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Die Glocke , 22.10.2004 :

Zweiter Teil: Zeitzeugen erzählen / Blick in die Zeit des Zweiten Weltkriegs

Verl (pkb). Die Kolpingsfamilie Verl hatte kürzlich vier Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs zur Gesprächsrunde eingeladen. Die Erinnerungen von Oswald Lattka und Walter Pähler wurden bereits veröffentlicht. Heute berichten Hans Thiesbrummel und Rudi Wittkemper über ihre Erlebnisse. "Wir marschierten durch Eis und Schnee bei bis zu minus 35 Grad. Die tägliche Verpflegung bestand nur noch aus einer Scheibe hartgefrorenem Brot und etwas Wasser. Vor Durst lutschten manche Schnee, was zur Unterkühlung der Organe führte. Für Kranke, Schwache und Verwundete gab es oft keine Rettung mehr, und die Maschinenpistole wurde zu ihrer Erlösung." So schildert Hans Thiesbrummel die ersten Tage seiner Kriegsgefangenschaft im Dezember 1944. Zu den frühen Erinnerungen des 80-Jährigen gehören die Jahre der Machtergreifung auf ganz eigene Weise. "Ich kam 1931 in die Volksschule, da fing das schon bald an mit der Hitler-Jugend. Wir sollten da erscheinen. Ich habe mich gedrückt so gut es ging, weil ich erlebt habe, wie die Führer geschrien haben. Meine Güte, wir haben doch nicht schlecht gehört." Mit 17 sei er zum Arbeitsdienst eingezogen worden. Er musste sich am Bielefelder Bahnhof einfinden. Dann kam die Einberufung - "ich hätte die am liebsten weggeschmissen." Thiesbrummel kam an die Ostfront. Schriftlich hat er festgehalten, was dort am 27. Dezember 1944 begann. Detailliert schildert er die Zustände in den Lagern und während der wochenlangen Märsche durch den kalten Winter gen Osten, bis schließlich auch er in einem Viehwaggon landete, zusammen mit rund 45 anderen Gefangenen: "Der Wagen war innen weiß vor Rauhreif. Den haben wir zusammengekratzt und getrunken. Wenn unser Brot kam, mussten wir das durch Körperwärme erst auftauen, um es überhaupt aufteilen zu können.Unsere Notdurft mussten wir ebenfalls im Wagen verrichten, das war in einer Ecke zu einer Pyramide zusammengefroren. Eine Überlebenschance hatte nur, wer zum Zeitpunkt der Gefangennahme noch über eine eiserne Gesundheit verfügte." Fahrziel war ein Kohlebergwerk, in dem unter härtesten Bedingungen gearbeitet werden musste. Nach anderthalb Jahren durfte Thiesbrummel erstmals einen Brief in die Verler Heimat schicken. "Einmal im Monat waren bis zu 25 Worte erlaubt". Am 20. Dezember 1947 kehrte er, abgemagert auf 47 Kilo, zurück aus der Gefangenschaft. Rudi Wittkemper (81) blickte in der Runde ebenfalls zurück auf die 30er Jahre. Er lernte damals Einzelhandelskaufmann in einem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück, wohnte bei einer Tante in einem benachbarten Dorf.


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