mehr als einen Monat vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die Stadt kapitulierte, nachdem es in den Tagen zuvor vor allem in den südlichen Vororten zum Teil heftige Kämpfe gegeben hatte. Kühne kommt zu dem Schluss: "Der Vernunft und dem Einsatz einiger Bürger ist es verdanken, dass das mehrfach bombardierte Bielefeld nicht noch einmal zum Ziel alliierter Waffen wurde."
Auf 48 Seiten beschreibt er vielfach aus der Sicht von Zeitzeugen die wenigen, höchst dramatischen Wochen vor Kriegsende. Dabei beleuchtet er die zahlreichen Aspekte der letzten Kriegs- und ersten Friedenstage.
Dazu gehört die Stimmungslage der Männer des Volkssturms, die zu letzten sinnlosen Kämpfen verpflichtet wurden und die der Frauen und Mädchen, die sich vor den Übergriffen der nahenden Besatzer fürchteten. Von den Plünderungen und Diebstählen wird berichtet, das Elend und schließlich das Aufbegehren der freigelassenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter geschildert.
Die Zeitzeugen, Männer und Frauen, erzählen ihre ganz persönlichen Erlebnisse. Ergreifend, dramatisch, manchmal mit einem Hang zu unfreiwilliger Komik, aber immer authentisch. Die Zeitzeugen hatte Kühne bei den Arbeiten für sein erfolgreiches Buch "Der Tag, an dem Bielefeld unterging – 30. September 1944" gefunden. Die Kriegsend-Erlebnisse konnte er jetzt für das neue Werk verwenden. Illustriert werden die Erinnerungen durch beeindruckende Fotos, die zum Teil zum ersten Mal zu sehen sind.
Das Buch, Band 19 der Bielefgelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, kostet zehn Euro und ist im Buchhandel erhältlich.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
|