Schaumburger Nachrichten Online ,
30.07.2013 :
"Kommunikation verbessern"
30.07.2013 - 21.28 Uhr
"Das ist keine objektive Ermittlung mehr" - Mit diesen Worten bringt der Vater eines "alternativen Jugendlichen" aus Bückeburg, wie er selbst sagt, seinen Unmut über den Umgang der Polizei mit dem Thema Rechtsextremismus in Bückeburg auf den Punkt.
Von Kirsten Elschner
Landkreis / Bückeburg. Er kritisiert unter anderem, dass die Polizei die Situation immer wieder auf einen "Rechts-Links-Konflikt" unter Jugendlichen reduziere und beklagt sich über die "Ignoranz der Zivilgesellschaft", die nicht hinter den jungen Menschen stehe, die sich gegen Neonazis und für Demokratie engagierten.
Er sei, wie andere Eltern von Jugendlichen in Bückeburg, immer wieder "von der rechten Szene" terrorisiert worden, Steine seien ins Fenster geflogen, man habe nicht mehr schlafen können.
In der Stadt würden vermehrt Mitglieder der rechten Szene aus anderen Städten auftreten, die dort eine Spielstätte gefunden hätten, um Linke und "alternative" Jugendliche zu vertreiben.
Was dem Vater besonders bitter aufstößt: Der Umgang der Polizei mit den Jugendlichen sei nicht in Ordnung. Er spricht von verbalen Beleidigungen - "Ist es verboten gegen Kommunisten zu ermitteln?" - und Handgreiflichkeiten. Er habe das Gefühl, dass die Polizei die jungen Leute, die sich gegen Rechts stellten, "kleinmache" und "loswerden will".
Dass die Jugendlichen auf der linken Seite "nicht immer nur die Braven" seien, sei ihm auch klar. Dennoch hat er das Gefühl, dass die Ermittlungen und Kontrollen, die derzeit in Bückeburg abliefen, "in die falsche Richtung" gingen. Die Polizei aus Bückeburg sowie auswärtige Beamte sind derzeit verstärkt vor Ort, zeigen Präsenz, erteilen Platzverweise und kontrollieren Personen.
Ein für ihn bezeichnendes Beispiel: Ein Jugendlicher sei an einem Tag mehrmals auf der Straße von Polizisten kontrolliert worden und schließlich, weil er seinen Ausweis nicht dabei gehabt habe, mit Handschellen zur Wache gefahren worden. Dabei habe ihn ein Polizist beschimpft und "in den Schwitzkasten" genommen, so seine Schilderung. Der Wunsch des Vaters: Die Kommunikation mit Polizei und Politikern müsse besser werden.
Der Leiter des Bückeburger Polizeikommissariats, Werner Steding, äußerte sich zu den Vorwürfen. Er persönlich möchte die Situation auch nicht auf einen "Rechts-Links-Konflikt" reduzieren. Dieser Begriff sei irgendwann aufgekommen und habe sich dann "verselbstständigt". Er wolle die Gesamtsituation nicht verharmlosen.
Nicht alle Straftaten könnten auf diesen Konflikt zurückgeführt werden. Ein Beispiel: Ob ein Hakenkreuz an einer Parkpalette allgemein politisch motiviert oder als Teil eines Konfliktes zwischen Linken und Rechten zu beurteilen sei, sei nicht immer eindeutig, aber das sei auch nicht wesentlich. Es gehe der Polizei darum, Straftaten - rechts wie links - zu erforschen und zu verhindern. Man kontrolliere Menschen, die der Polizei aus einer bestimmten Klientel bekannt seien, nicht nach dem "Nasenfaktor". Dabei stelle man beispielsweise Sturmhauben oder Handschuhe sicher.
Dass in Bückeburg auch Rechtsextreme von außerhalb - auch aus dem benachbarten Westfalen - auftauchten, merkt er ebenfalls an. Dass die verstärkten Kontrollen in Bückeburg Wirkung zeigen, davon ist er überzeugt. "Sonst gebe es eine Vielzahl mehr an Straftaten."
Zu dem geschilderten Vorfall des Jugendlichen, der "in den Schwitzkasten" genommen worden sein soll, äußerte er sich nicht im Detail. Er gehe aber davon aus, dass die Situation entsprechendes Verhalten - etwa die Handschellen - erfordert hätten.
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Schaumburger Nachrichten Online, 30.07.2013:
Extremismus / Konzentration auf Fakten
30.07.2013 - 20.00 Uhr
In der Debatte um Rechtsextremismus in der Stadt hat Frank Kreykenbohm, Leiter der Polizeiinspektion Nienburg-Schaumburg, Vorwürfe der Schaumburger Jusos und der Grünen Jugend zurückgewiesen. Letztgenannte hatten der Polizei nach einem Bericht über Probleme des Vereins "Tu Wat" mit Neonazis und rechte Aufkleber in der Stadt vorgeworfen, den Rechtsextremismus in Stadthagen zu beschönigen und zu verharmlosen.
Stadthagen. "Vor dem Hintergrund unserer vielfältigen Aktivitäten und intensiven Ermittlungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus halte ich die erhobenen Vorwürfe für ungerechtfertigt und weise die Behauptungen zurück", so Kreykenbohm. Anders als die beiden Jugendorganisationen müsse sich die Polizei auf Fakten und gesicherte Ermittlungsergebnisse stützen. "Strafrechtlich relevante Sachverhalte, die der Polizei nicht mitgeteilt werden, können von dieser nicht bewertet und aufgeklärt werden."
Kreykenbohm appellierte an die Jusos und die Grüne Jugend, entsprechende Beobachtungen nicht für sich zu behalten, sondern bei der Polizei anzuzeigen. Der Inspektionsleiter versichert, dass alle Delikte politisch motivierter Kriminalität mit besonderer Sorgfalt und hoher Ermittlungsintensität verfolgt werden. Kreykenbohm betonte, die Aussage, es gebe keine rechte Szene, habe sich nur auf Stadthagen bezogen. "Hier sind der Polizei zwar einzelne Personen bekannt, die eine rechtsextremistische Motivation besitzen, für die Existenz einer festen Gruppierung oder Szene gibt es aber keine aktuellen Erkenntnisse", betonte der Inspektionsleiter.
Unstrittig ist Kreykenbohm zufolge, dass die Zahl der angezeigten Straftaten 2012 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist - eine Entwicklung, die die Polizei durchaus ernst nehme. Vor allem Farbschmierereien, unerlaubtes Plakatieren und das Kleben von "Spuckis" haben demnach zugenommen. Außerdem führt der Inspektionsleiter den Anstieg auch auf eine höhere Sensibilisierung und Anzeigenbereitschaft der Bevölkerung zurück.
"Einige der ermittelten Täter stammen nicht aus Stadthagen", so Kreykenbohm. Auch bei den Plakataktionen gehen die Ermittler von überörtlichen Aktivisten aus, da in anderen Städten zur gleichen Zeit ähnliche Plakate auftauchten. "Diese Fakten gehören aus meiner Sicht dazu, wenn man sich mit der aktuellen Situation des Rechtsextremismus in Stadthagen befassen will", so Kreykenbohm. "Vermutungen und Spekulationen helfen da nicht weiter." Vorwürfe seien eher kontraproduktiv und hemmten den Fortschritt bei der Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität.
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Schaumburger Nachrichten Online, 26.07.2013:
Rechtsextremen-Problem / Polizei soll sich entschuldigen
26.07.2013 - 19.27 Uhr
Aufkleber mit rechtsradikalen Inhalten in der Stadt, Nazi-Aufmärsche in Bad Nenndorf - und dennoch gibt es nach Polizeiangaben keine rechte Szene in Stadthagen (wir berichteten). Die Grüne Jugend Schaumburg sieht das anders.
Stadthagen (tbh). "Wir als Grüne Jugend sind anderer Meinung. Und das auch auf Grund der jährlichen Nazi-Aufmärsche, die schließlich in unmittelbarer Nähe Stadthagens stattfinden. Da ist es nicht auszuschließen, dass es auch in Stadthagen eine rechte Szene gibt", schreibt Ahmed Agdas, Sprecher der Grünen Jugend Schaumburg in einer Pressemitteilung. Sollte es jedoch wirklich keine rechte Szene in Stadthagen geben, müsse kontinuierlich Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit so eine Gruppierung erst gar nicht entstehen könne.
"Dennoch sehen wir schon rechte Aktivitäten, die aber von der Polizei verharmlost werden", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Die "Verharmlosung rechter Aktivitäten" und die "Kriminalisierung linken Engagements" müsse in Stadthagen endlich ein Ende finden.
"Zunächst dachte ich, dass die Beamten den Neonazis auf der Spur sind. Jetzt äußert sich die Polizei, dass es gar keine rechte Szene in Stadthagen gibt. Das ist absolut grotesk. Ich fordere die Polizei auf, sich bei den Bürgern zu entschuldigen", schreibt Agdas. Der Sprecher der Grünen Jugend in Schaumburg ist der Meinung, dass so eine Äußerung nicht getätigt werden dürfe: "Auf keinen Fall von einer Institution, gerade in Deutschland, wo dieses Thema eine besondere Sensibilität tragen sollte."
Immer wieder habe es Angriffe auf Migranten gegeben, wodurch sich diese hintergangen gefühlt hätten, so Agdas. Seine Forderung begründet er damit, dass das Vertrauen wieder hergestellt werden müsse. Migranten könnten die Äußerungen der Polizei nicht glauben, denn die meisten hätten Erfahrung mit Gewalttaten von Seiten rechtsradikaler Gruppen. "Auch ich wurde von einem Rechten angegriffen. Nachts schrie mir jemand auf dem Weg nach Hause entgegen, dass ich aus Deutschland raus solle, und griff mich an. Er war maskiert. Aus Notwehr habe ich seine Arme festgehalten und ihn weggeschubst. Anschließend rannte ich davon. Ich konnte einige Tage nicht schlafen", schildert Agdas, der nach eigenen Angaben selbst ein Deutscher mit Migrationshintergrund ist, seien Erlebnisse.
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Schaumburger Nachrichten Online, 25.07.2013:
Stadthagen / Jusos werfen der Polizei "Beschönigung" vor
25.07.2013 - 18.48 Uhr
Keine Probleme mit rechtsextremistischen Gruppierungen in Stadthagen? - Das können manche Menschen in Schaumburg nicht nachvollziehen. Die Jungsozialisten (Jusos) der Schaumburger SPD zeigen sich über die Aussagen der Stadthäger Polizei zu den jüngsten rechtsextremistischen Vorfällen sehr verwundert.
Landkreis. "Wenn man den Pressesprecher der Polizei so reden hört, scheint man ja zu glauben, dass es in Stadthagen und Umgebung keinerlei Probleme gibt", schreibt Dennis Grages, zuständig für das Thema Rechtsextremismus bei den Jusos, in einer Pressemitteilung. Aufkleber mit rechtsextremen Inhalten, antisemitische Schmierereien und Sachbeschädigungen sprechen Grages zufolge "eindeutig eine andere Sprache". Ob die Verursacher in Stadthagen wohnen oder nicht, sollte seiner Meinung nach dabei eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Bei den Jusos entstehe "leider" der Eindruck, dass "diese Beschönigungen seitens der Polizei Methode haben". Auch in Bückeburg sei lange Zeit das Thema Rechtsextremismus klein geredet worden, und man habe keine Probleme erkennen wollen, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Mittlerweile lese man fast jeden Tag von neuen Ausschreitungen und Schmierereien vor Ort. Die Jusos kritisieren, dass die Polizei sich in ihren Erklärungen immer wieder darauf beschränke, die ganze Sache lediglich als einen unpolitischen Konflikt zwischen zwei verfeindeten Jugendgruppen darzustellen.
"Durch solche Verharmlosungen ist leider zu befürchten, dass man den Rechtsextremen in die Hände spielt", so Grages. "Menschen, die sich gegen Nazis engagieren, müssen sich doch veralbert vorkommen, wenn ihre Fensterscheiben eingeschlagen wurden und die Polizei anschließend noch suggeriert, dass man gewissermaßen selbst schuld sei."
Von der Polizei würden sich die Jusos etwas mehr Sensibilität im Umgang mit diesem Thema wünschen. Grundsätzlich begrüßt der politische Jugendverband nach eigenen Angaben jede Art von friedlichem Protest gegen Nazis. "Es freut uns besonders, wenn sich junge Menschen wie beispielsweise vom Kulturverein "TuWat" engagieren und in ihrer Freizeit rechtsextreme Schmierereien aus der Öffentlichkeit entfernen", betont Grages. Um so schlimmer finden die Jusos, dass der Kulturverein nun scheinbar von Racheakten aus der rechten Szene betroffen sei. Die Jusos möchten den "TuWat"-Mitgliedern daher auch ihre Unterstützung anbieten.
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Schaumburger Nachrichten, 25.07.2013:
Einschätzungen / "Keine rechte Szene in Stadthagen"
Immer mal wieder hat der Jugendverein "TuWat" in Stadthagen von Problemen mit Neonazis berichtet. Auch das Kleben von Aufklebern mit rechten Inhalten ist in den vergangenen Monaten immer wieder in das Interesse der Öffentlichkeit geraten.
Stadthagen. Manche sprechen auf Grund dieser Ereignisse davon, dass Stadthagen "das neue Bückeburg" werde. Ein Grund, bei der Polizei nachzufragen: Entwickelt sich Stadthagen, ähnlich wie Bückeburg, immer mehr zu einem Zentrum für die rechte Szene?
Pressesprecher Axel Bergmann von der Polizei verneint den Vergleich mit Bückeburg - und auch in Bezug auf die dortige Situation von einem reinen Rechts-links-Konflikt unter Jugendlichen, nicht von Rechtsextremismus. Es gebe auch keine rechtsradikale Szene in der Kreisstadt. Platzverweise "zur Gefahrenabwehr", wie es in Bückeburg der Fall sei, seien in Stadthagen nicht ausgesprochen worden. Es würden derzeit auch keine in Stadthagen wohnhafte Personen, die der rechten Szene zuzuordnen sind, observiert. Dass in Stadthagen Neonazis leben, könne er nicht ausschließen.
Junge Menschen insgesamt aber veränderten sich und ihre sozialen Kreise, sagt er. Zum Beispiel über die Berufsschulen könnten neue Jugendliche auch nach Stadthagen kommen. Probleme mit Rechtsextremismus an den BBS Stadthagen seien polizeilich aber nicht bekannt.
Ein Vergleich der Zahlen politisch motivierter Straftaten: In Stadthagen wurden 2011 drei Straftaten registriert, 2012 24 Taten. In Bückeburg waren es 2011 68 Straftaten, 2012 149 - 77 von rechts, 41 von links. Den Anstieg in Stadthagen begründet der Polizeisprecher auch damit, dass die Öffentlichkeit Dinge wie "Spuckis" jetzt stärker wahrnehme und darauf reagiere - und jede Aufkleber-Aktion gehe eben mit einer Straftat in die Statistik ein.
Beim "TuWat" wurden vor rund vier Wochen Scheiben eingeschmissen. Die Vereinsmitglieder glauben, dass es sich um Mitglieder der rechten Szene handele. Das ist zwar nur eine Vermutung, dennoch geht auch ein solcher Vorfall in die Statistik ein und wird an das Fachkommissariat Staatsschutzdelikte weitergeleitet. Dass der Jugendverein sich gegen Rechtsextremismus einsetzt, begrüßt Bergmann. Er sagt aber auch, dass man, wenn man sich gegen Rechtsextremismus engagiere, damit rechnen müsse, dass es von der Gegenseite Reaktionen gibt - ohne irgendetwas "beschönigen" zu wollen.
Die "Tuwat-Mitglieder" schätzen das Problem mit Neonazis in Stadthagen schlimmer ein. Sie berichten von Drohungen und Provokationen, von Mitgliedern der rechten Szene, die vor dem Vereinsheim "herumhängen". Öfters sähen sie in Stadthagen Menschen, die ihrer Meinung nach in der rechten Szene bekannt sind. Sie erzählen von Drohungen gegen einzelne Mitglieder - im Briefkasten und im Internet.
Vor einigen Jahren hätte es auch körperliche Auseinandersetzungen zwischen Rechten und "Tuwat"-Mitgliedern gegeben. Heute wollen sie sich ohne Gewalt gegen Nazis stellen, betont der Verein.
sn@madsack.de
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