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Lippische Landes-Zeitung , 10.11.2004 :

Sensibel und wachsam gegen die Intoleranz / Gedenkfeier zur Reichspogromnacht auf jüdischem Friedhof

Lage (be). Der Regen trommelte dumpf und unablässig auf die Schirme der Besucher, die dicht an dicht in eisiger Kälte standen, um gestern Abend auf dem jüdischen Friedhof an der Gedenkfeier zum Reichspogrom teilzunehmen. Bürgermeister Christian Liebrecht und Pastor i.R. Martin Hankemeier erinnerten an die Nacht des 9. November vor 66 Jahren, als in ganz Deutschland Synagogen brannten, Schaufenster jüdischer Geschäfte barsten und Menschen wegen ihres Glaubens misshandelt wurden.

"Das ist das dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit, und es gibt bis heute keine fassbare Erklärung dafür, dass solche Dinge auch hier in Lage geschehen konnten. Der Nationalsozialismus mit all seinen Gräueltaten hatte leider auch in unserer Region seine Unterstützer und Helfer", sagte Liebrecht.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg Geborenen seien nicht für das verantwortlich, was damals geschah. Wohl aber seien sie dafür verantwortlich, die Erinnerung zu wahren und einem Vergessen entgegenzuwirken. Sich gemeinsam zu erinnern, gebe Trost, Halt, Mut und Hoffnung. Darüber hinaus müssten wir sensibel und wachsam sein, damit Wegschauen und Intoleranz in unserer Gesellschaft heute keine Chance erhielten, denn sie könnten erste Schritte auf dem Weg ins Unfassbare sein. Nach der Kranzniederlegung durch ihn und seine erste Stellvertreterin Irmgard Eberhard verlas Pastor Hankemeier die Namen ermordeter Lagenser Juden. Im Einzelnen ging er auf das Schicksal von Hermann Behr ein, der im KZ Sachsenhausen umkam. 1905 hatte er sich in Bielefeld taufen lassen und noch im selben Jahr in Lage die Nicht-Jüdin Henriette Wehmeier geheiratet. 1938 kam er wegen "Rassenschande" ins Gefängnis. Das Ehepaar weigerte sich beharrlich, der Forderung, sich scheiden zu lassen, nachzukommen. Aus dem Zuchthaus kam Hermann Behr ins KZ, wo er am 5. Dezember 1941 von Nazis ermordet wurde.


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