Bünder Tageblatt / Neue Westfälische ,
23.10.2004 :
Aus der Vergangenheit lernen / Jugendliche der jüdischen Synagogengemeinde aus Denver zu Gast / Besuch des KZ Sachsenhausen geplant
Bünde (tig). Angefangen hat alles mit einer Projektwoche im Gymnasium am Markt: "1999 hatte unsere Lehrerin Frau Whitelaw die Idee, die Geschichte eines jüdischen Mädchens in Bünde während der Nazi-Zeit aufzuarbeiten", erzählt Peter Blase. Der 18-jährige Schüler beteiligte sich damals an dem Projekt, das schnell größere Kreise zog. 2001 flog die Projektgruppe, die sich inzwischen "Netzwerk" nennt, nach Denver in Colorado, um mit emigrierten Juden zu sprechen. Jetzt haben die amerikanischen Gastgeber ihren Gegenbesuch in Bünde angetreten.
Die 16 Jugendlichen der jüdischen Synagogengemeinde aus Denver wohnen in den Familien von Schülern des Gymnasiums am Markt und der Realschulen Bünde-Mitte und Bünde-Nord. Zehn Tage lang erkunden sie mit ihren Gastgebern Bünde und Umgebung, außerdem sind Ausflüge nach Berlin und Bielefeld geplant. "Nach Berlin fahren wir auf Einladung der Regierung", freut sich Blase. Es sei ein Programm ausgearbeitet worden, das die Besucher unter anderem ins Jüdische Museum, zum Checkpoint Charlie und ins Konzentrationslager Sachsenhausen führen wird. "In Bielefeld nehmen wir an einem Gottesdienst in der Synagoge teil", erzählt er.
Vor 66 Jahren, am 10. November 1938, endete mit der Zerstörung der Synagoge das öffentliche jüdische Leben in Bünde. Vier Jahre später wurden fast alle Bünder Juden, die nicht emigriert waren, deportiert und ermordet. Mit den amerikanischen Austauschschülern kommen jetzt teilweise Enkel und Urenkel vertriebener oder ermodeter Juden in das Land ihrer Großeltern zurück. Unter dem Motto "Wir und unsere Großeltern" wollen sie sich den Fragen stellen, was die junge Generation aus der Vergangenheit lernen kann und wie sich Gemeinsamkeit trotz einer belasteten Vergangenheit entwickeln lässt.
Die Schüler haben einen Stadtrundgang "Jüdisches Bünde" geplant. Außerdem gibt es heute um 18.30 Uhr ein interreligiöses Gebet in der Laurentiuskirche, zu dem alle Christen und Juden eingeladen sind. Rabbi Dr. Raymond Zwerin aus Colorado und Pfarrer Wilmer von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde werden gemeinsam das Ende des Sabbats und den Beginn des Sonntags feiern. Damit findet zum ersten Mal seit 66 Jahren in Bünde wieder ein öffentliches jüdisches Gebet statt.
Am Schüleraustausch nehmen teil: Sophia Reckers, Michelle Höner, Jeremy Bischof, Nadine Hilker, Lisa Janowski, Diana Dubbert, Sabine Burmnann, Familie Kleineberg, Frederic von Bose, Christine von Bose, Fabian Bienen, Tim Serowski, Peter Blase, Monika Saathoff, Christine Whitelaw, Patty Andersen, Eric Anger, Laura Attencio, Jason Dorfmann, Sasha Friedmann, Elizabeth Gordon, Rachel Judd, Bryan King, Bonnie Kraus, Jacob Meitus, Jason Nochlin, Alyssa Pegulman, Jason Siegel, Meg Attencio, Aangela Gold und Bobbee Seldin und Rabbi Dr. Raymond Zwerin.
23./24.10.2004
lok-red.buende@neue-westfaelische.de
|